Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen György M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jenö F***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 11. November 2009, GZ 36 Hv 80/09h-100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Jenö F***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Eisenstadt zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Jenö F***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen wird dessen Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jenö F***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (I) und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) fremde bewegliche Sachen einem anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,
A) in der Nacht zum 26. Juni 2009 in Deutsch Schützen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren Mittäter Gewahrsamsträgern der K***** GmbH durch Aufbrechen von Baucontainern diverse Baumaschinen im Gesamtwert von 7.550 Euro durch Einbruch weggenommen;
B) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit György M***** als Mittäter
1) am 3. Juli 2009 in Höll Gabriele H***** 20 Euro Bargeld weggenommen;
2) durch Einbruch wegzunehmen versucht, und zwar
a) am 29. April 2009 in Eberau dem Siegfried R*****, indem sie versuchten, einen Fensterbalken aufzuzwängen, um so in das Innere dessen Einfamilienhauses zu gelangen;
b) am 3. Juli 2009 in Höll dem Franz S*****, indem sie versuchten, das Vorhängeschloss einer hölzernen Lagerraumtür aufzubrechen;
(II) am 3. Juli 2009 in Höll einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem er sich der Festnahme durch Johann P***** dadurch zu entziehen versuchte, dass er mit einem Radmutternschlüssel in der rechten erhobenen Hand auf den Genannten zulief, um auf ihn einzuschlagen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ausdrücklich lediglich den Schuldspruch zu I/A und auf Z 11 gestützt den Sanktionsausspruch.
Die Tatrichter begründeten ihre Überzeugung von der Täterschaft des Beschwerdeführers unter ausführlicher Erörterung aller für und wider ihn sprechenden Verfahrensergebnisse den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend im Wesentlichen damit, dass er anlässlich seiner Festnahme bei seinen Fahrzeugpapieren eine handschriftliche Liste, in welcher die bei der K***** GmbH gestohlenen Baumaschinen angeführt waren, verwahrt hatte, sein Mobiltelefon am 26. Juni 2009 um 00:18 Uhr im Bereich des Tatorts eingeloggt war und nach den in Ungarn durchgeführten polizeilichen Ermittlungen am 21. Juli 2009 zwei der gestohlenen Baumaschinen durch seinen an derselben Adresse (in Ungarn) wohnhaften Sohn verkauft worden waren (US 12 und 13).
Die Frage, ob der Beschwerdeführer die gegenständliche Liste selbst verfasst hat, betrifft weder eine entscheidende Tatsache noch war deren Bejahung erkennbar (aus der Sicht der Tatrichter) notwendige Bedingung für Feststellungen hinsichtlich einer solchen. Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung (oder Verneinung) bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, welche erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führen und für diesen keine notwendige Bedingung darstellen, kann aber aus Z 5 nicht bekämpft werden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410). Insofern war die Aussage des Zeugen Martin E*****, wonach er keine Anhaltspunkte dafür habe, dass der Beschwerdeführer diese Liste verfasst hat (ON 99 S 18), nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall. Im Übrigen steht sie - zumal der Zeuge diesen Umstand auch nicht ausschloss - nicht im Widerspruch zu den Urteilskonstatierungen.
Die Behauptung einer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) hat stets sämtliche beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter in Ansehung der bekämpften Feststellung zu berücksichtigen. Indem die Beschwerde isoliert lediglich den zusammenfassenden Satz, wonach die erkennenden Richter unter Berücksichtigung sämtlicher Indizien zur Überzeugung gelangten, dass der Beschwerdeführer in der Tatnacht den Einbruchsdiebstahl verübt hat, hervorhebt, übergeht sie die eingangs dargestellten Erwägungen des Erstgerichts und verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0116504 [T3]). Mit seiner Behauptung, bei den vom Erstgericht herangezogenen Indizien handle es sich um keine konkreten Gründe, „die einen Schuldspruch des Angeklagten tragen würden“, überschreitet der Beschwerdeführer die Grenzen zur im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099674) und übersieht, dass auch Indizienbeweise nach der StPO durchaus zulässig sind und eine taugliche Grundlage des Schuldspruchs bilden, wenn die aus ihnen gezogenen Schlüsse - wie im vorliegenden Fall - den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechen (RIS-Justiz RS0098249 [T2]).
Mit der Berufung auf den „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) wird kein Begründungsmangel aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).
Soweit die Aufklärungsrüge (Z 5a) im Zusammenhang mit dem festgestellten Verkauf von Teilen des Diebsguts durch den Sohn des Beschwerdeführers kritisiert, dass das Erstgericht die Vernehmung des Jenö F***** (jun) - auch zur Klärung der Verwendung des PKW und des Mobiltelefons des Beschwerdeführers am 26. Juni 2009 - „nicht abgewartet habe“, macht sie nicht deutlich, wodurch der Rechtsmittelwerber an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS-Justiz RS0115823).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich zur Gänze nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, indem sie Feststellungen dazu begehrt, ob der Sohn des Beschwerdeführers am 16. Juni 2009 dessen PKW „benützt“ habe, sowie dahin, dass die Liste der gestohlenen Baumaschinen nicht von Letzterem verfasst worden sei, ohne darzulegen, aus welchem Grund dahingehende Konstatierungen schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Im bisherigen Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Die auf § 281 Abs 1 Z 11 (erster Fall, vgl RIS-Justiz RS0125243) StPO gestützte Sanktionsrüge macht geltend, dass gemäß § 31 StGB auf das (rechtskräftige) Urteil des Städtischen Gerichts Zalaegerszeg, Zahl 14.B.642/2008/12, Bedacht zu nehmen gewesen wäre. Eine solche Bedachtnahme - deren gesetzwidrige Unterlassung eine Überschreitung der Strafbefugnis bedingt (15 Os 95/07w; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 667) - ist hier nicht erfolgt (siehe insbesondere US 3, 17).
Allerdings sind die tatsächlichen Grundlagen für die Strafbemessung nicht ausreichend geklärt. In der im Rahmen der Hauptverhandlung verlesenen (ON 99 S 26) ungarischen Strafregisterauskunft (ON 94) ist zwar vor dem Urteil (Zahl 14.B.642/2008/12) das Datum „22. September 2009“, zusätzlich aber auch ein „Rechtskraftbeschluss“ (Zahl BF.359/2009/4) angeführt, sodass unklar bleibt, ob es sich tatsächlich um das Datum des Urteils erster Instanz (vgl Ratz, WK² § 31 Rz 2) oder allenfalls um jenes einer Rechtsmittelentscheidung handelt. Da sich der Beschwerdeführer seit 3. Juli 2009 durchgehend in Österreich in Haft befindet, bestehen Zweifel, ob alle hier gegenständlichen Taten schon im früheren Verfahren des Städtischen Gerichts Zalaegerszeg abgeurteilt hätten werden können. Dies führt bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung des Urteils in seinem Strafausspruch und - zumal der Oberste Gerichtshof die tatsächlichen Feststellungen zur endgültigen Entscheidung der Sanktionsfrage nicht ohne weiteres (aus dem Akt) treffen kann und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist - zur Zurückverweisung an das Erstgericht (§ 285e StPO) (vgl Ratz, WK-StPO § 285e Rz 2 und § 285i Rz 4 f).
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht eine Ausfertigung des Urteils des Städtischen Gerichts Zalaegerszeg, Zahl 14.B.642/2008/12, im Rechtshilfeweg beizuschaffen und sodann die Strafe - allenfalls unter Bedachtnahme auf dieses Urteil - neu zu bemessen haben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E93532European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00012.10M.0302.000Im RIS seit
07.05.2010Zuletzt aktualisiert am
07.05.2010