Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Franz Boindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. V***** D*****, Arzt, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, 8010 Graz-Burg, vertreten durch Dr. Christine Ulm, Rechtsanwältin in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 200.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. September 2009, GZ 7 Ra 56/09y-39, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Entlassungsbestimmung des § 133 des Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR) entspricht jener des § 34 des Vertragsbedienstetengesetzes (VBG); ebenso sind die Kündigungsbestimmungen in § 130 Stmk L-DBR bzw § 32 VBG weitgehend inhaltsgleich. Während der Dienstgeber nach § 130 Abs 1 Stmk L-DBR (§ 32 Abs 1 VBG) eine Kündigung nur schriftlich und mit Angabe des Grundes vornehmen kann, sieht § 133 Abs 1 Stmk L-DBR (§ 34 Abs 1 VBG) kein Schriftformgebot vor. Schon aus der unterschiedlichen Formulierung der gesetzlichen Bestimmungen folgt, dass der Gesetzgeber für die Kündigung einerseits und die Entlassung andererseits unterschiedliche Wirksamkeitserfordernisse normiert hat. Anders als im Fall der Kündigung nach einem Jahr ist für den Ausspruch einer Entlassung weder die Einhaltung der Schriftform noch die Angabe eines Grundes erforderlich (Ziehensack, VBG Rz 36; Haschmann/Wawerka, VBG 152; Kuderna, Das Entlassungsrecht2 199).
2. Bei der Prüfung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit nach § 133 Abs 2 Z 2 zweiter Tatbestand Stmk L-DBR ist an das Verhalten des Dienstnehmers ein objektiver Maßstab anzulegen, der nach den Begleitumständen des Einzelfalls und nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise angewendet zu werden pflegt (RIS-Justiz RS0029733). Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Dienstnehmers als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Dienstgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029323). Ob dies der Fall ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (RIS-Justiz RS0029630; RS0105940 [T5]; 9 ObA 133/07k).
Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung maßgeblichen Beurteilungsgrundsätze zutreffend dargelegt. Wenn es davon ausgehend die Tatbestandsmäßigkeit einer erheblichen Ehrverletzung bejaht (RIS-Justiz RS0028870) und weiters zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht auf hinreichende Gründe verweisen könne, die gegen den beleidigten Mitarbeiter erhobene Anschuldigung für wahr zu halten, und er sich in Ansehung der unbewiesenen Behauptung auch nicht auf die Wahrung berechtigter Interessen berufen könne, kann darin eine unvertretbare, die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. Entgegen den Überlegungen in der Revision hat der Kläger nicht nur von einem Verdacht gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter gesprochen, sondern davon, dass dieser in der Vergangenheit gewalttätig gewesen sei, er dazu Beweise liefern könne, aus datenschutzrechtlichen Gründen aber weder die Quelle noch sonstige Details bekannt gebe. Soweit das Berufungsgericht das Gesamtverhalten des Klägers in seine Beurteilung einbezogen hat (RIS-Justiz RS0081395; RS0082248), kann von einer unvertretbaren Beurteilung ebenfalls nicht gesprochen werden.
3. Auch die Frage, ob die Beklagte den Entlassungsgrund unverzüglich geltend gemacht hat, stellt eine Beurteilung im Einzelfall dar, die grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS-Justiz RS0031571; 9 ObA 61/98f). Allgemein ist dem Dienstgeber zuzubilligen, den entlassungsrelevanten Sachverhalt aufzuklären (RIS-Justiz RS0029297). Bei juristischen Personen und insbesondere im öffentlichen Bereich ist zudem der aufgrund der hierarchischen Strukturen umständlichere und langwierigere Willensbildungsprozess zu berücksichtigen. Dadurch bedingte und sich auch aus der Notwendigkeit der vorherigen Befassung der Organe der Personalvertretung ergebende Verzögerungen werden von der Rechtsprechung daher grundsätzlich anerkannt (RIS-Justiz RS0029328; RS0028543 [T6]).
Im vorliegenden Fall ist die besondere Organisationsstruktur mit je zwei übergeordneten Referaten und Abteilungen zu berücksichtigen. Nachdem der beleidigte Mitarbeiter vom Vorwurf des Klägers erfahren und sich darüber beschwert hatte, fanden zunächst Ermittlungen durch das Heimreferat und vor allem durch das Referat für Personalverwaltung statt. In der Folge wollte der Leiter dieses Referats den Obmann der Dienststellenpersonalvertretung, dem eine Aussage gegen seinen Chef zu dessen inkriminierten Äußerungen anlässlich der Besprechung vom 4. 10. 2007 unangenehm war, als objektive Auskunftsperson befragen. Die offizielle Mitteilung der Fachabteilung vom 11. 10. 2007 über das Fehlverhalten des Klägers langte in der für den Ausspruch einer Entlassung allein zuständigen Personalabteilung am 15. 10. 2007 ein. Die Niederschrift mit dem Obmann der Dienststellenpersonalvertretung wurde am 22. 10. 2007 aufgenommen.
Bei der Beurteilung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Personalvertretung gemäß § 18 Z 7 des Gesetzes über die Personalvertretung der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk LPVG 1999) von der beabsichtigten Entlassung des Klägers zu informieren war. Wenn das Berufungsgericht der Beklagten in dieser besonders sensiblen Angelegenheit zudem die Befragung des Personalvertretungsobmanns zubilligt, stellt dies noch keine grobe Fehlbeurteilung dar. Eine Suspendierung des Klägers musste der Beklagten nach den Bestimmungen des § 107 Abs 1 Stmk L-DBR nicht als unausweichliche Maßnahme erscheinen. Aufgrund der besonderen Umstände ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die offiziellen Ermittlungen erst am 22. 10. 2007 abgeschlossen gewesen seien und die am 23. 10. 2007 ausgesprochene Entlassung nicht verspätet erfolgt sei, vertretbar.
Auch mit seinen Ausführungen zu den geltend gemachten Verfahrensmängeln vermag der Kläger die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Textnummer
E93476European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00155.09Y.0303.000Im RIS seit
23.04.2010Zuletzt aktualisiert am
07.10.2011