TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/16 2000/18/0242

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Veröffentlicht am 16.01.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des J I in Haid, geboren am 13. Februar 1977, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. Oktober 2000, Zl. St 193/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes und Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 2000 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. September 2000, mit dem gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen worden war, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 15. März 1993 in Österreich auf und habe zuletzt über eine Niederlassungsbewilligung mit einer Gültigkeitsdauer bis 31. August 2000 verfügt.

Er sei am 27. Dezember 1996 wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe und am 20. Dezember 1997 wegen fahrlässiger leichter Körperverletzung zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Mit seit 19. Juni 2000 rechtskräftigem Urteil sei er wegen des Verbrechens gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2, 129 Z. 1 und Z. 2, 130 3. und 4. Fall sowie § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren, davon 20 Monate unter bedingter Strafnachsicht, verurteilt worden.

Nach der Urteilsbegründung habe der Beschwerdeführer in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt S 250.000,-- übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die schweren Einbruchsdiebstähle in der Absicht begangen habe, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1. am 26. Mai 1999 in Ried im Innkreis acht Handys und zwei Discman im Wert von S 40.900,-- durch Einschlagen einer Auslagenscheibe,

2. in der Nacht zum 16. Juni 1999 in Neukirchen einen Bargeldbetrag von S 17.740,-- und zwei Motorsägen im Wert von

S 11.779,77 durch Einschlagen einer Fensterscheibe,

3. in der Nacht zum 2. Oktober 1999 in Wels Bargeldbeträge von S 39.220,-- und S 7.398,-- sowie ein Sparbuch mit einem Einlagestand von 1.905,28 Euro durch Einschlagen einer Fensterscheibe und Aufbrechen eines Tresors,

4. in der Nacht zum 9. Oktober 1999 in Linz durch Einschlagen eines Auslagenfensters, wobei es beim Versuch geblieben sei,

5. in der Nacht zum 23. Oktober 1999 in Grießkirchen 23 Uhren und 24 Stück Silberschmuck im Wert von S 90.930,-- durch Einschlagen zweier Vitrinen,

6. in der Nacht zum 23. Oktober 1999 in Aurolzmünster 45 Telefonwertkarten und Bargeld im Gesamtwert von S 26.280,-- durch Einschlagen einer Fensterscheibe,

7. in der Nacht zum 29. Oktober 1999 in Tumeltsham 14 Handtaschen und fünf Paar Schuhe im Gesamtwert von S 7.532,-- durch Einschlagen einer Fensterscheibe und

8. in der Nacht zum 29. Oktober 1999 in Aurolzmünster Zigaretten, Rubbellose und zwei Tresorschlüssel im Gesamtwert von

S 16.400,-- durch Einschlagen einer Fensterscheibe.

Bei diesen Einbruchsdiebstählen sei darüber hinaus ein hoher Sachschaden eingetreten.

In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Der Beschwerdeführer verfüge über ein großes Gewaltpotenzial und sei bereit, dieses gegen andere Menschen und deren Vermögen einzusetzen. Dass ihm schwerer, gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstahl in acht Fällen nachgewiesen worden sei, lasse erwarten, dass er bei einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen werde. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Durch das Aufenthaltsverbot werde in nicht unbeachtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Die Gattin und die beiden Kinder des Beschwerdeführers hielten sich berechtigt im Bundesgebiet auf. Dem Beschwerdeführer sei eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen. Von einer vollständigen Integration könne jedoch schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil er durch die regelmäßig begangenen Straftaten dokumentiert habe, in sozialer Hinsicht noch nicht integriert zu sein. Auch in beruflicher Hinsicht könne "keinesfalls von einer Integration ausgegangen werden".

Der angefochtene Bescheid enthält eine mit Juni 1994 beginnende Auflistung jener Zeiträume in denen der Beschwerdeführer beschäftigt war (unter Nennung des jeweiligen Dienstgebers) und aller Zeiträume der Beschäftigungslosigkeit. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer von Mitte 1994 bis Ende 1997 im Wesentlichen durchgehend beschäftigt, seit Anfang 1998 jedoch mehr als 16 Monate beschäftigungslos und dazwischen jeweils nur einige Monate bei wechselnden Dienstgebern beschäftigt war.

Auf Grund dieser Arbeitszeiten sei "wohl kaum von einer stärkeren Integration im beruflichen Leben auszugehen".

Die acht vom Beschwerdeführer gewerbsmäßig begangenen schweren Einbruchsdiebstähle seien enorm hoch einzustufen. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich der Beschwerdeführer von einer gerichtlichen Verurteilung nicht habe abhalten lassen, weitere Delikte zu begehen.

Der Behörde erster Instanz sei beizupflichten, dass aus den Verbrechen des Beschwerdeführers eine gewisse Verantwortungslosigkeit gegenüber der Familie abgeleitet werden könne. Einem Fremden müsse bewusst sein, durch Straftaten und die daraufhin zu erwartenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen die Existenz der gesamten Familie aufs Spiel zu setzen. Vor diesem Hintergrund sei auch die - unglücklich gewählte - Formulierung der Erstbehörde, wonach der Beschwerdeführer kein "Interesse" an seiner Familie hätte, nicht unberechtigt. Insbesondere sei auch die "persönliche Einstellung insofern gewertet" worden, als der Beschwerdeführer in der Berufung versucht habe, die Reaktion der Fremdenpolizeibehörde auf seine Einbruchsdiebstähle als übertrieben "herabzustufen". Er habe ausgeführt, "nicht genug", dass ihm die Erstbehörde seine Verurteilung fremdenpolizeilich zum Vorwurf gemacht hätte, hätte diese auch noch daraus abzuleiten versucht, dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, kein Interesse an seiner Familie zu haben. Eine derartige Einstellung des Beschwerdeführers "zu den Abläufen in unserer Gesellschaft bzw. zu strafbaren Handlungen (Verbrechen) überhaupt" lasse nur den Schluss zu, dass "eklatante Einschätzungsmängel hinsichtlich der Grundwerte dieses Staates bzw. der in diesem Staat befindlichen Rechtsgüter" vorherrschten.

Unter Abwägung aller Umstände sei das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Diese Maßnahme sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Schon im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ist auch die Ansicht der belangten Behörde, auf Grund der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbedenklich.

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers unabhängig von den die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte. Dass auch eine teilbedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann, ergibt sich im Übrigen aus § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0071, mwN).

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde - anders als die Beschwerde vorbringt - die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers und den inländischen Aufenthalt seiner Familie (Gattin und zwei Kinder) berücksichtigt. Zutreffend hat sie ausgeführt, dass die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration durch die strafbaren Handlungen erheblich beeinträchtigt werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0065, mwN).

Die belangte Behörde führte aus, die ihrer Meinung nach "unglücklich" formulierte Aussage der Behörde erster Instanz, wonach der Beschwerdeführer kein Interesse an seiner Familie hätte, sei insofern nicht unberechtigt, als sich der Beschwerdeführer habe bewusst sein müssen, durch sein Verhalten die Existenz seiner Familie zu gefährden. Sollte die belangte Behörde damit die Ansicht vertreten, dass das Gewicht der Beziehung des Beschwerdeführers zu Frau und Kindern durch die Begehung seiner Straftaten gemindert werde, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Ebensowenig kann der Ansicht der belangten Behörde beigepflichtet werden, aus der Formulierung des gegen die besagte Meinung der Behörde erster Instanz gerichteten Berufungsvorbringens, das mit den Worten "nicht genug, dass mir die Erstbehörde die ... Verurteilung ... fremdenpolizeilich zum Vorwurf macht ..." beginnt, sei abzuleiten, der Beschwerdeführer habe - über die sich aus den Straftaten ergebende negative Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten hinaus - "eklatante Einschätzungsmängel hinsichtlich der Grundwerte dieses Staates".

Das - im Übrigen nicht konkretisierte - Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe ein "besonders inniges und intensives" Verhältnis zu seiner Familie, kann nicht dazu führen, seinem Familienleben einen höheren Stellenwert beizumessen als dem Familienleben jedes anderen Fremden, der gemeinsam mit Ehegatten und Kindern im Bundesgebiet lebt.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Zeiten seiner Beschäftigung bzw. Beschäftigungslosigkeit laut der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Aufstellung nicht. Aus den darin aufgelisteten Beschäftigungszeiten ergibt sich - anders als die belangte Behörde meint - auch eine Integration des Beschwerdeführers in beruflicher Hinsicht; diese ist jedoch insofern erheblich gemindert, als gerade in den der Erlassung des angefochtenen Bescheides unmittelbar vorangehenden Jahren verstärkt längere Zeiten der Beschäftigungslosigkeit liegen.

Den insgesamt ein erhebliches Gewicht aufweisenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland stehen die Straftaten und die daraus resultierende Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen gegenüber. Der Beschwerdeführer hat acht Einbruchsdiebstähle gewerbsmäßig begangen bzw. zu begehen versucht. Er hat somit in der Absicht gehandelt, sich durch wiederkehrende derartige Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Insgesamt hat er dabei Bargeld und Waren im Wert von mehr als S 280.000,-- erbeutet. Darüber hinaus ist durch die Einbrüche großer Sachschaden entstanden. Aus der Zahl der Angriffe, der Art der Tatbegehung (Einschlagen von Auslagen- bzw. Fensterscheiben, Aufbrechen eines Tresors) und der gewerbsmäßigen Vorgangsweise des Beschwerdeführers ist dessen große Gefährlichkeit für die maßgeblichen öffentlichen Interessen abzuleiten. Dazu kommt noch, dass der Beschwerdeführer vorsätzlich eine schwere und fahrlässig eine leichte Körperverletzung begangen hat.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kann die im Ergebnis vertretene Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Durch den von der belangten Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides bestätigten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung wurde der Beschwerdeführer schon deshalb nicht in Rechten verletzt, weil er in dem in der vorliegenden Beschwerde enthaltenen Antrag auf Zuerkennung von aufschiebender Wirkung vorbringt, mit der Behörde erster Instanz abgesprochen zu haben, erst abgeschoben zu werden, wenn er bis 28. Dezember 2000 nicht ausreise. Damit gesteht er zu, bis zur Einbringung der Beschwerde und daher auch bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht abgeschoben worden zu sein. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1999, Zl. 99/18/0056.)

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180242.X00

Im RIS seit

28.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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