TE OGH 2010/3/3 9Ob4/10v

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Veröffentlicht am 03.03.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, gegen das Land Steiermark, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, 8010 Graz, Stempfergasse 7/1, wegen Entschädigung gemäß § 34 Abs 5 Stmk ROG (Streitwert 2 Mio EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. November 2009, GZ 5 R 138/09i-5, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 34 Abs 5 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes (Stmk ROG) wegen Versäumung der dreimonatigen Antragsfrist vermag die Antragstellerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, begründet für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0123321 [T7]). Geben die Vorinstanzen die Entscheidungspraxis der zuständigen Behörden bzw die Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts richtig wieder und ziehen sie daraus keine unvertretbaren Schlussfolgerungen, so liegt im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0123321 [T1]).

Die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts haben in zahlreichen Entscheidungen, und zwar auch mit Bezug auf § 34 Abs 5 Stmk ROG, ausgesprochen, dass sowohl gegen meritorische als auch gegen formelle verwaltungsbehördliche Entscheidungen über Entschädigungsanträge wegen einer Eigentumsentziehung oder Eigentumsbeschränkung bei verfassungskonformer Interpretation im Sinn der sukzessiven Zuständigkeit die Anrufung des Gerichts als Rechtsmittel vorgesehen ist. Die Entscheidung über einen Antrag auf Entschädigung betreffe ein „civil right“ iSd Art 6 Abs 1 EMRK. Über „civil rights“ müsse von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht („tribunal“) entschieden werden. Die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof - gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof - genüge nicht (VfGH vom 1. 12. 1994, GZ B 478/92; 12. 12. 2002, GZ G 117/02 = VfSlg 16692; 1. 10. 2002, GZ B 633/02 = VfSlg 16648; VwGH vom 27. 1. 2009, GZ 2007/06/0196 und 2007/06/0135). Nach gefestigter Rechtsprechung beginnt die dreimonatige Frist für den gerichtlichen Entschädigungsantrag gemäß § 34 Abs 5 Stmk ROG somit mit Rechtskraft der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu laufen, mit der ein Entschädigungsantrag abgewiesen oder zurückgewiesen wird. Die Ausführungen der Antragstellerin sind damit nicht geeignet, eine unrichtige Auslegung der zu beurteilenden Rechtsvorschrift durch die Vorinstanzen darzulegen und die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu begründen.

2.1 Der als Eventualantrag gestellte Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin ist nicht schon nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Gemäß § 34 Abs 6 Stmk ROG sind für das Entschädigungsverfahren nach Abs 5 leg cit unter anderem die §§ 22 bis 34 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 (Eisenbahn- Enteignungsentschädigungsgesetz idF BGBl I 2003/112 [EisbEG]) sinngemäß anzuwenden. Soweit dieses Gesetz für das gerichtliche Verfahren nicht besondere Vorschriften enthält, verweist es in § 24 Abs 1 auf die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes (AußStrG). § 30 Abs 3 EisbEG enthält dazu nur die Bestimmung, dass die Frist für Rechtsmittel gegen den Beschluss über die Entschädigung und für deren Beantwortung vier Wochen beträgt. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestimmt sich daher nach § 21 AußStrG, der - ausgenommen § 154 leg cit - grundsätzlich auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) verweist. § 153 ZPO über die Anfechtbarkeit der Bewilligung der Wiedereinsetzung ist damit auch im Außerstreitverfahren anwendbar. Nach den Erläuterungen sollen die allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozessordnung über das Rechtsmittelverfahren vom Verweis aber nicht erfasst sein, weshalb § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht zur Anwendung gelangt (224 RV BlgNR XXII. GP 36). Gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz über die Verweigerung der Wiedereinsetzung ist der Revisionsrekurs daher nicht jedenfalls unzulässig (Fucik/Kloiber, AußStrG § 21 Rz 2; Rechberger in Rechberger, AußStrG § 21 Rz 4).

2.2 Auch zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags (zur grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Antrags im Fall der sukzessiven Zuständigkeit siehe 3 Ob 2360/96x) vermag die Antragstellerin die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht zu rechtfertigen.

Die Beurteilung, ob die Wiedereinsetzung wegen Vorliegens eines nicht bloß mindergradigen Versehens einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten versagt bleibt, ist regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig und hat daher keine grundsätzliche Bedeutung (RIS-Justiz RS0116535; RS0036742 [T2]). Wie schon erwähnt, hatten sich die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts seit vielen Jahren immer wieder mit der in unzähligen landesgesetzlichen (vor allem naturschutz- und raumordnungsrechtlichen) Bestimmungen insbesondere im Zusammenhang mit der gerichtlichen Festsetzung von Entschädigungen für Eigentumsentziehungen oder Eigentumsbeschränkungen vorgesehenen Regelung der sukzessiven Zuständigkeit und deren Reichweite zu beschäftigen. Durch diese Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass sich die umfassende sukzessive Zuständigkeit über einen Entschädigungsantrag auf die „Enteignungsentschädigung“ sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach und ebenso auf die formelle Entscheidung über einen solchen Antrag bezieht (VfGH 23. 6. 1994, GZ G 192/92; 1. 12. 1994, GZ B 478/92; 1. 10. 2002, GZ B 633/02 = VfSlg 16648; 12. 12. 2002, GZ G 117/02, VfSlg 16692; VwGH 19. 3. 1990, GZ 89/19/0181; 23. 10. 1991, GZ 91/06/0170; 27. 8. 2002, GZ 2002/10/0061 mwN; 27. 5. 2004, GZ 2000/07/0249; 27. 9. 2005, GZ 2005/06/0186; 29. 3. 2007, GZ 2006/07/0019; 27. 1. 2009, GZ 2007/06/0196 und 2007/06/0135). Schon in seinem Beschluss vom 1. 10. 2002 (GZ B 633/02, VfSlg 16648) verwies der Verfassungsgerichtshof auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. 10. 1992 (GZ 92/06/0199), wonach es für die Anrufung des Gerichts im Sinn der sukzessiven Zuständigkeit nicht Voraussetzung sei, dass die Behörde über den Antrag inhaltlich entschieden habe, sondern nur, dass das Rechtsschutzanliegen dort anhängig gemacht worden sei und sich die Partei mit der Entscheidung nicht zufrieden gebe.

Nach diesen Grundsätzen kann die Beurteilung der Vorinstanzen, die Versäumung der dreimonatigen Frist für den gerichtlichen Entschädigungsantrag durch den rechtskundigen Vertreter der Antragstellerin beruhe trotz Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht mehr auf einem Versehen minderen Grads iSd § 146 ZPO, nicht als grobe, durch den Obersten Gerichtshof korrekturbedürftige Fehlbeurteilung angesehen werden.

3. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Textnummer

E93470

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00004.10V.0303.000

Im RIS seit

23.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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