TE OGH 2010/3/4 13Os81/09z

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Veröffentlicht am 04.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Thomas G***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Privatbeteiligten Zollamt Linz Wels als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 3. Februar 2009, GZ 35 Hv 97/08a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

- im Schuldspruch nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG und demzufolge im Ausspruch über die Geldstrafe und die dazu bestimmte Ersatzfreiheitsstrafe sowie

- im Ausspruch über den Verfall, die Wertersatzstrafe und die zu Letzterer bestimmte Ersatzfreiheitsstrafe

aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

II. Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln verwiesen.

III. Die Berufung des Privatbeteiligten Zollamt Linz Wels als Finanzstrafbehörde erster Instanz wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Thomas G***** wurde mit dem angefochtenen Urteil (richtig:) jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (a) und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (b) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** und anderen Orten zwischen August 1998 und August 2008

a) in zahlreichen, im Einzelnen nicht mehr näher feststellbaren Angriffen vorsätzlich Sachen, „hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern respektive von Eingangsabgaben“ begangen worden war, nämlich insgesamt 400.000 Stück Zigaretten unterschiedlicher Sorten mit darauf entfallenden Eingangsabgaben von 59.284,57 EUR (US 10; vgl ON 39 S 15), vom abgesondert verfolgten Sandor B***** gekauft und zu einem geringen Anteil weiterverhandelt, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung der Abgabenhehlerei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

b) durch die zu Punkt a) angeführte Tathandlung vorsätzlich Monopolgegenstände, hinsichtlich welcher in die Rechte des Tabakmonopols nach § 5 Abs 3 TabMG 1996 eingegriffen worden war, nämlich die zu Punkt a) angeführten Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis von 60.074,06 EUR, gekauft und zu einem geringen Anteil verhandelt.

Rechtliche Beurteilung

Er wendet sich dagegen mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil in mehreren Punkten vom Angeklagten nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO (§ 195 Abs 1 FinStrG) zu seinen Gunsten von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit anhaftet:

1. Die rechtliche Annahme von Gewerbsmäßigkeit setzt unter anderem eine auf wiederholte Begehung der strafbaren Handlung gerichtete Absicht des Täters voraus (vgl Jerabek in WK² § 70 Rz 7). Die im Urteil getroffene Feststellung, es sei dem Angeklagten darauf angekommen, „dass er sich durch den Ankauf solcher geschmuggelter Zigaretten, deren Kaufpreis in etwa bei der Hälfte des Abgabenpreises in österreichischen Trafiken lag, und die dadurch erwirkte Ersparnis eine fortlaufende Einnahmequelle verschafft bzw einen beträchtlichen Ausgabenposten seiner Lebenshaltungskosten über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum einspart“ (US 6), bringt eine derartige Tendenz nicht zum Ausdruck. Dass sie im Urteilstenor aufscheint (US 2), vermag die Nichtigkeit nicht abzuwenden: Fehlende Feststellungen werden durch Erwähnung im Spruch des Urteils nicht ersetzt (RIS-Justiz RS0114639).

Aufgrund der demnach erforderlichen Kassation des Schuldspruchs nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG, die jene des Ausspruchs über die Geldstrafe und die dazu bestimmte Ersatzfreiheitsstrafe nach sich zog, bedurfte das Vorbringen aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO keiner Erörterung, sodass der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde auf das amtswegige Vorgehen zu verweisen war.

Angemerkt sei dennoch, dass er mit seinem Standpunkt nicht im Recht ist: Die Absicht, durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine „fortlaufende Einnahme“ zu erzielen (vgl § 70 StGB), muss nicht, wie er vermeint, auf eine unmittelbare Vermehrung von Aktiva abzielen. Sie kann auch darauf gerichtet sein, sich (höhere) finanzielle Aufwendungen zu ersparen (vgl RIS-Justiz RS0086596 [T1 und T4], RS0092381 [T4]).

2. Soweit die vom Schuldspruch erfassten Zigaretten aus Rumänien stammten und ab dem Beitritt dieses Staats zur Europäischen Union (1. Jänner 2007) nach Österreich gebracht wurden (ohne dass sie das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hätten und dann wieder eingeführt worden wären, US 5), liegt kein Schmuggel iSd § 35 Abs 1 erster Fall FinStrG vor. Innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft (Art 3 ZK) kann kein Zolldelikt im grenzüberschreitenden Warenverkehr begangen werden (zB Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht3 Rz 1121; 13 Os 19/08f, EvBl 2010/13, 85).

Aus dem festgestellten, dem Verhalten des Angeklagten vorgelagerten Sachverhalt, wonach die Zigaretten „über diverse Frachtfirmen unverzollt, ohne Entrichtung von Zollabgaben, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer in das Bundesgebiet respektive in das Gebiet der Europäischen Union gebracht“ wurden (US 5), ist daher insoweit kein Ausfall an Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, wohl aber ein solcher an Tabaksteuer abzuleiten, die auch dann geschuldet wird, wenn Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken bezogen werden und der Bezieher sie im Steuergebiet in Empfang nimmt oder die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Tabakwaren in das Steuergebiet, das ist das Bundesgebiet mit Ausnahme des Gebiets der Ortsgemeinden Jungholz (Tirol) und Mittelberg (Vorarlberg; § 1 Abs 2 TabStG), verbringt oder verbringen lässt (§ 27 Abs 1 TabStG; vgl Doralt/Ruppe, Steuerrecht II5, 134 oben). Diesfalls ist die Tabaksteuer nach § 27 Abs 5 TabStG anzumelden und zu entrichten, was den insoweit ausreichenden Feststellungen zufolge gezielt nicht geschehen ist, sodass eine Vortat in Gestalt eines Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG in Betreff einer Verbrauchsteuer und demzufolge, was den Angeklagten betrifft, in dieser Hinsicht ein zumindest (siehe zu § 38 Abs 1 lit a FinStrG die zuvor genannte amtswegige Maßnahme) nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG tatbestandsmäßiges Verhalten gegeben ist (vgl 13 Os 9/08k, EvBl 2009/64, 420; 13 Os 19/08f, EvBl 2010/13, 85).

Die rechtsirrige Einbeziehung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Ansehung der aus Rumänien stammenden, ab 1. Jänner 2007 nach Österreich gebrachten Zigaretten in den strafbestimmenden Wertbetrag begründet Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO.

3. In Betreff der übrigen Zigaretten lassen die Feststellungen nicht erkennen, in welcher Menge die Tatrichter die Ware als aus einem Drittstaat (zB Rumänien vor 2007) kommend ansahen (US 5). Soweit sie - was nach den in dieser Hinsicht ungenauen Entscheidungsgründen (US 5) denkbar ist - davon ausgingen, dass die Zigaretten zwar „aus dem Ausland“ (US 5), aber aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union stammten und nach Österreich gebracht wurden, ohne zuvor das Zollgebiet verlassen zu haben, sind Zoll und Einfuhrumsatzsteuer wie dargelegt nicht betroffen. Daher fehlt auch in Ansehung der weiteren (nicht schon vorstehend unter Punkt 2 genannten) Zigaretten eine ausreichende Feststellungsgrundlage, um diese Abgaben wie geschehen (US 10) beim strafbestimmenden Wertbetrag zu veranschlagen, was gleichfalls Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO bedeutet.

4. Außerdem haftet dem Urteil im Ausspruch über den Verfall der sichergestellten Zigaretten und über die Wertersatzstrafe eine ungerügte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO an, weil das Erstgericht die Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 17 Abs 6 und § 19 Abs 5 FinStrG gänzlich unterlassen hat (RIS-Justiz RS0088035).

Daher waren weiters diese Sanktionsaussprüche (samt dem über die Ersatzfreiheitsstrafe zur Wertersatzstrafe) aufzuheben und dem Erstgericht auch insoweit die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Während Angeklagter und Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf das amtswegige Vorgehen zu verweisen waren, erforderte die ohne Konkretisierung angemeldete (ON 53) und verspätet ausgeführte (s ON 52 S 29, ON 59) Berufung des Privatbeteiligten die Zurückweisung als unzulässig, weil dem Gebot des § 294 Abs 2 vierter Satz StPO, zu erklären, gegen welche der ausgesprochenen Unrechtsfolgen sie sich richtet, nicht entsprochen wurde (Ratz, WK-StPO § 294 Rz 10).

Das amtswegige Vorgehen (§ 290 Abs 1 StPO) zieht keine Kostenersatzpflicht des Angeklagten nach sich.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00081.09Z.0304.000

Im RIS seit

10.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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