TE OGH 2010/3/4 13Os7/10v

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Veröffentlicht am 04.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer in der Strafsache gegen Novak V***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Oktober 2009, GZ 43 Hv 60/09w-104, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Andreas Lepschi zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Novak V***** wird unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Novak V***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A) und (richtig:) mehrerer Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (B.1 bis 3) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) am 8. März 2008 in Frankfurt den abgesondert verfolgten Emir G***** dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich „1.103 Gramm Kokain brutto (Reinheitsgehalt 62 %, Nettogewicht 616,1 Gramm)“ (US 3 und 5; gemeint wohl: 993,8 Gramm mit einem Reinsubstanzgehalt von 62 %, somit 616,1 Gramm; ON 9 S 11), nach Österreich einzuführen, indem er ihm das Kokain zum Weitertransport nach Österreich übergab;

(B) gefälschte ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts oder eines Rechtsverhältnisses gebraucht, indem er sich in Wien

1) am 23. Mai 2008 gegenüber Angestellten der W***** mit einem gefälschten Reisepass lautend auf Tomislav J***** auswies;

2) am 30. Mai 2008 gegenüber Angestellten der W***** mit einem gefälschten Reisepass lautend auf Krasnodar F***** auswies;

3) am 3. Februar 2009 gegenüber Polizeibeamten mit einem gefälschten Reisepass lautend auf Antonio V***** auswies.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist zum Teil im Recht.

Die Mängelrüge (Z 5) geht fehl.

Weshalb über die im Urteil ohnedies erörterten Angaben des Zeugen Emir G*****, wonach er auf einem Lichtbild den Angeklagten als jene Person wiedererkannte, die ihn zur Tat veranlasst habe, und den gleichfalls von den Tatrichtern erwogenen Widerruf der Aussage hinaus (US 8 ff) erörterungsbedürftig gewesen sein soll (Z 5 zweiter Fall), „wie sich der Zeuge G***** und der Angeklagte kennen gelernt haben“, lässt die Beschwerde offen, desgleichen, weshalb erheblich sei, ob der Angeklagte Stammgast in einem bestimmten Lokal gewesen oder nur „ein paar Mal dort gesehen“ worden ist.

Den weiters als übergangen reklamierten Angaben des Zvonimir S***** zu einem Kontakt mit dem Angeklagten im Jahr 2008 in Deutschland fehlte die Eignung, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu verändern, weil der Genannte den genauen Zeitpunkt des Zusammentreffens - aus welchem der Angeklagte ein Alibi abzuleiten trachtete (ON 96 S 7, 9) - nicht näher festlegen konnte, weshalb sich die Tatrichter damit nicht befassen mussten (ON 101 S 3; RIS-Justiz RS0116877; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409, 421).

Mit dem Fehlen verwertbarer Spuren auf der Tasche, in welcher das Kokain aufbewahrt wurde, und von Fingerabdruckspuren des G***** auf der Verpackung des Suchtgifts haben sich die Tatrichter durchaus befasst (Z 5 zweiter Fall), wobei sie diesen Umständen mit den dazu angeführten Erwägungen (US 12) die Eignung absprachen, die Täterschaft des Angeklagten auszuschließen, was unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (Z 5 vierter Fall).

Indem der Angeklagte mit Blick auf die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG in der Feststellung, sein Vorsatz habe die sichergestellte Menge von 1.103 Gramm Kokain brutto sowie den Reinheitsgehalt von 62 % umfasst (US 6), einen „bloßen Gebrauch der verba legalia“ erblickt (Z 10; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8), vernachlässigt er, statt wie bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes geboten an den Konstatierungen festzuhalten (RIS-Justiz RS0099810), deren Sachverhaltssubstrat.

Der Vorwurf, die dazu angestellte Beweiswürdigung habe sich auf eine begründungslose Wiederholung der Feststellung beschränkt (Z 5 vierter Fall), geht an den diesbezüglichen Urteilserwägungen vorbei (US 12).

In der aggravierenden Heranziehung des Überschreitens des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge (dh eines Merkmals der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG) „um ein Vielfaches“ (gemeint: der Grenzmenge, vgl US 13 f) ist entgegen der Beschwerde (Z 11 zweiter Fall) mit Blick auf § 32 Abs 3 StGB, wonach die Strafe (unter anderem) um so strenger zu bemessen ist, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat, von vornherein kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot im Sinn des § 32 Abs 2 StGB zu erblicken (Ebner in WK² § 32 Rz 64; RIS-Justiz RS0088028 [T7]).

Der Einwand, das Erstgericht hätte nicht „einerseits die einschlägige Vorstrafe in Deutschland als Erschwerungsgrund“ werten „und andererseits“ im Rahmen der Strafbemessung „das kriminelle Vorleben des Angeklagten, insbesondere das Suchtmitteldelikt im Ausland und seine Verstrickung in das Milieu des Suchtgifthandels“ heranziehen dürfen (US 14), geht am Bezugspunkt des auch insoweit in Anspruch genommenen Doppelverwertungsverbots (Z 11 zweiter Fall) vorbei, der allein in Umständen liegt, die „schon die Strafdrohung bestimmen“ (§ 32 Abs 2 StGB).

Zu Recht moniert die Beschwerde allerdings (Z 11 zweiter Fall, 12 Os 119/06a [verst Senat], 12 Os 35/07z), dass G***** das Kokain nicht nach Österreich eingeführt hat, sondern noch „in Deutschland“ von der Polizeiinspektion Passau „im Zuge seiner Einreise nach Österreich“ aufgegriffen wurde, wobei es zur Sicherstellung des Suchtgifts kam (US 5), was die rechtliche Konsequenz hat, dass dem Angeklagten Bestimmung zum Versuch der Einfuhr zur Last fällt (zB Fuchs AT I34/6, Kienapfel/Höpfel, AT I13 E 4 Rz 5), während das Erstgericht rechtsirrig von Vollendung ausging.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch unberührt zu bleiben hatte, im Ausspruch über die Strafe aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO mit Strafneubemessung vorzugehen.

Dabei war gemäß § 32 Abs 3 StGB die beträchtliche Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 28a Abs 4 Z 3 SMG zu berücksichtigen. Zudem waren das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie die in Deutschland erlittene einschlägige Verurteilung als erschwerend, hingegen der Umstand, dass es bei der Tat laut Schuldspruch (A) beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), und das Geständnis zu den Taten laut Schuldspruch (B) als mildernd zu werten. Ausgehend davon sah sich der Oberste Gerichtshof zur Verhängung der im Spruch genannten Strafe bestimmt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93553

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00007.10V.0304.000

Im RIS seit

10.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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