TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/16 99/18/0135

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Veröffentlicht am 16.01.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des HS, (geboren 13. November 1961), vertreten durch Dr. Georg Klein, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Mariengasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Februar 1999, Zl. SD 24/99, betreffend Erlassung einer Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 5. Dezember 1998 hatte die Bundespolizeidirektion Wien (als Erstbehörde) den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der dagegen eingebrachten Berufung hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Februar 1999 keine Folge gegeben und den Erstbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass sich die Ausweisung auf § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG stütze. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 5. März 1996 im Bundesgebiet. Bis zum 31. Juli 1998 sei ihm "auf Grund der Verordnung der Bundesregierung" ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht als bosnischer Kriegsflüchtling erteilt worden. Am 30. Juni 1998 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beim Landeshauptmann von Wien gestellt. Die Zulässigkeit dieser Antragstellung vom Inland gründe sich auf § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes zur Sicherung des weiteren Aufenthaltsrechtes integrierter Vertriebener aus Bosnien und Herzegowina. Demnach sei Fremden, die auf Grund der Verordnungen BGBl. Nr. 299/1996 oder BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt gewesen seien, eine weitere Niederlassungsbewilligung auf Antrag zu erteilen, sofern sie vor dem 1. Jänner 1997 nach Österreich eingereist seien, sich hier ständig aufgehalten hätten und die Voraussetzungen der §§ 5 bis 16 FrG bis auf weiteres gesichert erschienen. Gemäß § 10 Abs. 3 FrG sei jedoch die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig. Da der Beschwerdeführer weder über eigene Unterhaltsmittel noch über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfüge, sei der im § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Sachverhalt ebenfalls verwirklicht. Der Beschwerdeführer wende ein, dass er bereits vor gegenständlicher Antragstellung über eine Verpflichtungserklärung seines Schwagers verfügt hätte. Dazu sei festzuhalten, dass die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 5 FrG vorsehe, dass nur einem Fremden, dem eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" oder "privater Aufenthalt" auf Grund einer Verpflichtungserklärung erteilt worden sei, künftig eine weitere Niederlassungsbewilligung erteilt werden könne, so lange die Verpflichtung der Person mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet weiterbestehe. Zweifelsfrei sei dem Beschwerdeführer jedoch eine solche Aufenthaltsbewilligung bis dato nie erteilt worden. Die besagte Übergangsbestimmung sei daher auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar. Durch das Vorliegen der genannten Versagungsgründe sei der im § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht, weshalb die Ausweisung des Beschwerdeführers - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 35 und 37 FrG - gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er wohne mit seiner Schwester und deren Ehegatten im gemeinsamen Haushalt. Der Bruder des Beschwerdeführers befinde sich ebenfalls im Bundesgebiet. Es sei daher zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers und die sich daraus ergebende Möglichkeit einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft stellten eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer es unterlassen habe, der Behörde die Tragfähigkeit der vorgelegten Verpflichtungserklärung darzutun. Dazu wäre es erforderlich gewesen, nicht nur die Einkommenssondern auch die Vermögens- und Wohnverhältnisse, allfällige Unterhaltspflichten und sonstige finanzielle Verpflichtungen der die Verpflichtungserklärung abgebenden Person bekannt zu geben, untermauert durch hinsichtlich ihrer Richtigkeit nachprüfbare Unterlagen. Zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dem ein besonders hoher Stellenwert zukomme, erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers als dringend geboten und sohin als zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG. Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Die bestehenden familiären Bindungen seien insofern zu relativieren gewesen, als der Beschwerdeführer selbst als auch seine unmittelbaren Familienangehörigen im Bundesgebiet volljährig seien. Diesen insgesamt sohin keinesfalls ausgeprägten familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers sei das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenübergestanden. In Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu dem Schluss gekommen, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers - auch unter Bedachtnahme auf die offensichtliche Integration seiner Schwester - keinesfalls schwerer wögen, als das öffentliche Interesse an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet.

Ein Sachverhalt gemäß § 35 FrG sei nicht gegeben gewesen. Da auch sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde angesichts des zu Grunde liegenden Sachverhalts von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können. Ergänzend werde festgehalten, dass mit dem vorliegenden Bescheid nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe. Ob ihm eine Ausreise in seinen Heimatstaat möglich sei, sei im vorliegenden Verfahren daher nicht zu untersuchen gewesen. Die Abänderung des Spruches sei erforderlich gewesen, weil der Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht besessen habe und vor dessen Ablauf fristgerecht um Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Sinn des § 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 85/1998 angesucht habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer lässt die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass er weder über eigene Unterhaltsmittel noch über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfüge, unbestritten. Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der im § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht gewesen sei, von daher der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegenstehe und gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, BGBl. I Nr. 85/1998, dem Beschwerdeführer eine weitere Niederlassungsbewilligung nicht zu erteilen gewesen sei, und damit die in § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG normierten Voraussetzungen gegeben seien, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Mit seinem Vorbringen, § 10 Abs. 3 FrG sehe vor, "dass die Behörde trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen kann, wenn eine Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, welche die Tragung aller Kosten sichert, vorliegt", ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, normiert doch § 10 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. ausdrücklich, dass "die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig (ist)". Die Rüge, die Behörde habe ihn entgegen dem § 13a AVG im Ermittlungsverfahren nicht dazu angeleitet, die Tragfähigkeit der vorgelegten Verpflichtungserklärung darzutun, geht schon deswegen fehl, weil die belangte Behörde nach dieser Bestimmung nicht verpflichtet war, den Beschwerdeführer dahingehend anzuleiten, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit seinem Standpunkt Rechnung getragen werden könne (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/18/0582, mwH). Mit dem Vorbringen, in seinem Fall seien die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG jedenfalls gegeben, weil er als bosnischer Kriegsflüchtling keine Möglichkeit hätte, nach so langer Zeit wieder in seine Heimat zurück zu kehren, übersieht der Beschwerdeführer, dass diese Bestimmung keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung einräumt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1999, Zl. 98/18/0230).

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid darüber hinaus im Grund des § 37 FrG. Er halte sich bereits seit 5. März 1996 im Bundesgebiet auf und sei hier auf Grund seiner familiären Bindungen völlig integriert. Art. 8 EMRK stelle - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung - nicht darauf ab, wie alt Verwandte seien, sondern ob tatsächlich ein Familienleben geführt werde. Dies sei in seinem Fall jedenfalls gegeben, da sich nicht nur Geschwister, sondern auch sämtliche Verwandte und Bekannte seit längerer Zeit in Österreich aufhielten und daher der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in Österreich sei. Von daher sei bei einer Interessenabwägung davon auszugehen, dass seine persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich jedenfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an seiner Ausreise.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Auf Grund der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers und seiner familiären Bindungen hat die belangte Behörde zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Die Ausweisung ist jedoch - von der belangten Behörde gleichfalls richtig gesehen - auch unter Berücksichtigung der ins Treffen geführten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, beeinträchtigt doch die - wie sich aus § 10 Abs. 3 zweiter Satz FrG ergibt - vom Gesetz nicht erwünschte Niederlassung von Personen, die über keine eigenen Unterhaltsmittel verfügen und sich stattdessen auf eine Verpflichtungserklärung berufen, die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens in einem hohem Maß. Im Übrigen werden die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers dadurch relativiert, dass er seit 5. März 1996 in Österreich nicht (auf Dauer) niedergelassen, sondern (unbestritten) nur zum vorübergehenden Aufenthalt als kriegsvertriebener Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina berechtigt war. Von daher kann auch die Auffassung der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Inland das besagte maßgebliche öffentliche Interesse an der Erlassung der Ausweisung gemäß § 37 Abs. 2 FrG nicht überwögen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Da - wie ausgeführt - dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Jänner 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999180135.X00

Im RIS seit

19.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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