Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Pieler & Pieler & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. S***** AG, *****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen 29.766,96 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2009, GZ 3 R 125/09m-19, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 9. Juni 2009, GZ 28 Cg 213/08d-13, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger wollte ein Vermögen von etwa 270.000 EUR, das bis dahin mit einer jährlichen Rendite von etwa 2 bis 3 % veranlagt war, neu veranlagen. Er wandte sich an die Beklagte, ein konzessioniertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Bei einem ersten Beratungsgespräch mit einem Vorstandsmitglied der Beklagten war eine Veranlagung in Sparbüchern wegen des geringen Ertrags dieser Veranlagungsform von Seiten des Klägers kein Thema. Das Vorstandsmitglied der Beklagten schlug vor, die Veranlagung auf eine breite Basis zu stellen und zu splitten. Ausgehend vom Wunsch des Klägers, möglichst keinen Vermögensverlust zu erleiden, schlug die Beklagte vor, einen Teil des Vermögens langfristig stabil mit geringem Risiko anzulegen und einen Teil mit etwas mehr Risiko. Über das mit diesen Anlageformen verbundene Risiko wurde ebenfalls gesprochen. Der Kläger verstand die Erläuterungen der Beklagten so, dass zwar ein gewisses Risiko bestehe, dass aber bei der stabilen Veranlagung eine möglichst sichere Variante gewählt werde, bei der die Verzinsung so hoch wie bei einem Sparbuch oder auch mehr sei. Ein gewisses Risiko war dem Kläger aufgrund der Erläuterungen der Beklagten zwar bewusst, jedoch erachtete er zumindest die stabile Veranlagung als sehr sicher, weil die Beklagte erläuterte, sie könne Wertpapier so auswählen, dass bei Verlusten einzelner Wertpapiere diese durch Gewinne anderer ausgeglichen werden könnten. Der Kläger wusste, dass das Vermögen durch die Beklagte teilweise in Aktien angelegt werde und mit dem Erwerb von Aktien auch Verluste verbunden sein können.
Bei einem weiteren Gesprächstermin nach zwischenzeitiger Überlegung beauftragte der Kläger die Beklagte mit der Vermögensverwaltung, die einerseits eine flexible Veranlagung von über 150.000 EUR und eine stabile Veranlagung über 100.000 EUR umfasste. Der Kläger beauftragte die Beklagte zur Eröffnung von Wertpapierdepots und eines Verrechnungskontos, die sie verwalten sollte. Die Beklagte sollte das Wertpapierdepot und die Verrechnungskonten diskretionär verwalten, unter Einschluss eines Ankaufs von der Beklagten emittierter oder verwalteter Finanzinstrumente (Vermögensverwaltungsauftrag). Während bezüglich der einen Veranlagung als „Anlageziele“: „Sicherheit, Vorsorgen, langfristig (mehr als acht Jahre)“, als „Verbundene Motive, Risikobereitschaft“: „Substanzerhaltung, mäßige Rendite, hohe Sicherheit“; als „Art der Vermögensverwaltung“: „stabil (sicherheitsbedacht bei angestrebter stetiger Rendite)“ angekreuzt waren, waren hinsichtlich der anderen Anlageform als „Anlageziele“: „Vermögensbildung, mittelfristig (drei bis acht Jahre), E + S“, als „Verbundene Motive, Risikobereitschaft“: „Höhere Ertragserwartung, kalkuliertes Risiko und Streuung“, als „Art der Vermögensverwaltung“: „flexibel (marktbezogen unter Einsatz verschiedener Instrumente)“ angeführt. In den vom Kläger unterfertigten Anträgen war auch - optisch durch Fettdruck hervorgehoben - festgehalten, dass die Haftung der Beklagten für leichte Fahrlässigkeit ausdrücklich ausgeschlossen wird, dass die Beklagte keinerlei Zusagen über Wertentwicklungen von Wertpapieren oder der Vermögensverwaltung abgibt, zumal vergangene Wertentwicklungen keinen Rückschluss auf zukünftige Erträge oder Wertsteigerungen zulassen; dass Beteiligungen an Unternehmen vom Erfolg am Markt, dem Verhalten der Anleger und der Kursentwicklung auf den Wertpapier - und Warenbörsen abhängig sind, und dass ein Totalverlust bei keiner Veranlagung ausgeschlossen ist.
Obwohl im Portfoliovorschlag der Beklagten als Erstinvestition für die flexible Vermögensverwaltung ein Anteil von 15 % eines bestimmten Aktienfonds enthalten war, wählte das Vorstandsmitglied der Beklagten nach Rücksprache mit seinen Mitarbeitern stattdessen eine bestimmte Immobilienaktie aus, weil er darin eine höhere Sicherheit sah. Neben anderen Aktien und Fonds kaufte die Beklagte für den Kläger in der stabilen Vermögensverwaltung 2.103 Aktien dieser Immobiliengesellschaft zum Kurs von 7,14 EUR und in der flexiblen Vermögensverwaltung 3.142 Aktien derselben Immobiliengesellschaft zum Kurs von 7,18 EUR, insgesamt daher um 37.574,98 EUR Aktien dieser Gesellschaft.
In der Folge fiel der Kurs der Immobilienaktie, der Kläger wurde diesbezüglich bei der Beklagten vorstellig. Diese vertröstete den Kläger im Hinblick auf den inneren Wert der Aktie, der viel besser als der Börsenkurs sei, und forderte den Kläger auf, Geduld zu haben. Die Aktie werde sich „schon wieder entsprechend entwickeln“ (Dezember 2005).
Im März 2006 notierte diese Immobilienaktie nur mehr mit einem Kurs von 1 EUR. Das Vorstandsmitglied der Beklagten gab gegenüber dem Kläger zu, mit der Auswahl der Aktie einen Fehler gemacht zu haben, was ihm sehr Leid tue.
Als 2008 die Aktienkurse allgemein sanken, erklärte das Vorstandsmitglied der Beklagten nochmals, der Kläger solle sich keine Sorgen machen, die Kurse würden sich schon wieder erholen. Schließlich entschloss sich der Kläger, seine Wertpapiere - mit Ausnahme der erwähnten Immobilienaktien - zu verkaufen und kündigte im Dezember 2008 die Vermögensverwaltungsverträge mit der Beklagten auf.
Nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte dem Kläger zusicherte, dass die von ihm vorgeschlagene Veranlagung so sicher wie eine Veranlagung in einem Sparbuch sei. Die Beklagte garantierte dem Kläger nicht, dass der eingesetzte Betrag jedenfalls zur Gänze erhalten bleibe. Einen Totalverlust des veranlagten Vermögens stellte sie allerdings als geradezu denkunmöglich hin.
Hätte die Beklagte im Dezember 2005 die Immobilienaktien abgestoßen, hätte der Kläger die Auswahl, welches Wertpapier an deren Stelle in sein Portfolio aufgenommen werden sollte, der Beklagten überlassen, weil er der Beklagten vertraute. Er hätte nicht darauf bestanden, dass die Beklagte die seinerzeit in Aussicht genommenen Fondsanteile in das Portfolio aufnimmt.
Nicht festgestellt werden konnte, dass eine von der Beklagten angekündigte Investition in internationale Wertpapiere und in Anleihen für den Vertragsabschluss maßgebend war.
Der Kläger begehrt 29.766,96 EUR Schadenersatz. Er habe eine sichere Veranlagung angestrebt. Die Beklagte habe durch ihr Schreiben vom 21. Dezember 2005, wonach der innere Wert der Immobilienaktie bei 8 EUR liege, der Kursabfall auf 5,4 EUR auf einen gezielten Übernahmeversuch zurückzuführen sei, dem mittlerweile durch eine Änderung der Satzung ein Riegel vorgeschoben worden sei, sodass sich der Kurs der Aktie stabilisiert habe, und sich für den Titel ein erhebliches Kurspotenzial ergebe, grob fahrlässig eine falsche Anlageberatung gemacht. Bereits zum damaligen Zeitpunkt hätte sich aus vorliegenden Unterlagen ergeben, dass eine derart positive Auskunft über die Immobilienaktiengesellschaft nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Diese habe das Geschäftsjahr 2004 operativ negativ abgeschlossen. Das Jahresergebnis 2004 sei durch Einmaleffekte geschönt gewesen. Die Beklagte habe in den an ihre Kunden übermittelten Informationen anstatt eine fundamentale Eigenanalyse zugrunde zu legen, lediglich Werbematerialien der Immobilienaktiengesellschaft zitiert und diverse Informationen aus Zeitungsartikeln verwendet, obwohl damals in Publikationen bereits vor einer Blase im Immobiliensektor gewarnt worden sei. Aufgrund der falschen Auskunft der Beklagten habe der Kläger den bereits angedachten Wechsel zu den ursprünglich in Aussicht genommenen Fondsanteilscheinen nicht in die Tat umgesetzt und nicht den Verkauf der Immobilienaktien veranlasst. Wäre die Beratung durch die Beklagte richtig aufgrund einer profunden Eigenanalyse erfolgt, hätte der Kläger die Immobilienaktien verkaufen lassen und die Fondsanteile gekauft. Um den damaligen Wert der 5.245 Stück Immobilienaktien von 29.109,75 EUR hätte er damals 216 Fondsanteile im Wert von je 134,95 EUR erhalten. Bei einem Verkauf dieser 216 Anteile am 24. Juli 2008 zum Kurs von 137,81 EUR hätte der Kläger insgesamt 29.766,96 EUR erhalten. Dies sei sein Schaden. Entgegen den Prognosen der Beklagten sei der Kurs der Immobilienaktie weiter gefallen, mittlerweile würden diese Wertpapiere nicht mehr an der Börse gehandelt. Beim Kläger sei daher ein Totalverlust eingetreten. Bei der Auflösung der Portfolios mit Ausnahme der behaltenen Immobilienaktien am 28. Juli 2008 habe der Kläger bei der flexiblen Veranlagung einen Verlust von 21.729,60 EUR und bei der stabilen Veranlagung einen Verlust von 15.466,40 EUR erlitten. Die Immobilienaktien hätten am 28. Juli 2008 nur mehr zu 1,20 EUR notiert. Er habe diese Aktien behalten, um dem Vorwurf des Verkaufs zur Unzeit entgegenzutreten. Er biete der Beklagten eine Übergabe der Papiere gegen Schadensausgleich ausdrücklich an.
Die Beklagte wendete ein, die Geltendmachung von Schäden an einem kleinen Teil der Gesamtveranlagung würde zur Bereicherung des Klägers führen, weil es in einem gestreuten Portfolio klar sei, dass Teile steigen und Teile im Wert fallen würden. Bei der Immobilienaktiengesellschaft handle es sich um eine börsennotierte Gesellschaft, bezüglich der sich die Beklagte Gutachten habe schicken lassen, aus denen sich die Werthaltigkeit ergeben habe. Auch alle österreichischen Versicherungen hätten diese Aktie als Teile des Deckungsstocks gekauft. Diese Immobilienaktie sei auch von namhaften Banken empfohlen worden. Erst später hätten sich Manipulationen des Managements herausgestellt. Eine Immobilienblase habe es bei österreichischen Immobilien nicht gegeben bzw sei diese nicht vorhersehbar gewesen. Bei einer Veranlagung in andere Immobilienaktien wäre ein wesentlich höherer Vermögensverlust entstanden. Auch die ursprünglich als Alternative in Aussicht genommenen Anteilscheine seien ins Bodenlose gefallen. Der Kläger habe keine vom akzeptierten Risikoprofil abweichenden Verluste erlitten. Der Kläger sei ausreichend über die entsprechenden Risken beraten worden. Die Haftung für bloß leicht fahrlässig zugefügte Schäden sei überdies vertraglich ausgeschlossen. Die Immobilienaktie werde nach wie vor gehandelt, von einem Totalverlust könne keine Rede sein. Da sich die Papiere nach wie vor im Vermögen des Klägers befänden, habe sich noch kein endgültiger Schaden realisiert.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das der Beklagten vorgeworfene Unterlassen einer profunden Eigenanalyse der Immobilienaktie könne nicht als grobe Fahrlässigkeit beurteilt werden. Der Kläger gehe bei der Schadensberechnung zu Unrecht davon aus, dass die Beklagte im Dezember 2005 die Immobilienaktie hätte abstoßen und an deren Stelle die ursprünglich vorgesehenen Anteilscheine in das Portfolio hätte aufnehmen müssen. Allein der Umstand, dass diese Anteilscheine im ersten Vorschlag der Beklagten enthalten gewesen seien, berechtige den Kläger nicht, die Entwicklung dieser Wertpapiere zur Schadensberechnung heranzuziehen.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass in der Rechtsprechung bislang ungeklärt sei, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vermögensberater zu einer Eigenanalyse von ihm empfohlener Anlageprodukte, insbesondere den inneren Wert von Aktien inländischer Kapitalgesellschaften betreffend, verpflichtet sei.
Der Kläger habe die Beklagte mit der Verwaltung seiner Vermögenswerte in der Form diskretionärer Vermögensverwaltung im fremden Namen beauftragt. Die Beklagte habe daher als Finanzdienstleisterin in Erfüllung der übernommenen Vertragspflichten mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse des Kunden zu handeln, dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen und umfassend seine Interessen zu wahren. Der Kläger habe der Beklagten - neben einem nach den getroffenen Feststellungen nicht gegebenen Verstoß gegen das Veranlagungsziel des Klägers durch Aufnahme der Immobilienaktie in beide Portfolios - vorgeworfen, die Beklagte habe ihn noch im Dezember 2005 durch Erteilung unrichtiger Auskünfte über den inneren Wert der Immobilienaktie, die Ursache des Kursrückgangs und das Kurspotenzial in grob fahrlässiger Verletzung der Verwalter- und Beraterpflichten vom Verkauf der Aktie und dem Erwerb eines anderen Wertpapiers abgehalten. Zu prüfen sei daher, ob die Beklagte durch ihr Schreiben vom 21. Dezember 2005 grob schuldhaft gegen Verwaltungs- oder Nachberatungspflichten verstoßen habe. Der Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit sei mittlerweile unstrittig als wirksam anerkannt. Spätestens dann, wenn der Kunde aufgrund der objektiven Kursentwicklung von sich aus Bedenken an der Werthaltigkeit der Veranlagung gegenüber dem Vermögensverwalter äußere, sei dieser zu einer Überprüfung der Veranlagungsentscheidung verpflichtet. Es wäre eine auffallende Sorglosigkeit, wenn er sich bei der in der Folge seinem Kunden erteilten Information über den inneren Wert und die voraussichtliche Wertentwicklung der vom Kunden ausdrücklich in Frage gestellten Aktie ausschließlich auf eine ungeprüfte, jedoch als aktuelle eigene fachkundige Einschätzung ausgegebene Übernahme von Werbeinformationen der betroffenen Aktiengesellschaft beschränken würde, ohne sonstige zugängliche Informationen (Quartalsberichte, Geschäftsberichte, Jahresabschlüsse und sonstige Unternehmenskennzahlen und Publikationen in einschlägiger Fachpresse) sachkundig zu berücksichtigen. Die tatsächlichen Grundlagen für eine abschließende Beurteilung der Informationsmöglichkeiten und darauf beruhenden möglichen Einschätzungen erfordere eine Verfahrensergänzung (Einholung eines Sachverständigengutachtens).
Bei pflichtwidriger Anlageberatung könne der Geschädigte verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig und vollständig beraten hätte. Er könne den Vertrauensschaden verlangen. Im vorliegenden Fall werde eine fehlerhafte Anlageberatung im Rahmen einer Vermögensverwaltung behauptet, was jedoch an den Grundsätzen der Schadensberechnung nichts ändere. Angesichts der Behauptung des Klägers, wonach die Wertpapiere mittlerweile nicht mehr an der Börse gehandelt würden, weshalb insoweit ein Totalverlust eingetreten sei, wäre ein auf Geldersatz gerichtetes Begehren möglich. So lange der Anleger die Wertpapiere, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zukünftigen Kursschwankungen unterliegen, halte, sei mangels Bezifferbarkeit des endgültig entstandenen Schadens eine auf Geldleistung gerichtete Schadenersatzklage nicht möglich, sondern der Anleger entweder auf einen Feststellungsanspruch oder einen Anspruch auf Naturalrestitution zu verweisen, ihm stehe Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere ein Anspruch auf Rückzahlung des zu deren Erwerb gezahlten Kaufpreises - abzüglich erhaltener Zinszahlungen - zu. Sollte sich hingegen herausstellen, dass die Immobilienaktie nach wie vor gehandelt werde und insoweit ein endgültiger Vermögensverlust noch nicht eingetreten sei, käme nur ein Feststellungsbegehren oder ein Begehren auf Naturalrestitution in Betracht, wie dies der Kläger in erster Instanz ausdrücklich angeboten habe. Der Kläger behaupte weiters, dass er bei einer pflichtgemäßen Beratung Ende Dezember 2005 seine Immobilienaktien zum damaligen Kurswert verkauft und um den Verkaufserlös Fondsanteilscheine gekauft hätte, die im Juli 2008 eine geringfügige Wertsteigerung erfahren hätten. Damit habe der Kläger seinen Vermögensschaden aus der der Beklagten angelasteten Fehlberatung durch eine Differenzberechnung schlüssig behauptet. Sollte der Kläger aufgrund einer grob schuldhaft falschen Anlageberatung durch die Beklagte von einer Entscheidung, die Immobilienaktien Ende Dezember 2005 zu verkaufen, Abstand genommen haben, wäre die Beklagte - unabhängig von der Wertentwicklung des vom Kläger genannten Aktienfonds - zum Ersatz des damaligen Werts der Aktien von angeblich 29.109,75 EUR - abzüglich allfälliger in der Folge an den Kläger ausgeschütteter Dividenden - verpflichtet, wenn die Immobilienaktie - wie vom Kläger behauptet - mittlerweile nicht mehr an der Börse gehandelt werde und insoweit ein Totalverlust eingetreten sei, oder der Kläger - wie er ausdrücklich angeboten habe - diese Wertpapiere an die Beklagte zurückgebe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Klageabweisung anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Ausgehend von den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen ist der vom Kläger erhobene Schadenersatzanspruch nicht auf allfällige Beratungsfehler anlässlich des Vertragsabschlusses im November 2004, sondern auf die (behauptete) Fehlberatung in Bezug auf eine konkrete Immobilienaktie im Dezember 2005 gegründet. Sämtliche von der Beklagten zur Beratung im Zusammenhang mit der ursprünglichen Auswahlentscheidung für die Gestaltung der klägerischen Wertpapierportfolios angestellten Überlegungen können daher auf sich beruhen. Im Gegensatz zur Argumentation der Rekurswerberin hat das Berufungsgericht auch nicht die ursprüngliche Auswahlentscheidung als schadenstiftend angesehen, sondern ausschließlich eine allfällige Fehlberatung im Dezember 2005 nach Beschwerden des Klägers wegen der schlechten Kursentwicklung der konkreten Immobilienaktie. Es spielt daher im vorliegenden Fall auch keine Rolle, dass der Kläger neben der im Konkurs abgestürzten Immobilienaktie auch noch verschiedene andere Wertpapiere ankaufen und verwalten hat lassen.
Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (stRsp RIS-Justiz RS0042179). Dass der in seiner tatsächlichen Grundlage bislang noch nicht näher geprüfte Vorwurf eines Beratungsfehlers anlässlich der Beschwerde im Dezember 2005 wegen des Kurssturzes der konkreten Immobilienaktie unter bestimmten (noch zu klärenden) Voraussetzungen eine haftungsbegründende grobe Sorglosigkeit bewirken könne, zieht die Beklagte letztlich nicht in Zweifel. Ihre Ausführungen zur mangelnden Erkennbarkeit von Unrichtigkeiten in der Selbstdarstellung der Immobilienaktiengesellschaft oder die prinzipiellen Überlegungen zur Bewertung solcher Gesellschaften betreffen die bislang ungeklärt gebliebenen und im fortzusetzenden Verfahren zu gewinnenden Tatsachenfeststellungen. Aus welchen rechtlichen Erwägungen Beratungsfehler nur deshalb nicht haftungsbegründend sein sollen, weil sie sich nur auf ein bestimmtes Wertpapier innerhalb eines Portfolios bezogen, vermag die Rekurswerberin nicht schlüssig darzulegen. Der Kläger sprach die Beklagte ausdrücklich auf eine bestimmte in seinem Portfolio befindliche Aktie an und ersuchte diesbezüglich um Aufklärung und Beratung. Diese Beratung führte nach den getroffenen Feststellungen dazu, dass er von einem von ihm angedachten Verkauf der Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt Abstand nahm. Es ist daher nur die auf diese Aktie zum damaligen Zeitpunkt bezughabende Beratung der Beklagten zu überprüfen und zu beurteilen. Sollte der Beklagten ein grob schuldhafter Beratungsfehler anzulasten sein, wäre dies haftungsbegründend. Dieser allfällige Beratungsfehler hat nichts mit der ihr nach dem Vertragsverhältnis der Streitteile sonst überlassenen Vermögensverwaltung und den Auswirkungen ihrer sonstigen Veranlagungsentscheidungen zu tun.
Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (stRsp RIS-Justiz RS0030153). Ein Anlageberater haftet nicht für das positive Vertragsinteresse. Der Anleger kann nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte, ihn also richtig aufgeklärt hätte (8 Ob 2295/96z = SZ 70/166; 8 Ob 123/05d = SZ 2006/28; RIS-Justiz RS0108267).
Im vorliegenden Fall steht unbekämpft fest, dass der Kläger im Hinblick auf die Kursentwicklung der Immobilienaktie im Dezember 2005 überlegte, diese zu verkaufen. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass die Auskünfte der Beklagten, welche den Kläger dazu veranlassten, von einem entsprechenden Verkaufsauftrag Abstand zu nehmen, auf auffallender Sorglosigkeit (grobes Verschulden) beruhten, hätte die Beklagte dem Kläger jenen Schaden zu ersetzen, welcher ihm aus der Unterlassung des Verkaufs der Immobilienaktie im Dezember 2005 entstand.
Hiebei ist aber zu berücksichtigen, dass ebenso unbekämpft feststeht, dass der Kläger anstelle der verkauften Immobilienaktie nicht die seinerzeit für den Ankauf vorgesehenen Anteile an einem bestimmen Aktienfonds erworben hätte, sondern die Veranlagung des Verkaufserlöses der Beklagten überlassen hätte. Die klägerische Vermögensentwicklung im Falle pflichtgemäßer Beratung, welche nach der Differenzmethode der tatsächlichen Vermögensentwicklung gegenüberzustellen ist, ist daher eine andere, als jene, die das Berufungsgericht seinem Aufhebungsbeschluss zugrundelegte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Immobilienaktien verkauft und den Verkaufserlös als Bargeld gehalten hätte, sondern der Schadensberechnung ist zugrunde zu legen, dass die Beklagte den Verkaufserlös im Sinn der mit dem Kläger zu Beginn des Vertragsverhältnisses vereinbarten Anlageziele wieder veranlagt hätte. Es ist daher festzustellen, welche Wertpapiere die Beklagte im Fall der Wiederveranlagung in Entsprechung der vereinbarten Anlageziele bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt unter Zugrundelegung der Marktverhältnisse im Dezember 2005 gekauft hätte. Deren Wertentwicklung wäre der Schadensberechnung zugrunde zu legen.
Das Berufungsgericht hat überdies zutreffend festgehalten, dass der Geschädigte erst nach einem Verkauf der Wertpapiere einen Geldersatzanspruch stellen darf, weil sich erst dann der rechnerische Schaden endgültig beziffern lässt (8 Ob 123/05d = SZ 2006/28 ua; RIS-Justiz RS0120784). Es verweist in diesem Zusammenhang auch zutreffend darauf, dass bisher ungeklärt blieb, ob die Immobilienaktien im Sinn des klägerischen Vorbringens bereits endgültig als wertlos zu betrachten sind (nicht mehr verkauft werden können) oder im Sinn des Beklagtenvorbringens nach wie vor handelbar und daher werthaltig sind. Wenn sich die Rekurswerberin auf eine diesbezügliche Negativfeststellung zu berufen versucht, geht sie in ihrem Rechtsmittel nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Zutreffend verweist die Beklagte aber darauf, dass ein Zahlungsbegehren infolge Wertlosigkeit der Immobilienaktie nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die Aktie nicht mehr an der Börse gehandelt würde, sondern nur dann, wenn sie unverkäuflich und damit wertlos wäre. Entgegen der Argumentation der Beklagten hat der Kläger die Rückgabe der Immobilienaktien Zug um Zug gegen Schadenersatzentgelt angeboten (Naturalrestitution iSd § 1323 ABGB, 10 Ob 11/07a).
Dem Rekurs der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E93592European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00028.10M.0311.000Im RIS seit
12.05.2010Zuletzt aktualisiert am
23.02.2012