TE OGH 2010/3/11 12Os123/09v

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Veröffentlicht am 11.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jauk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann H***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. Mai 2009, GZ 35 Hv 89/08z-94, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, sowie der Verteidiger Mag. Geresdorfer und Dr. Riedl zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und

I./ hinsichtlich des Angeklagten Johann H***** in der Sache selbst erkannt:

Johann H***** hat am 21. Jänner 2008 in St. Pölten eine inhaltlich falsche Zessionserklärung über eine angeblich am 17. März 2006 erfolgte Abtretung einer Forderung der B***** GmbH gegen das Land Niederösterreich in Höhe von rund 1,6 Mio EUR an ihn, somit ein falsches Beweismittel durch Vorlage im Verfahren 14 S 132/06m des Landesgerichts St. Pölten gebraucht.

Er hat hiedurch das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer

Freiheitsstrafe von einem Monat

sowie gemäß §§ 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird Johann H***** die erlittene Vorhaft vom 29. Juli 2008, 10:35 Uhr, bis 7. August 2008, 00:00 Uhr, und vom 24. August 2008, 15:00 Uhr, bis 6. Oktober 2008, 13:40 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet;

II./ hinsichtlich des Angeklagten Dieter R***** die Sache dem Erstgericht zur Erledigung zugewiesen.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann H***** und Dieter R***** von der wider sie erhobenen Anklage, es habe

A./ Johann H***** am 21. Jänner 2008 in St. Pölten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, unter Vortäuschung einer am 17. März 2006 erfolgten Zedierung einer Forderung der B***** GmbH an Johann H***** durch Vorlage einer inhaltlich falschen Zedierungserklärung an den Konkursrichter und den Masseverwalter im Verfahren 14 S 132/06m des Landesgerichts St. Pölten sowie an Verfügungsberechtigte des Landes Niederösterreich, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines falschen Beweismittels, die Letztgenannten zur Auszahlung eines Geldbetrags von 1.798.245,26 EUR, also zu einer Handlung zu verleiten versucht, durch die ein 50.000 EUR übersteigender Schaden herbeigeführt werden sollte, und

B./ Dieter R***** zu der zuvor bezeichneten Tat einen (sonstigen) Tatbeitrag geleistet, indem er die genannte Zedierungserklärung als Geschäftsführer der B***** GmbH unterzeichnete,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Freisprüche bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Nach den Feststellungen des Schöffengerichts (US 4 ff) wurde mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 23. August 2006, AZ 14 S 132/06m, über das Vermögen der B***** GmbH der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft in der Folge aufgelöst. „Vertretungsbefugter Gesellschafter“ der GmbH war der Angeklagte Johann H*****. Geschäftsführer dieser Gesellschaft war vom 15. März 2005 bis zur Konkurseröffnung der Zweitangeklagte Dieter R*****. Im Februar 2007 schloss der Masseverwalter mit Beziehung auf eine nach Ansicht des Angeklagten Johann H***** vermeintlich zu Recht bestehende Forderung von rund 1,6 Mio EUR der Gemeinschuldnerin gegen das Land Niederösterreich mit Vertretern des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung einen Vergleich, mit welchem sich das Land Niederösterreich zu einer Abschlagszahlung von 10.000 EUR an die Masse unter Bereinigung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche verpflichtete. Mit einem (in dieser Form in der Konkursordnung nicht vorgesehenen) Beschluss vom 30. Mai 2007 „bewilligte“ das Landesgericht St. Pölten den Vergleichsabschluss.

Mit Eingabe vom 21. Jänner 2008 stellte der Angeklagte Johann H*****, nach dessen Ansicht der Vergleichsabschluss die Gemeinschuldnerin (sowie deren Gläubiger) zu Unrecht benachteilige, beim Konkursgericht den Antrag, den vom Masseverwalter mit dem Land Niederösterreich geschlossenen Vergleich „aufzuheben und als nichtig zu erklären“. Dazu führte er aus, dass die zuvor genannte, nunmehr vom Masseverwalter verglichene Forderung der Gemeinschuldnerin gegen das Land Niederösterreich bereits im Frühjahr 2006, also noch vor Konkurseröffnung, an ihn zur Besicherung eines der Gesellschaft gewährten „Mezzanindarlehens“ zediert worden sei. Zum Beweis dieser behaupteten Tatsache legte Johann H***** eine mit 17. März 2006 datierte und von Dieter R***** unterfertigte Zessionserklärung vor, welche das Vorbringen in der zuvor genannten Eingabe bestätigte. Entgegen dem in dieser Zessionserklärung festgehaltenen Inhalt war tatsächlich keine Abtretung der gegenständlichen Forderung an den Johann H***** erfolgt. Vielmehr wurde diese Urkunde, ohne dass das darin aufgenommene Tatsachensubstrat der Wahrheit entsprechen würde, im Jänner 2008 gemeinsam von Johann H***** (und dem mittlerweile verstorbenen Robert Re*****) erstellt und von Dieter R***** unterfertigt. Johann H***** wusste und wollte, dass die der erwähnten Eingabe an das Konkursgericht beigelegte Zessionserklärung nachträglich erst im Jänner 2008 erstellt wurde, um eine tatsächlich nicht vorliegende Zession vom 17. März 2006 der vorgeblichen Forderung der Gesellschaft gegen das Land Niederösterreich an seine Person zu untermauern. Er hielt es (weiters) ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass der Konkursrichter (sowie der Masseverwalter und die zuständigen Organe des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung) über die Berechtigung des Masseverwalters zum Vergleichsabschluss getäuscht werden würden. Dieter R***** wusste und wollte ebenfalls, dass der in der Zessionserklärung aufgenommene Inhalt nicht den Tatsachen entspricht und Johann H***** durch Vorlage dieser Zession eine Täuschung des Konkursrichters (sowie des Masseverwalters und der zuständigen Organe des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung) herbeiführen werde.

Zutreffend zeigt die Rechtsmittelwerberin die rechtlich fehlerhafte Verneinung der Verwirklichung einer gerichtlich strafbaren Handlung durch das konstatierte Tatverhalten der beiden Angeklagten auf. Denn nach dem oben wiedergegebenen Urteilssachverhalt gebrauchte Johann H***** (vorsätzlich) die eine tatsächlich nicht erfolgte Forderungsabtretung beurkundende Zessionserklärung, somit eine echte Urkunde unwahren Inhalts (sogenannte Lugurkunde), die nach ständiger Rechtsprechung Deliktsobjekt des Vergehens der Beweismittelfälschung nach § 293 StGB ist (vgl RIS-Justiz RS0103663), durch Vorlage an das Landesgericht St. Pölten am 21. Jänner 2008 in dem bei diesem Gericht zu AZ 14 S 132/06m anhängigen Konkursverfahren und damit in einem gerichtlichen Verfahren (vgl Plöchl/Seidl in WK2 § 293 Rz 25). Dieter R***** trug nach den Urteilskonstatierungen zur Ausführung dieser strafbaren Handlung durch Unterfertigung der Zessionserklärung (vorsätzlich) bei. Johann H***** wäre daher auf der Basis dieser Feststellungen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB, Dieter R***** hingegen als Beteiligter zu diesem Vergehen nach § 12 dritter Fall StGB (Plöchl/Seidl in WK2 § 293 Rz 38) schuldig zu erkennen gewesen.

Der von der Staatsanwaltschaft angestrebte Schuldspruch wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB bezieht sich auf den von der Anklage umfassten Lebenssachverhalt, der explizit von einer Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB ausgeht. Insoweit liegt daher keine gegenüber der Anklage andere Tat im materiellen Sinn vor. Dennoch gebietet § 262 StPO und die Sicherung des durch Art 6 Abs 3 lit a und b MRK garantierten Rechts auf effiziente Verteidigung grundsätzlich eine entsprechende Information über eine mögliche andere rechtliche Beurteilung als in der Anklage, um den Angeklagten ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Stellungnahme und allfälligen pozessualen Reaktion darauf einzuräumen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 545; RIS-Justiz RS0113755). Bei derartigen Abweichungen geringerer Relevanz wäre es - im Fall einer vom Erstgericht unter Verstoß gegen § 262 StPO ohne Belehrung vorgenommenen geänderten rechtlichen Beurteilung - allerdings Sache des Angeklagten, in einer auf § 281 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde eine Verletzung seiner aus Art 6 Abs 3 lit a oder b MRK garantierten Verteidigungsrechte vorzubringen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 545; Grabenwarter in Korinek/Holoubek B-VG Art 6 EMRK Rz 187; 14 Os 17/06s, EvBl 2006/103, 548; 14 Os 84/06v, EvBl 2007/39, 205).

Gleiches gilt bei einer erst durch das Rechtsmittelgericht gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO vorzunehmenden geänderten rechtlichen Beurteilung geringerer Relevanz im Zuge eines reformatorischen Erkenntnisses, sofern - wie im vorliegenden Fall - die der Entscheidung zugrunde zu legenden entscheidenden Tatsachen vom Erstgericht mängelfrei angenommen wurden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 415). Bei dieser Ausgangslage hat der freigesprochene Angeklagte in der Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde - allenfalls auch noch in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur - darzulegen, weshalb die von der Beschwerdeführerin angestrebte geänderte rechtliche Beurteilung seine Verteidigungsrechte schmälern könnte.

In dieser Hinsicht beachtliche Einwände bringt lediglich der Angeklagte Dieter R***** in seiner Gegenäußerung zum Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft vor, indem er bei geänderter rechtlicher Beurteilung auf ein dann gebotenes Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO verweist und insoweit eine diversionelle Erledigung des Strafverfahrens anstrebt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war somit Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und hinsichtlich des Angeklagten Johann H***** mit einem Schuldspruch wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB vorzugehen, zumal - der vom freigesprochenen Angeklagten Johann H***** in seiner Gegenäußerung vertretenen Rechtsansicht zuwider - der Umstand einer intendierten Realisierung der vermeintlichen Forderung der B***** GmbH und nachmaligen Gemeinschuldnerin gegen das Land Niederösterreich im Betrag von rund 1,6 Mio EUR einer Verurteilung nicht entgegensteht, weil § 293 StGB auch dann verwirklicht wird, wenn der Täter das Tatobjekt zur Durchsetzung eines vermeintlichen Anspruchs benützt (vgl Plöchl/Seidl in WK2 § 293 Rz 49 mwN). Die in der Gegenäußerung gleichfalls relevierten fehlenden „Erfolgsaussichten“ des auf Beseitigung des geschlossenen Vergleichs gerichteten Tatvorgehens betreffen keine entscheidende Tatsache, weil es aufgrund der rechtsgutbezogenen Struktur des § 293 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht darauf ankommt, dass sich das manipulierte Beweismittel auf die in dem betreffenden Verfahren ergehende Entscheidung auswirkt (vgl Tipold in SbgK § 293 Rz 2; zum vergleichbaren § 288 StGB siehe Plöchl/Seidl in WK2 § 288 Rz 29 mwN).

Bei der hinsichtlich des Angeklagten Johann H***** vorzunehmenden Strafbemessung waren als erschwerend zwei (wegen der einen Hang zur Täuschung zum Ausdruck bringenden gleichen schädlichen Neigung; vgl RIS-Justiz RS0112557, RS0095304, RS0092120) einschlägige Vorverurteilungen nach § 156 StGB und § 33 FinStrG, mildernd hingegen kein Umstand zu werten.

In Anbetracht des von diesem Angeklagten verwirklichten Unrechts und der durch eine realitätsverzerrte Wahrnehmung verringerten Schuld des an einer Persönlichkeitsstörung leidenden Johann H***** war eine Freiheitsstrafe von einem Monat auszumessen.

Eine bedingte Strafnachsicht kam mit Rücksicht auf das insbesondere durch eine mehrjährige Freiheitsstrafe erheblich getrübte Vorleben des Angeklagten aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.

Die von Johann H***** erlittene Vorhaft war gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB anzurechnen.

Hinsichtlich des Angeklagten Dieter R***** war die Sache dem Erstgericht zur Erledigung zuzuweisen, welches mit Rücksicht auf das rückhaltlose Geständnis dieses Angeklagten, seine Unbescholtenheit und die dominierende Stellung des Angeklagten Johann H***** bei der Tatbegehung die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO zu prüfen haben wird.

Die Kostenentscheidung betreffend den Angeklagten Johann H***** stützt sich auf §§ 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93547

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00123.09V.0311.000

Im RIS seit

10.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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