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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §57 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des A C, (geboren 18. Mai 1959), vertreten durch Dr. Robert Mahr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Juni 1998, Zl. SD 279/98, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Juni 1998 wurde gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Sri Lanka gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer sei am 18. November 1995 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 21. März 1996 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 9. Mai 1996 auf Grund der widersprüchlichen und unglaubwürdigen Angaben und der nicht nachgewiesenen Identität des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei. Der dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegende Antrag erschöpfe sich größtenteils in der Wiedergabe von Gesetzestexten sowie der Feststellung, dass der Beschwerdeführer nach einer etwaigen Rückkehr nach Sri Lanka zu gewärtigen hätte, festgenommen oder wie andere Mitglieder der politischen Opposition gefoltert oder getötet zu werden. Auch hätte er keinen anderweitigen Schutz vor Verfolgung in einem anderen Staat gefunden. Näher substanziiert werde dieses Vorbringen nicht. Erst mit Schreiben vom 3. September 1997 habe der Beschwerdeführer die handschriftlich ausgefüllte Kopie eines beglaubigten Haftbefehls seine Person betreffend, sowie eine unbeglaubigte Kopie einer Bestätigung einer Person aus Sri Lanka, die die Bedrohungssituation des Beschwerdeführers bestätigen solle, vorgelegt. Auch in der Berufung gebe der Beschwerdeführer keine anderen als die bisherigen Gründe an, um seine Gefährdungssituation darzulegen. Mit Schreiben vom 4. Mai 1998 sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, hinsichtlich des von ihm vorgelegten angeblichen Haftbefehls anzugeben, wie und wann er in den Besitz desselben gelangt sei und warum er ihn im Asylverfahren nicht vorgelegt habe. Weiters sei er aufgefordert worden, den Haftbefehl im Original vorzulegen sowie eine Bestätigung der Echtheit desselben beizubringen. Dazu habe der Beschwerdeführer wie folgt Stellung genommen: "Ich habe den Haftbefehl deshalb in meinem Asylverfahren nicht vorgelegt, weil ich ihn auf meiner Flucht verloren hatte. Ich habe ihn erst letztes Jahr zufällig wieder gefunden, als ich eine Kirche besuchte, in der ich nach meiner Ankunft in Wien manchmal genächtigt habe. Ein Priester hatte meine Papiere aufgehoben. Ich bin leider nur im Besitz einer Kopie des Haftbefehls. Freunde haben mir geholfen, die Kopie zu bekommen. Das Original ist im Besitz der Polizei und wird von dieser nicht ausgehändigt. Es sollte der Behörde doch möglich sein, festzustellen, dass die Kopie echt bzw. glaubwürdig ist. Eventuell müsste sie dazu jemanden kontaktieren, der sich mit srilankischen Dokumenten auskennt. Ich kann hier nur noch einmal versichern, dass der Haftbefehl echt ist." Anlässlich dieser Darstellungen, die mit der Lebenserfahrung keinesfalls in Einklang zu bringen seien, sei die belangte Behörde zu dem Schluss gekommen, dass diesen Angaben jegliche Glaubwürdigkeit fehle und diese vorgelegten angeblichen Beweismittel daher nicht geeignet seien, eine nunmehrige Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinn der genannten Bestimmung begründen zu können. Sofern der Beschwerdeführer überhaupt Angaben zu einer Gefährdung gemäß § 57 Abs. 1 FrG mache, mangle es diesen Angaben jeglicher Glaubwürdigkeit, weiters entsprächen sie auch nicht dem vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Konkretisierungsgebot. Da die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren über seine Angaben im Asylverfahren nicht hinausreichen würden, entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf den den Asylantrag des Fremden abweisenden rechtskräftigen Bescheides Bedacht zu nehmen. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis zu veranlassen, als es von der Asylbehörde festgestellt worden sei, sodass auch eine Gefährdung gemäß § 57 Abs. 2 FrG nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso sei festzuhalten, dass bereits im Asylverfahren festgestellt worden sei, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht nachgewiesen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze jedoch ein Glaubhaftmachen einer den Beschwerdeführer betreffenden aktuellen Gefährdung/Bedrohung im Sinn des § 57 FrG das Feststellen der Identität des Beschwerdeführers voraus. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die allgemeine politische Lage in seinem Heimatland reiche ebenfalls nicht aus, um eine ihn individuell betreffende aktuelle Verfolgungssituation darzutun, lasse doch dieses Vorbringen mangels die Person des Beschwerdeführers betreffender, einschlägiger Fakten keinen Rückschluss auf die Annahme zu, er hätte im Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat dort mit der Gefahr unmenschlicher Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe und/oder der Bedrohung seines Lebens oder seiner Freiheit zu rechnen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwH.)
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe bereits im Rahmen des Asylverfahrens vorgebracht, dass er in seinem Heimatland als Mitglied einer oppositionellen politischen Partei staatlich verfolgt werde und seine Eltern kurz vor seiner Flucht nach Österreich von Polizisten erschossen worden seien. Darauf habe der Beschwerdeführer auch seinen Antrag gemäß § 75 FrG gestützt. Im Zuge des Verwaltungsverfahrens sei dieses Vorbringen durch Vorlage eines fotokopierten Haftbefehls und einer eidesstattlichen Erklärung über die konkrete Verfolgungssituation aus politischen Motiven untermauert worden. Entgegen der Behörde habe daher der Beschwerdeführer eine konkrete und aktuelle Bedrohungssituation dargelegt, welche durch entsprechende, auf seine Person bezogene Bescheinigungsmittel belegt worden sei. Mit ihrer Auffassung, die genannten Bescheinigungsmittel seien unglaubwürdig, übersehe die Behörde, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Tatsachen und vorgelegten Bescheinigungsmittel durch kein einziges Ergebnis des Ermittlungsverfahrens widerlegt worden seien. Die belangte Behörde habe nicht einmal behauptet, dass konkrete Gründe die Annahme rechtfertigen würden, dass der vorgelegte Haftbefehl unecht sei, und übergehe die besagte eidesstattliche Erklärung "mit völligem Stillschweigen". Weiters treffe die belangte Behörde keinerlei Feststellung darüber, dass die dargelegte Bedrohungssituation schon deshalb auszuschließen sei, weil Anhänger der Oppositionspartei in Sri Lanka keiner Verfolgung ausgesetzt seien und das Heimatland des Beschwerdeführers von rechtstaatlichen Grundsätzen geprägt sei. Auf Grundlage dieser Verfahrenergebnisse hätte die belangte Behörde daher rechtlich nur folgern können, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat gemäß § 57 FrG bedroht sei. Da massenhafte und grobe Menschenrechtsverletzungen im genannten Staat ausreichend dokumentiert seien, verstoße die Abschiebung des Beschwerdeführers gegen Art. 2, 3 und 5 MRK sowie Art. 3 der UNO-Folterkonvention. Weiters vertrete die belangte Behörde offensichtlich den Standpunkt, dass ein Flüchtling einen absolut unwiderleglichen Beweis der Bedrohungssituation zu erbringen habe, und verkenne damit, dass hiefür eine bloße Glaubhaftmachung genüge.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt als nicht glaubwürdig eingestuft. Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Der Beschwerdeführer würde nämlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei der Darlegung der von ihm behaupteten Bedrohungssituation in seinem Heimatstaat wohl von sich aus im Wesentlichen gleich bleibende Angaben über die für seine Flucht ursächlichen Ereignisse gemacht haben und hätte daher schon bei seiner niederschriftlichen Vernehmung im Asylverfahren am 29. und 30. April 1996 (Blatt 64 ff der vorgelegten Verwaltungsakten) und bei der Stellung seines Antrages nach § 75 FrG mit Schreiben vom 7. August 1997 (Blatt 21 f der vorgelegten Verwaltungsakten) auf den gegen ihn behauptetermaßen bestehenden Haftbefehl - auf den er nunmehr maßgeblich sein Vorbringen betreffend eine für ihn bestehende aktuelle Bedrohungssituation stützt - hingewiesen. Von daher ist für den Beschwerdeführer auch mit seiner - zutreffenden -
Ansicht, dass eine solche Bedrohungssituation nach § 75 FrG lediglich glaubhaft zu machen sei, nichts gewonnen. Abgesehen davon begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, eine konkrete, seine Person betreffende aktuelle Gefährdung/Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1/Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, auch deswegen keinen Bedenken, weil ein solches Glaubhaftmachen - im angefochtenen Bescheid zutreffend festgehalten - nach der hg. Rechtsprechung das Feststehen der Identität des Fremden voraussetzt (vgl. das zu § 54 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0198, mwH), was auf den Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde - in der Beschwerde unwidersprochen - nicht zutrifft.
2.3. Auf dem Boden des Gesagten sind auch die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, den bekämpften Bescheid nicht ausreichend begründet, und dem Beschwerdeführer auch nicht mitgeteilt, dass sie die oben I.1. genannte eidesstattliche Erklärung für nicht glaubwürdig erachte, nicht zielführend.
3. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180305.X00Im RIS seit
27.04.2001