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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des C P in Innsbruck, geboren am 3. Oktober 1971, vertreten durch MMag. Dr. Peter Pescoller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstrasse 3/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 16. November 2000, Zl. III 4033-137/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 16. November 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37, 38, 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck mit Urteil vom 3. August 2000 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz (SMG) mit einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten, davon 20 Monate auf drei Jahre bedingt, belegt worden. Laut Urteil hätten er und eine (namentlich genannte) andere Person "um den 25.6.1998 in Istanbul, Dimitrovgrad und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (Abs. 6), nämlich 489,36 Gramm Heroin," von der Türkei aus über Bulgarien und Jugoslawien zum Zweck des Weitertransportes nach Österreich eingeführt.
Das Fehlverhalten zeige deutlich, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu beachten, woraus sich ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) sowie für die Gesundheit anderer (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) darstelle.
Das Aufenthaltsverbot stelle einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dar, der das Aufenthaltsverbot jedoch nicht unzulässig mache. Die sich im Fehlverhalten des Beschwerdeführers manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der Gesundheit anderer dringend geboten.
Angesichts des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von 1978 bis 1983 mit Volksschulbesuch, seines durchgehenden legalen Aufenthaltes seit 1992, seiner Berufstätigkeit und seiner privaten und familiären Bindungen - der Beschwerdeführer habe seit mehreren Jahren eine Freundin, die ein Kind von ihm erwarte und die er in Bälde zu ehelichen beabsichtige - wögen seine privaten und familiären Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet schwer, wobei diese in ihrem Gewicht allerdings dadurch verringert würden, dass die soziale Komponente seiner Integration durch sein Fehlverhalten schwer beeinträchtigt werde. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers wögen jedoch im Hinblick auf seine Neigungen zu schweren (Suchtgift-) Straftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund komme nicht zum Tragen.
Die Zeit seines Wohlverhaltens seit Verbüßung der zehnmonatigen Haftstrafe, die wegen desselben Delikts in Jugoslawien über ihn verhängt worden sei, sei viel zu kurz und das Risiko seiner Belassung im Bundesgebiet auf Kosten der Rechte anderer viel zu groß. Dass dem Beschwerdeführer, wie er vorbringe, in der Türkei wegen dieses Delikts eine unverhältnismäßig hohe Haftstrafe ohne faires Verfahren sowie Folter im Gefängnis drohten, sei nicht Gegenstand des Aufenthaltsverbotsverfahrens.
Auf die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers und die Einholung des Strafaktes werde "wegen Unnotwendigkeit" verzichtet.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der festgestellten - unbestrittenen - strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers bestehen gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keine Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er stelle keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und die Gesundheit anderer dar, weil sich die beiden Verurteilungen wegen derselben Tat in Österreich und in Jugoslawien sowie die Verbüßung einer mehrmonatigen Haftstrafe positiv auf ihn ausgewirkt hätten, sodass er keine weiteren Straftaten mehr begehen werde. Das Landesgericht Innsbruck habe ihm überdies einen Großteil der Strafe bedingt nachgesehen.
2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Gemäß § 28 Abs. 6 SMG hat der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz und mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates für die einzelnen Suchtgifte die Untergrenze einer großen Menge, bezogen auf die Reinsubstanz des Wirkstoffes, mit Verordnung festzusetzen (Grenzmenge). Dabei ist insbesondere auf die Eignung der Suchtgifte, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, sowie auf das Gewöhnungsverhalten von Suchtkranken Bedacht zu nehmen. Diese "Grenzmenge" wurde in der Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die Untergrenzen einer großen Menge (Grenzmenge) bezüglich der Suchtgifte, BGBl. II Nr. 377/1997, für Heroin mit 5 Gramm festgesetzt. Der Beschwerdeführer hat das Suchtgiftdelikt in Bezug auf eine Menge von fast 500 Gramm Heroin begangen. Schon von daher zeigt sich die überaus große Gefährdung von öffentlichen Interessen durch das Verhalten des Beschwerdeführers.
Zudem ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Suchtgiftkriminalität die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 1999, Zl. 99/18/0367). In Hinblick darauf und auf die Tatsache, dass seit der der Verurteilung zu Grunde liegenden Tathandlung nicht einmal zweieinhalb Jahre vergangen sind, von denen der Beschwerdeführer überdies zehn Monate in Strafhaft verbracht hat, bestehen gegen die Beurteilung der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keine Bedenken.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das Gericht habe einen Großteil der Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen, ist zu entgegnen, dass die Frage, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Fremden erforderlich ist, von der Fremdenpolizeibehörde eigenständig nach fremdenrechtlichen Gesichtspunkten und unabhängig von den die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes zu beantworten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 98/18/0255).
3.1. Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zulässig. Er sei bereits im Alter von sieben Jahren nach Österreich gekommen, habe hier die Volksschule besucht und seit 1992 durchgehend seinen Wohnsitz in Österreich. Seit mehreren Jahren habe er eine Lebensgefährtin, die ein Kind von ihm erwarte und die er zu ehelichen gedenke. Die Auswirkungen der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen ungleich schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung, zumal der Beschwerdeführer seinen Beruf nicht mehr ausüben könnte und seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind nicht selbsterhaltungsfähig seien, wodurch sie der öffentlichen Hand zur Last fielen. Überdies habe der Beschwerdeführer wegen der besagten Tat mit einem weiteren Strafverfahren in der Türkei und einer unverhältnismäßig hohen Strafe zu rechnen, wobei er kein faires Verfahren zu erwarten und Folterungen im Gefängnis zu befürchten habe.
3.2. Die belangte Behörde hat die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, die in der Beschwerde vorgebrachten intensiven privaten Bindungen, seine Berufstätigkeit und die daraus resultierende starke Integration berücksichtigt. Zu Recht hat sie darauf hingewiesen, dass die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0293). Im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer begangene schwer wiegende Suchtgiftdelikt begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken, zumal auf Grund der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftkriminalität selbst eine ansonsten volle Integration des Beschwerdeführers dem Aufenthaltsverbot nicht entgegenstünde (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 99/18/0293).
Zum Einwand des Beschwerdeführers, seine Lebensgefährtin und sein Kind seien nicht selbsterhaltungsfähig und würden der öffentlichen Hand zur Last fallen, ist auszuführen, dass (in Bezug auf die Lebensgefährtin freiwillige) Unterhaltszahlungen - allenfalls in vermindertem Umfang - auch vom Ausland aus erbracht werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, Zl. 98/18/0347).
Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer menschenrechtswidrige Verfahrens- und Haftbedingungen in der Türkei zu erwarten habe, ist entgegenzuhalten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. abermals das hg. Erkenntnis, Zl. 99/18/0293).
4. Soweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend macht, die belangte Behörde habe seine Einvernahme und die Einholung des gerichtlichen Strafaktes unterlassen, bringt er lediglich vor, bei Durchführung dieser Beweise wäre hervorgekommen, dass er abgesehen von der Straftat ein "tadelloses Leben" führe und das von ihm begangene Delikt im Widerspruch dazu stehe. Damit tut er die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht dar, hat doch die belangte Behörde ihrer Entscheidung außer der festgestellten Straftat kein weiteres Fehlverhalten zu Grunde gelegt.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Jänner 2001
Dr. Zeizinger
Mag. Paal
Für die Richtigkeit
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000180236.X00Im RIS seit
27.04.2001