TE OGH 2010/3/19 6Ob138/09a

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Veröffentlicht am 19.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. V***** F*****, 2. I***** F*****, beide *****, vertreten durch Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, gegen die beklagte Partei G***** S*****, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwaltspartnerschaft in St. Pölten, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert je 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 24. Februar 2009, GZ 21 R 34/09x-23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs vom 9. Dezember 2008, GZ 1 C 342/07k-17 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 818,66 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 20 % USt 136,44 EUR) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften in Hanglage, zwischen denen ein in der Natur als teilweise befestigter Weg ausgebildeter, seit dem Jahr 2006 im Miteigentum der Kläger stehender Grundstücksstreifen verläuft. Unstrittig ist, dass dem Beklagten als Eigentümer seiner Liegenschaft aufgrund eines im Jahr 1935 mit seinen Rechtsvorgängern geschlossenen Servitutsvertrags das Recht des Gehens und Fahrens auf diesem Weg („Heckenweg“) von seiner westlichen, tiefer gelegenen Einmündung in die öffentliche Verkehrsfläche bis zur Garageneinfahrt des Beklagten zusteht. Gegenstand des Rechtsstreits ist das vom Beklagten beanspruchte Recht auf Benützung des Heckenwegs auch in seinem weiteren, nach Osten bergauf führenden und schließlich in einen weiteren öffentlichen Weg („Hohlweg“) einmündenden Verlauf.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass keine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den auf ihrem Grundstück liegenden östlichen Teil des „Heckenwegs” zu Gunsten des Eigentümers des Nachbargrundstücks bestehe, sowie die Unterlassung jeglicher Inanspruchnahme dieses Wegstücks durch den Beklagten.

Der Beklagte wandte - soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz - ein, die von den Klägern behauptete Beschränkung des Wegerechts auf den westlichen Teil des Heckenwegs widerspreche dem Servitutsbestellungsvertrag. Darüber hinaus diene der gesamte Heckenweg auch seit jeher einem Gemeingebrauch, auf den sich der Beklagte berufen könne. Die zuständige Stadtgemeinde habe nie wirksam auf dieses öffentliche Wegerecht verzichtet. Dieses Recht sei auch nicht, wie von den Klägern behauptet, wegen Zwecklosigkeit erloschen, zumal die Benützung des nahen öffentlichen „Hohlwegs“ für den Beklagten einen Umweg von mehreren hundert Metern bedeute, wenn er sein auf dem Berghang gelegenes Brunnenhaus aufsuchen müsse.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Nach dem Wortlaut des Servitutsbestellungsvertrags und der Lage der Grundstücke habe der Zweck der ursprünglichen Rechtseinräumung nur darin bestanden, die Parzelle des Beklagten - damals noch ein „Inselgrundstück“ im Weideland - an die im Westen bestehende öffentliche Straße anzubinden. Ein vertragliches Recht auf Benützung auch des in östlicher Richtung weiterführenden Wegabschnitts lasse sich aus dieser Vereinbarung nicht herleiten. Den seine Liegenschaft mit Wasser versorgenden Brunnen könne der Beklagte sogar auf dem kürzesten Weg über sein eigenes Grundstück erreichen. Eine Ersitzung des strittigen Wegerechts durch den Beklagten scheitere daran, dass weder er selbst, noch seine Rechtsvorgänger den oberen Heckenweg mehr als dreißig Jahre lang mit Ersitzungswillen benutzt hätten. Aus dem Sachverhalt sei auch nicht abzuleiten, dass der strittige Wegteil als öffentlicher Weg einem Gemeingebrauch diene, zumal die Stadtgemeinde in einer vom Gericht eingeholten Stellungnahme selbst einen solchen Anspruch verneint habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Abweichend von den Rechtsausführungen des Erstgerichts ging es vom Entstehen einer öffentlichen Dienstbarkeit (offenbar gemeint: nur des Gehens) über den strittigen Wegteil aus, weil die Kläger das entsprechende Vorbringen des Beklagten schlüssig zugestanden hätten (§ 267 ZPO). Allerdings komme dem Argument der Kläger, dieses öffentliche Wegerecht sei durch die „Verlegung” auf den annähernd parallel verlaufenden Hohlweg zwecklos geworden und wieder erloschen, Berechtigung zu. Die berechtigte Allgemeinheit sei wegen des in unmittelbarer Nähe befindlichen öffentlichen Wegs nicht mehr auf die Benützung des Servitutswegs angewiesen, um auf den Berg zu gelangen. Auf die individuellen Interessen nur des Beklagten komme es bei dieser Beurteilung nicht an.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige (§ 500 Abs 2 ZPO idF vor dem BudgetbegleitG 2009) und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Erlöschen einer öffentlichen Wegservitut wegen Zwecklosigkeit (hier: Existenz eines alternativen Wegs im öffentlichen Gut) eines Gemeinderats- oder Stadtsenatsbeschlusses bedürfe, wobei die §§ 32 und 38 NÖ STROG maßgeblich seien.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern beantwortete Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.

Der zitierten Begründung des Berufungsgerichts, das im vorliegenden Fall von einer vollendeten Ersitzung durch die Stadtgemeinde ausgeht, ist insofern entgegenzutreten, als Gegenstand einer Außerstreitstellung nach § 267 ZPO nur Tatsachenbehauptungen sein können, aber nicht Rechtsausführungen oder das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen (Rechberger in Fasching/Konecny² III, § 267 ZPO Rz 3).

Hat ein Liegenschaftseigentümer nur jedermann die Benutzung seines Grundstücks gestattet, ohne dass eine Vorschrift damit öffentlich-rechtliche Wirkungen verknüpft, liegt noch keine wirksame Eigentumsbeschränkung und keine echte Widmung zum Gemeingebrauch vor (Spielbüchler in Rummel³, § 287 ABGB Rz 4). Zwar kann auch eine Gemeinde an einem privaten Grundstück ein Wegerecht als unregelmäßige Dienstbarkeit gemäß § 479 ABGB erwerben (ersitzen), dies erfordert aber - nicht anders als die Ersitzung durch Privatpersonen - jedenfalls einen entsprechenden Besitzwillen. Zwar genügt es für dessen Vermutung nach der Rechtsprechung bereits, wenn Gemeindeangehörige und/oder Touristen den Weg so benützen, als handelte es sich um einen öffentlichen Weg (RIS-Justiz RS0010120; RS0011698; 10 Ob 77/04b; 9 Ob 122/06s; kritisch Apathy, Ausgewählte Fragen des Ersitzungsrechts, JBl 1999, 205 ff), diese Vermutung ist aber zumindest widerleglich, muss es doch der Gemeinde - schon wegen der den Servitutsberechtigten nach § 483 ABGB treffenden Erhaltungspflichten - auch möglich sein, eine Besitzausübung und Ersitzung nicht zu wollen (Apathy aaO).

Für das vorliegende Verfahren kann aber letztlich offen bleiben, ob die Sachverhaltsgrundlage ausreichen würde, um die rechtliche Annahme eines öffentlichen Wegerechts zu begründen. Eine Dienstbarkeit besteht nämlich grundsätzlich nur so lange, als sie für den Berechtigten nützlich oder doch bequem ist, und erlischt, wenn sie zwecklos wird (RIS-Justiz RS0011582). Bei einer Wegeservitut ist der Zweck weggefallen, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangsmöglichkeit einen vollwertigen Ersatz für diesen bietet (RIS-Justiz RS0011589, RS0011582; 6 Ob 83/98v; 4 Ob 78/00z). Ob im vorliegenden Fall der „Hohlweg” für die (allenfalls) als Berechtigte in Frage kommende Öffentlichkeit einen gleichwertigen Ersatz für den streitgegenständlichen Weg darstellt, ist aber lediglich einzelfallbezogen und begründet keine die Revision eröffnende erhebliche Rechtsfrage.

Das Erlöschen einer Servitut wegen Zwecklosigkeit beendet das Recht ex lege. Es bedarf, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, nur des Eintritts der tatsächlichen Voraussetzungen, aber nicht einer zusätzlichen Einwilligung des Berechtigten. Die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts aufgeworfene Rechtsfrage, ob für den (rechtsgeschäftlichen) Verzicht der Stadtgemeinde auf eine öffentliche Dienstbarkeit ein Gemeinderats- oder Stadtsenatsbeschluss erforderlich ist, stellt sich damit im vorliegenden Verfahren überhaupt nicht.

Auch die - in der Revision neuerlich bekämpfte - Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags aus dem Jahr 1935 betrifft eine nicht revisible Frage des Einzelfalls. In ihrer sorgfältig begründeten Beantwortung durch die Vorinstanzen ist keine im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung zu erkennen.

Die Revision des Beklagten war daher gemäß § 508 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Kläger haben in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E93671

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00138.09A.0319.000

Im RIS seit

21.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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