TE OGH 2010/3/23 10ObS19/10g

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Veröffentlicht am 23.03.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Irene Kienzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Aigul A*****, vertreten durch Mag. Helmut Kunz, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 2009, GZ 12 Rs 137/09t-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Februar 2009, GZ 10 Cgs 363/08t-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung des Begehrens der Klägerin für die Monate April 2006 sowie November und Dezember 2007 als unbekämpft unberührt bleiben, werden im übrigen Umfang aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin ist kirgisische Staatsangehörige. Sie stellte in Österreich einen Asylantrag und besitzt eine bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens gültige vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG 1997 vom 31. 7. 2003. Das Asylverfahren der Klägerin ist noch nicht beendet; es ist derzeit eine Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 2. 3. 2007 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Nach der Geburt ihrer Tochter Jasmin am 15. 6. 2005 bezog die Klägerin in der Zeit vom 15. 6. 2005 bis einschließlich 31. 12. 2005 von der beklagten Partei Kinderbetreuungsgeld sowie den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld. Familienbeihilfe bezog die Klägerin für dieses Kind von Juni 2005 bis einschließlich März 2006 sowie von Mai 2006 bis einschließlich Oktober 2007.

Mit Bescheid vom 29. 10. 2008 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 1. 1. 2006 bis 14. 12. 2007 ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem erkennbaren Begehren auf Weitergewährung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für ihre Tochter Jasmin für den Zeitraum vom 1. 1. 2006 bis 14. 12. 2007. Sie machte im Wesentlichen geltend, für sie gelte noch die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005, da sie ihren Asylantrag bereits vor dem 31. 12. 2005 gestellt habe. Sie erfülle die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Kinderbetreuungsgeldes ab 1. 1. 2006, da sie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung als Asylwerberin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens verfüge und von Juni 2005 bis März 2006 sowie von April (gemeint wohl: Mai) 2006 bis Oktober 2007 Familienbeihilfe für ihre Tochter bezogen habe. Es stehe ihr daher für diesen Zeitraum auch Kinderbetreuungsgeld sowie der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, nach der am 1. 1. 2006 in Kraft getretenen Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 5 KBGG idF des Fremdenrechtspakets 2005 (BGBl I 2005/100) habe ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind, sofern der Elternteil und das Kind sich nach den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten, es sei denn, es handle sich um österreichische Staatsbürger oder Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 gewährt worden sei. Da die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet nach den §§ 8 und 9 NAG nicht erfüllt seien, bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld sowie Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin Kinderbetreuungsgeld und den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 1. 1. 2006 bis 31. 3. 2006 und vom 1. 5. 2006 bis 31. 10. 2007 zu gewähren. Das Mehrbegehren der Klägerin für die Monate April 2006 sowie November und Dezember 2007 wies es unbekämpft ab. Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass im vorliegenden Fall § 2 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2004/34 (Fassung vor dem Fremdenrechtspaket 2005) anzuwenden sei. § 3 FLAG und § 2 KBGG seien mit dem Fremdenrechtspaket 2005 geändert worden und verlangten für den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes ab 1. 1. 2006 jeweils einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nach den §§ 8, 9 NAG oder eine Asylgewährung nach dem AsylG 2005. Zu § 3 FLAG habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass diese Bestimmung in der Fassung des Fremdenrechtspakets 2005 für am 1. 1. 2006 bereits anhängige Asylverfahren noch nicht anzuwenden sei. Da das Kinderbetreuungsgeld eine idente Regelung enthalte, sei es für am 31. 12. 2005 bereits anhängige Asylverfahren ebenfalls noch in der alten Fassung anzuwenden. Der gegenständliche Fall unterscheide sich von dem vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 53/08d beurteilten Sachverhalt insofern, als das Kind damals erst nach Inkrafttreten der Neuregelung durch das Fremdenrechtspaket 2005 geboren, während die Tochter der nunmehrigen Klägerin bereits vor Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 geboren worden sei. Die Klägerin habe daher für den Zeitraum, für den sie Familienbeihilfe bezogen habe, auch Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld sowie auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es gelangte in seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 2 Abs 1 KBGG in der ab 1. 1. 2006 geltenden Fassung des Fremdenrechtspakets 2005 (BGBl I 2005/100) anzuwenden sei. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach § 2 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2005/100 erfülle die Klägerin nicht, weil sie derzeit (bei Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz) nur den Status einer Asylwerberin, nicht aber den Status einer Asylberechtigten nach dem AsylG habe und sie sich auch nicht nach den §§ 8, 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der erheblichen Rechtsfrage der anzuwendenden Gesetzeslage nur die Entscheidung 10 ObS 53/08d des Obersten Gerichtshofs vorliege, welche allerdings ein nach Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 geborenes Kind einer subsidär Schutzberechtigten nach § 8 AsylG betreffe, während das Kind der Klägerin im vorliegenden Fall vor dem 1. 1. 2006 geboren worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt weiterhin zusammengefasst den Standpunkt, dass auf ihren Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld sowie Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld auch für Zeiträume ab dem 1. 1. 2006 weiterhin die Bestimmung des § 2 Abs 1 KBGG idF vor der Änderung durch das Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl I 2005/100) anzuwenden sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der Übergangsbestimmung des § 49 Abs 9 KBGG, wonach unter anderem § 2 Abs 1 Z 2 bis 5 KBGG idF des BGBl I 2005/100 mit 1. 1. 2006 „nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des NAG (BGBl I 2005/100) sowie des AsylG (BGBl I 2005/100)“ in Kraft trete.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Gesetzeslage wurde bereits in der Entscheidung 10 ObS 53/08d (= SSV-NF 22/44) wie folgt dargestellt:

§ 2 Abs 1 KBGG idF vor dem sogenannten „Fremdenrechtspaket 2005“ (BGBl I 2005/100) lautete:

„(1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat ein Elternteil (...) für sein Kind (...), sofern

1. für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, besteht oder für dieses Kind nur deswegen nicht besteht, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung besteht,

2. der Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt und

3. der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) des Elternteiles im Kalenderjahr den Grenzbetrag von 14.600 EUR nicht übersteigt.“

§ 3 Abs 1 und 2 FLAG 1967 idF vor dem Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl I 2005/100) hatte folgenden Wortlaut:

„(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als 3 Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.“

Durch das Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl I 2005/100) erhielt § 2 Abs 1 KBGG folgende Fassung:

„(1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat ein Elternteil (...) für sein Kind (...), sofern

1. für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, besteht, oder für dieses Kind nur deswegen nicht besteht, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung besteht,

2. der Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt,

3. der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) des Elternteiles im Kalenderjahr den Grenzbetrag von 14.600 EUR nicht übersteigt,

4. der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und

5. der Elternteil und das Kind sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten, es sei denn, es handelt sich um österreichische Staatsbürger oder Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde.“

Nach § 49 Abs 9 KBGG idF BGBl I 2005/100 tritt unter anderem § 2 Abs 1 Z 2 bis 5 idF dieses Bundesgesetzes mit 1. 1. 2006, nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl I 2005/100, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I 2005/100, in Kraft.

§ 3 FLAG 1967 idF des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl I 2005/100, lautet wie folgt:

„(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend vom Abs 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) BGBl. I Nr. 100 gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.“

Nach § 55 FLAG 1967 idF BGBl I 2005/100 tritt unter anderem § 3 idF dieses Bundesgesetzes mit 1. 1. 2006, nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl I 2005/100, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I 2005/100, in Kraft.

§ 75 AsylG 2005 idF BGBl I 2005/100 der die Übergangsbestimmungen für das Inkrafttreten des AsylG 2005 enthält, lautete auszugsweise wie folgt:

„(1) Alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. ... § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. 12. 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

...

(3) Karten nach dem AsylG 1997 behalten ihre Gültigkeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt.

...

(5) Einem Fremden, dem am 31. Dezember 2005 die Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist, gilt, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.

(6) Einem Fremden, dem am 31. Dezember 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen ist, gilt der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt.“

Nach den Gesetzesmaterialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl EB zur RV 952 BlgNR 22. GP 15 und 155) erscheint es im Zuge der Neukodifizierung des Fremdenrechts, insbesondere des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts, in Österreich angezeigt, im Zuge einer Vereinheitlichung und Harmonisierung der Rechtsvorschriften auch den Anspruch auf die Familienbeihilfe von Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, nunmehr an die rechtmäßige Niederlassung in Österreich zu knüpfen, da dadurch einerseits ein entsprechender Bezug zu Österreich gesichert ist und gleichzeitig die soziale Treffsicherheit erhöht wird. Durch die Neukodifizierung des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts von Fremden in Österreich und die im Zuge dessen vorzunehmenden Adaptierungen im Bereich der Familienbeihilfe ist es notwendig, im Sinne einer Vereinheitlichung und Harmonisierung der Rechtsvorschriften und Erhöhung der sozialen Treffsicherheit auch den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld an die rechtmäßige Niederlassung im Bundesgebiet zu knüpfen. Diese Änderungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sowie des Kinderbetreuungsgeldgesetzes sollen gleichzeitig mit dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mit 1. 1. 2006 unter Berücksichtigung von dessen Übergangsregelungen sowie des Asylgesetzes in Kraft treten.

Auch die nachfolgenden Novellierungen des § 75 AsylG 2005 (vgl BGBl I 2008/4 und BGBl I 2009/122) brachten keine Änderung des Grundsatzes, dass Verfahren, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängig waren, nach den zum Zeitpunkt des Anhängigwerdens geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu Ende geführt werden.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 ObS 53/08d (= SSV-NF 22/44) ausgeführt hat, ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht, grundsätzlich anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beurteilen. Diese Ansicht entspricht auch der vom Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Problematik des Anspruchs auf Familienbeihilfe in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl VwGH 18. 4. 2007, Zl 2006/13/0126 mwN ua). Wenn der Gesetzgeber, ohne weitere Übergangsregelungen zu treffen, die Wirksamkeit eines Gesetzes ab einem bestimmten Zeitpunkt festlegt, so bedeutet dies im Allgemeinen, dass die geänderte gesetzliche Bestimmung nur auf jene Fälle anwendbar ist, die einen Sachverhalt, der sich nach dem Wirksamkeitsbeginn ereignet hat, zum Gegenstand haben (vgl 10 ObS 35/09h mwN). In diesem Sinne gelangte der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 53/08d (= SSV-NF 22/44) im Falle eines am 7. 7. 2006, also erst nach dem Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 (BGBl I 2005/100), geborenen Kindes einer Asylwerberin zu dem Ergebnis, dass für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld grundsätzlich die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes sowie die für den damals noch strittigen Anspruchszeitraum vom 1. 1. 2007 bis 11. 2. 2007 maßgebende Rechtslage entscheidend ist. Der Anspruch auf Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes für dieses Kind richtete sich daher nach § 2 Abs 1 Z 5 KBGG idF BGBl I 2006/168. Diese Rechtsansicht steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Dieser Gerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. 9. 2008, Zl 2008/15/0199, die Abweisung eines Antrags auf Gewährung der Familienbeihilfe für ein am 28. 10. 2006 geborenes Kind eines Asylwerbers mit der Begründung bestätigt, dass sich der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für dieses Kind nach § 3 FLAG idF BGBl I 2006/168 richtet, dessen Voraussetzungen das Kind unstrittig nicht erfüllte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zitierten Erkenntnis vom 24. 9. 2008 aber auch darauf hingewiesen, dass in den Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 (§ 75 Abs 1 AsylG 2005) angeordnet wird, dass Asylverfahren, die am 31. 12. 2005 bereits anhängig waren, noch nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind. § 55 FLAG verknüpft das Inkrafttreten des § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspakets 2005 mit den Übergangsbestimmungen des NAG und jenen des Asylgesetzes 2005. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 15. 1. 2008, Zl 2007/15/0170, ausgeführt, § 55 FLAG sei dahingehend zu verstehen, dass § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspakets 2005 für Personen, denen gegenüber gemäß § 75 AsylG 2005 das Asylverfahren noch nach dem Asylgesetz 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab 1. 1. 2006 nicht anzuwenden sei. Für diesen Personenkreis komme daher § 3 FLAG - unbeschadet der durch BGBl I 2006/168 mit Wirkung ab 1. 7. 2006 vorgenommenen Änderungen - zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl I 2004/142, zur Anwendung. Dies bedeute also, dass in den Fällen, in denen das Asylverfahren des Antragstellers auf Gewährung der Familienbeihilfe nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen sei, sein Anspruch auf Familienbeihilfe sich nach den Bestimmungen des FLAG idF des Bundesgesetzes, BGBl I 2004/142, richte, wonach die asylrechtliche Stellung des den Anspruch vermittelnden Kindes bedeutungslos sei. Sei hingegen das Asylverfahren des Antragstellers nach dem AsylG 2005 zu führen, gelte für seinen Anspruch auf Familienbeihilfe das FLAG idF des Bundesgesetzes, BGBl I 2005/100, oder bereits BGBl I 2006/168. Wenn in diesem Fall aber das Asylverfahren des den Anspruch vermittelnden Kindes nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen sei, richte sich der Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 55 FLAG ebenfalls nach den Bestimmungen des FLAG idF des Bundesgesetzes, BGBl I 2004/142. Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in der Folge auch in weiteren Erkenntnissen fortgeschrieben (vgl VwGH 12. 10. 2009, Zl 2009/16/0208; 5. 11. 2009, Zl 2009/16/0239 ua).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs über die Auslegung des § 55 FLAG idF BGBl I 2005/100 für die hier zu beurteilende inhaltsgleiche Bestimmung des § 49 Abs 9 KBGG idF BGBl I 2005/100 an. Diese beiden identen Übergangsbestimmungen wurden vom Gesetzgeber des Fremdenrechtspakets 2005 mit demselben Regelungszweck geschaffen. Da die Klägerin über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1997 verfügt und ihr Asylverfahren noch nicht beendet ist, ist im vorliegenden Fall das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs 2 Z 1 NAG nicht anzuwenden. Es ist vielmehr die Übergangsbestimmung des § 75 Abs 1 AsylG 2005 maßgebend, wonach alle am 31. 12. 2005 anhängigen Asylverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen sind. Dies gilt, wie die oben wiedergegebene Übergangsbestimmung des § 75 Abs 1 AsylG 2005 zeigt, insbesondere für Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 mit 1. 1. 2006 verwirklicht wurden. Da die den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld auslösende Geburt der Tochter der Klägerin am 15. 6. 2005, somit - anders als in dem der Entscheidung 10 ObS 53/08d (= SSV-NF 22/44) zugrundeliegenden Fall - bereits vor dem Inkrafttreten der Änderung des KBGG durch das Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl I 2005/100) erfolgte und die Klägerin aufgrund der damals geltenden Rechtslage auch im Zeitraum vom 15. 6. 2005 bis 31. 12. 2005 von der beklagten Partei Kinderbetreuungsgeld sowie den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld bezogen hat, ist nach den dargelegten Grundsätzen für ihren Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld auch für den Zeitraum ab 1. 1. 2006 weiterhin die damals geltende Rechtslage maßgebend. § 2 Abs 1 Z 5 KBGG idF des Fremdenrechtspakets 2005 (BGBl I 2005/100), der einen Aufenthaltstitel nach §§ 8, 9 NAG fordert, ist hingegen auf den Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld bzw Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld auch für den Zeitraum ab 1. 1. 2006 nicht anwendbar. Auch der Übergangsbestimmung des § 49 Abs 9 KBGG idF BGBl I 2005/100 ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass eine Asylwerberin nach dem AsylG 1997, deren Rechtsstellung nach der Übergangsbestimmung des § 75 Abs 1 AsylG 2005 im Wesentlichen unverändert bleiben soll, einen bereits bestehenden Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld verlieren soll. Daraus folgt, dass entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei das Fehlen eines Aufenthaltstitels nach den §§ 8, 9 NAG dem Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld sowie auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld auch für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume ab 1. 1. 2006 nicht entgegensteht.

Die Rechtssache ist allerdings nicht im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils spruchreif, weil das Erstgericht mit seinem Urteil den Rechtsstreit im klagsstattgebenden Umfang dadurch erledigt hat, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin im Zeitraum vom 1. 1. 2006 bis 31. 3. 2006 und vom 1. 5. 2006 bis 31. 10. 2007 „Kinderbetreuungsgeld und den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld im gesetzlichen Ausmaß“ zu gewähren. Dieser Urteilsspruch ist mangels Verurteilung zu einer Leistung in einer bestimmten Höhe kein exekutionsfähiges Leistungsurteil, sondern ein unrichtig formuliertes, das Klagebegehren nur dem Grunde nach zu Recht bestehend erkennendes, daher lediglich feststellendes Grundurteil iSd § 89 Abs 2 ASGG. Eine Anwendung des § 89 Abs 2 ASGG würde jedoch voraussetzen, dass die begehrte Geldleistung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach strittig ist. Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, wird das Erstgericht über eine von der Klägerin in zulässiger Weise erkennbar begehrte Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld „im gesetzlichen Ausmaß“ (vgl § 82 ASGG) in Form eines exekutionsfähigen Leistungsurteils zu entscheiden haben.

Es war daher in Stattgebung der Revision der Klägerin spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E93636

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00019.10G.0323.000

Im RIS seit

22.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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