TE OGH 2010/3/23 10ObS32/10v

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Veröffentlicht am 23.03.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Irene Kienzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herta F*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Jänner 2010, GZ 25 Rs 130/09t-26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision beruft sich die Klägerin auf das Fehlen gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie der Begriff „wesentliche Änderung“ im Sinn des § 9 Abs 4 BPGG auszulegen sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts komme es insoweit nicht darauf an, dass sich der Umfang des Pflegeaufwands von über 120 Stunden auf 112 Stunden monatlich vermindert habe. Abzustellen sei vielmehr darauf, dass sich das Zustandsbild der Klägerin - wenn nicht schon teilweise verschlechtert - insgesamt „nicht relevant verbessert“ habe. Es sei für künftige Verfahren klarzustellen, ob unter dem Begriff „wesentliche Änderung“ im Sinn des § 9 Abs 4 BPGG nur „rechnerisch quantitative“ Änderungen im Pflegebedarf für das Ausmaß der Pflegestufe maßgeblich seien, oder ob darunter auch die konkret für die Beurteilung des Gesundheitszustands insgesamt relevanten Tatsachen zu verstehen seien.

Mit der Auslegung der zitierten Bestimmung hat sich der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt befasst. Die angesprochene Frage wurde dabei wie folgt beantwortet:

Ob ein rechtskräftig zuerkanntes Pflegegeld zu entziehen oder neu zu bemessen ist, richtet sich ausschließlich nach § 9 Abs 4 BPGG. Dieser bestimmt, dass das Pflegegeld zu entziehen ist, wenn eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld wegfällt, und das Pflegegeld neu zu bemessen ist, wenn eine für die Höhe des Pflegegeldes wesentliche Veränderung eintritt. Diese Regelung entspricht bezüglich der (teilweisen) Entziehung der Regelung des § 99 Abs 1 ASVG. Danach setzt ein Leistungsentzug eine wesentliche, entscheidende Änderung in den Verhältnissen voraus, wobei für den anzustellenden Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit jenen im Zeitpunkt des Leistungsentzugs in Beziehung zu setzen sind (stRsp; 10 ObS 43/04b = SSV-NF 18/47; 10 ObS 28/05y jeweils mwN; RIS-Justiz RS0061709 [T4]; RS0083884 [T2]).

Es genügt (dabei) nicht, nur den körperlichen Zustand zum Zeitpunkt der Gewährung zu dem zum Zeitpunkt der Neubemessung des Pflegegeldes vorliegenden in Beziehung zu setzen, sondern es sind die Änderungen im Pflegebedarf, der für das Ausmaß der Pflegegeldstufe maßgeblich ist, zueinander in Beziehung zu setzen. Im Rahmen der Entscheidung über die Herabsetzung einer Pflegegeldleistung sind nur die objektiven Grundlagen im Tatsächlichen für den seinerzeitigen Anspruch selbständig zu prüfen und die für die Zuerkennung wesentlichen Tatsachen festzustellen. Ausgehend von den Tatsachengrundlagen ist dann selbständig zu beurteilen, ob die objektiven Grundlagen für die seinerzeitige Leistungszuerkennung sich so wesentlich verbessert haben, dass sich eine Veränderung im Anspruch auf eine andere Pflegegeldstufe ergeben hat (RIS-Justiz RS0083884 [T11 und T12] = 10 ObS 387/98d = SSV-NF 12/166 mwN; 10 Ob 213/01y).

Eine Entziehung oder eine Neubemessung (Erhöhung oder Herabsetzung) des Pflegegeldanspruchs setzt somit im Regelfall eine wesentliche Veränderung des Zustandsbildes des Pflegebedürftigen und in dessen Folge eine Änderung im Umfang des Pflegebedarfs voraus, die die Gewährung einer anderen Pflegegeldstufe erforderlich macht. Nach den festgestellten Tatsachen ist zu beurteilen, ob sich die objektiven Grundlagen für die seinerzeitige Leistungszuerkennung so wesentlich geändert haben, dass sich eine Veränderung mit Anspruch auf eine andere Pflegegeldstufe ergeben hat. Es genügt dabei nicht, nur den körperlichen Zustand zum Zeitpunkt der Gewährung zu jenem im Zeitpunkt der Neubemessung des Pflegegeldes in Beziehung zu setzen. Es sind auch die Änderungen im Pflegebedarf, der für das Ausmaß der Pflegegeldstufe maßgeblich ist, zueinander in Beziehung zu setzen, um daraus ableiten zu können, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0123144 = 10 ObS 150/07t = SSV-NF 21/88).

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Es verweist - zu Recht - auf die dazu getroffenen Feststellungen, wonach die unstrittige Reduktion des Pflegebedarfs der Klägerin auf eine Stabilisierung ihres Allgemeinzustands im Vergleich zum Gewährungszeitpunkt (vier Monate nach dem Schlaganfall) zurückzuführen ist, wobei die psychische Überlagerung im Rahmen der chronischen Depression und die dadurch bedingten Auswirkungen auf den Pflegebedarf durch die Anerkennung von Motivationsgesprächen bereits berücksichtigt sind.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird daher nicht aufgezeigt.

Schlagworte

Sozialrecht

Textnummer

E93610

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00032.10V.0323.000

Im RIS seit

17.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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