TE OGH 2010/3/23 8ObA3/10i

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Veröffentlicht am 23.03.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** F*****, Maschinist, *****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte KG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei S***** R*****, Lehrling, *****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 119.226,60 EUR zuzüglich einer monatlichen Rente von 1.448,39 EUR und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 2009, GZ 15 Ra 69/09y-27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die vom Kläger behauptete Widersprüchlichkeit in den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zu den Befugnissen des Beklagten liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die - nach den Feststellungen des Erstgerichts - unterbliebene ausdrückliche Anweisung des Gesellen nicht ein ausdrückliches Verbot an den Beklagten impliziere, die an der Decke befestigte Kette des Vakuumhebers alleine auszutauschen. Das Berufungsgericht geht somit nicht von einer Anordnung durch den Gesellen, sondern von der grundsätzlichen Befugnis des Beklagten aus, einfache Wartungsarbeiten, zu denen unbestrittenermaßen auch der Austausch der Kette gehört, allein auszuführen. Auch die vom Erstgericht festgestellte Mitteilung des Gesellen gegenüber dem Beklagten, dass sie die Kette gemeinsam wechseln würden, hat das Berufungsgericht nicht ignoriert. Vielmehr hat es in dieser Hinsicht mehrfach auf die ursprüngliche Ankündigung bzw ursprüngliche Absicht des Gesellen hingewiesen, die Kette gemeinsam zu wechseln. Die festgestellte Mitteilung gegenüber dem Beklagten ändert aber nichts an dessen grundsätzlichen Befugnis zur Ausführung gewisser selbständiger Arbeiten sowie an der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe sich in der konkreten Situation berechtigt halten dürfen, den grundsätzlich einfachen Kettenwechsel allein durchzuführen.

2.1 Zur Beurteilung der Aufsehereigenschaft des Beklagten hat das Erstgericht auf die ursprünglichen Anweisungen des Gesellen gegenüber dem Kläger hingewiesen und daraus eine grundsätzliche Weisungsbefugnis der Mitglieder des Wartungsteams gegenüber den mit dem Auswechseln des Gummis bei den Saugnäpfen des Vakuumhebers beschäftigten Maschinisten abgeleitet. Aufgrund dieser betriebsorganisatorisch allgemeinen Weisungsbefugnis ist das Berufungsgericht von der Berechtigung der Mitglieder des Wartungsteams ausgegangen, gegenüber den Maschinisten eine Unterbrechung des Arbeitsablaufs anzuordnen und diese zur Mithilfe an den Wartungsarbeiten heranzuziehen. Diese Überlegungen des Berufungsgerichts werden in der außerordentlichen Revision nicht substantiiert bestritten.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch einem Lehrling die Qualifikation als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG zukommen. Dafür ist maßgeblich, dass der betreffende Mitarbeiter eine mit einer gewissen Selbständigkeit verbundene Stellung oder wenigstens eine Leitungsbefugnis hinsichtlich eines bestimmten Arbeitsgangs einer bestimmten Arbeitspartie zur Zeit des Unfalls innehat. Nicht entscheidend ist jedoch die Rangordnung, die diesem Mitarbeiter im Betrieb zukommt. Auch auf eine allfällige größere Fachkenntnis des untergeordneten Mitarbeiters kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0088337; RS0085329; RS0085612; Neumayr in Schwimann3 § 333 ASVG Rz 70). Die Frage, ob der betreffende Mitarbeiter nach diesen Grundsätzen als Aufseher im Betrieb anzusehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0085491 [T10]; RS0085620 [T6]; RS0054850 [T4]; RS0122878).

2.2 Die Überlegung des Klägers, dem Beklagten sei es als Lehrling - zumindest ohne Einschulung bzw ohne Aufsicht - verboten gewesen, gefährliche Wartungsarbeiten wie den Austausch der Kette vorzunehmen, weshalb dieser eigenmächtig gehandelt habe, ist nicht stichhaltig. Für die Beurteilung der Stellung des Beklagten im Verhältnis zum Kläger kommt es nicht auf die nach Maßgabe der Ausbildungsvorschriften rechtliche Zulässigkeit der ausgeübten Tätigkeit, sondern auf die betriebsorganisatorische Aufgabenverteilung und Arbeitseinteilung an. Nach den Feststellungen handelte es sich beim Kettenwechsel um eine Tätigkeit, die der Beklagte im Betrieb auch allein ausführen durfte. Seine betriebsorganisatorische Weisungsbefugnis resultiert aus seiner Funktion als Mitglied des Wartungsteams.

Mit den Ausführungen, wonach der Beklagte lediglich berechtigt gewesen sei, die Kette anzufertigen und zum Montageplatz zu bringen, weicht der Kläger von den getroffenen Feststellungen ab. Selbst wenn man davon ausginge, der Beklagte hätte die Rückkehr des Gesellen abwarten müssen, ändert dies nichts an der vom Berufungsgericht angenommenen grundsätzlichen Weisungsbefugnis der Mitglieder des Wartungsteams gegenüber den am Vakuumheber arbeitenden Maschinisten.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Textnummer

E93655

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:008OBA00003.10I.0323.000

Im RIS seit

20.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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