Index
E3R E03605600;Norm
31992R3950 ZusatzabgabeV Milchsektor Art4 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde 1. der M L und
2. des G L, beide in E und vertreten durch Dr. Martin Prohaska, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 30. September 1999, Zl. 17.274/358-I A 7/99, betreffend Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 7. Dezember 1998 begehrten die Beschwerdeführer die Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge (nach dem Antragsvorbringen bestand eine endgültig zugeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge von 62.798 kg) in eine Anlieferungs-Referenzmenge im Ausmaß von 35.000 kg. Sie begründeten die gewünschte Umwandlung wie folgt:
"1.) Verunsicherung der Konsumenten über Verwendung v. Rohmilch.
2.) Zweimalige Anklage (3. Juni 97 und 26. Februar 98) beim Bezirksgericht St. Pölten wegen leicht erhöhter Keimzahl.
Durch 1.) Absatzrückgang Durch 2.) Einschränkung der Direktvermarktung."
Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria, datiert mit 11. Jänner 1999, wurde dem Antrag der Beschwerdeführer auf Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von 35.000 kg in eine Anlieferungs-Referenzmenge keine Folge gegeben.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführer hätten mit ihrem Antrag vom 18. Dezember 1998 die Umwandlung einer ihrem Betrieb bereits endgültig zugeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge mit Wirkung für den Zwölfmonatszeitraum 1998/99 begehrt, obwohl sie einen Teil der ihrem Betrieb zustehenden Anlieferungs-Referenzmenge auf einen anderen Betrieb übertragen hätten. Durch diese Übertragung (eines Teiles) der Anlieferungs-Referenzmenge hätten sie zu erkennen gegeben, dass sie die übertragene Referenzmenge für die eigene Milchanlieferung nicht (mehr) benötigten bzw. eine Milchanlieferung nur im Ausmaß der auf dem Betrieb der Beschwerdeführerin verbliebenen Anlieferungs-Referenzmenge beabsichtigt sei. Da ein Mehrbedarf an Anlieferungs-Referenzmengen auch ohne die erwähnte Übertragung (eines Teiles) der Anlieferungs-Referenzmenge gedeckt hätte werden können (der "Mehrbedarf" somit selbst verschuldet worden sei), liege keine Änderung des Vermarktungsverhaltens vor, sodass dem Antrag auf Umwandlung der Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge keine Folge habe gegeben werden können.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, es sei zum Zeitpunkt der Übertragung der Quote im Dezember 1997 nicht vorauszusehen gewesen, dass sich der Ab-Hof-Verkauf von Milch aus der "D-Quote" rückläufig entwickeln werde. Durch den in der Milchhygiene-Verordnung notwendig gewordenen Vermerk "Rohmilch vor Verzehr abkochen" seien offensichtlich viele Konsumenten verunsichert und trotz bester Milchqualität nicht mehr als Ab-Hof-Kunden zu gewinnen. Diese Entwicklung der Direktvermarktung sei nicht vorhersehbar und auch nicht von den Beschwerdeführern verschuldet gewesen. Dass auf dem Hof der Beschwerdeführer nur Milch bester Qualität erzeugt werde, sei durch zwei Gerichtsverfahren - beide hätten mit einem Freispruch geendet - hinreichend bewiesen.
Die belangte Behörde wies mit ihrem Bescheid vom 30. September 1999 die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erwähnten Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der AMA ab.
Die belangte Behörde führte begründend nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, des Parteivorbringens im Zuge des Berufungsverfahrens und der für maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften aus:
Die von den Beschwerdeführern im Zuge des Berufungsverfahrens abgegebene Stellungnahme habe die Bedenken der Behörde zu dem vorliegenden Umwandlungsantrag nicht "entkräften" können. Es habe nicht erkannt werden können, wodurch sich eine begründete Änderung des Vermarktungsverhaltens ergeben habe. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführer erst im Zwölfmonatszeitraum 1997/98 20.000 kg Anlieferungs-Referenzmenge verkauft hätten, sei ihre Begründung für die Änderung des Vermarktungsverhaltens entsprechend zu prüfen gewesen. Die Beschwerdeführer hätten jedoch in ihrem Schreiben vom 28. August 1999 keine weitere Begründung beigebracht, sondern lediglich wiederholt, dass man in Österreich dadurch diskriminiert sei, dass man Rohmilch mit dem "Giftschein: Vor Verzehr abkochen" anbieten müsse. Diese Regelung bestehe jedoch seit dem Jahr 1993 und sei daher nicht geeignet, eine plötzliche Änderung des Vermarktungsverhaltens zwischen Dezember 1997 und Dezember 1998 zu erklären. Obwohl den Beschwerdeführern Gelegenheit gegeben worden sei, Ausführungen zum Vermarktungsverhalten zu machen (z.B. Ausfall von Kunden, Nennung von Namen, etc.), hätten sie nur das Absinken der Direktvermarktung und den Anstieg der Anlieferung bekannt gegeben. Dieses Zahlenmaterial sei jedoch der Berufungsbehörde bereits bekannt gewesen. In ihrem Umwandlungsantrag hätten die Beschwerdeführer ihre eingeschränkte Direktvermarktung mit einer zweimaligen "Anklage" (3. Juni 1997 und 26. Februar 1998) beim Bezirksgericht St. Pölten wegen leicht erhöhter Keimzahl begründet. Die Ausführungen der Berufungsbehörde in der zwischen ihr und den Beschwerdeführern geführten Korrespondenz vom 16. August 1999 seien dahingehend zu verstehen gewesen, dass eine erhöhte Keimzahl nicht automatisch zu einer Erhöhung der Anlieferung führen müsse (da die Keimzahl auch für die Anlieferungsmilch gelte) und die Beschwerdeführer diesbezüglich Erläuterungen vorbringen sollten.
Da gemäß den von der belangten Behörde herangezogenen Rechtsvorschriften des Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 und § 33 Abs. 1 Milch-Garantiemengen-Verordnung ein begründeter Antrag des Erzeugers notwendig sei, um Änderungen bei seinen Lieferungen bzw. Direktverkäufen Rechnung zu tragen, hätte der Berufung nicht Folge gegeben werden können; die Beschwerdeführer hätten die von der Berufungsbehörde erläuterten Bedenken durch kein konkretes Vorbringen entkräften können.
Die Beschwerdeführer bekämpfen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachten sich in ihrem Recht auf Bewilligung der Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge im Umfang von 35.000 kg verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates
vom 28 Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor lautet:
"Art. 4
...
(2) Eine einzelbetriebliche Referenzmenge wird auf begründeten Antrag des Erzeugers erhöht oder zugeteilt, um Änderungen bei seinen Lieferungen bzw. Direktverkäufen Rechnung zu tragen. Voraussetzung für die Erhöhung oder Zuteilung einer Referenzmenge ist die entsprechende Senkung oder Aufhebung der jeweiligen anderen Referenzmenge des Erzeugers. Diese Anpassungen dürfen für den betreffenden Mitgliedstaat keine Erhöhung der in Artikel 3 genannten Gesamtmengen für Lieferungen und Direktverkäufe bewirken."
§ 33 Abs. 1 Milch-Garantiemengen-Verordnung, BGBl. Nr. 225/1995, lautet:
"§ 33. (1) Anträge auf befristete Umwandlung von endgültig zugeteilten Referenzmengen nach Art. 4 Abs. 2 erster Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 sind für den laufenden Zwölf-Monatszeitraum - soweit sie bis einschließlich den Zwölf-Monatszeitraum 1996/97 erfolgen - bis 31. Jänner und in den folgenden Zwölf-Monatszeiträumen jeweils bis 31. Dezember bei der AMA zustellen. In dem Antrag sind anzugeben:
1.
Name, Anschrift und Betriebsnummer des Milcherzeugers,
2.
die Höhe der den Milcherzeuger zustehenden Referenzmengen, getrennt nach Anlieferungs-Referenzmengen und Direktverkaufs-Referenzmengen,
3.
die Art und Höhe der begehrten Umwandlung sowie
4.
die Tatsachen, die zu Änderungen bei den Anlieferungen oder Direktverkäufen geführt haben.
Dem Antrag sind die Mitteilung der AMA über die Zuteilung der Direktverkaufs-Referenzmenge und der Anlieferungs-Referenzmenge oder die gemäß § 23 mitgeteilten Referenzmengen beizufügen."
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung darauf gestützt, dass ein begründeter Antrag im Sinne dieser Bestimmungen nicht vorliege. Sie hat sich dabei vor allem auf den Umstand berufen, dass die Beschwerdeführer etwa ein Jahr vor Antragstellung einen Teil der ihnen zustehenden Anlieferungs-Referenzmenge abgegeben haben.
Der in der Bescheidbegründung festgehaltene Vorwurf, dass die Beschwerdeführer aufgefordert worden seien, Angaben über ihre Kunden zu machen, und dies unterlassen hätten, ist durch den Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht gedeckt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 2000, Zl. 2000/17/0058, ausgeführt hat, ist zwischen einem "begründeten Antrag" und einer "begründeten Änderung" zu unterscheiden; Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 ist dahin zu verstehen, dass nicht jede Änderung im Vermarktungsverhalten des Milcherzeugers zur Umwandlung berechtigt.
Damit ist aber für den von der belangten Behörde eingenommenen Standpunkt noch nichts gewonnen.
Als Voraussetzung für die Umwandlung einer einzelbetrieblichen Referenzmenge ist in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 die "Änderung bei seinen Lieferungen bzw. Direktverkäufen" genannt; darunter ist eine Änderung in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die die Lieferungen oder den Direktverkauf beeinflussen, zu verstehen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 23. Oktober 2000).
Im hier zu beurteilenden Beschwerdefall haben die Beschwerdeführer in ihrem Antrag auf einen Zurückgang des Ab-Hof-Verkaufes im fraglichen Zeitraum hingewiesen; sie haben weiters in diesem Zusammenhang zwei gegen sie geführte Gerichtsverfahren (die nach ihrem Vorbringen ohne gerichtliche Verurteilung geendet hätten) erwähnt. Damit haben sie aber nicht nur eine Änderung bei ihren Direktverkäufen, sondern ausdrücklich auch eine Ursache dafür genannt. Sie haben damit ihre Obliegenheit zur Stellung eines "begründeten Antrages" erfüllt; auf die gleichfalls noch angeführte und in der Folge im Verfahren näher erläuterte Verunsicherung der Konsumenten über die Verwendung von Rohmilch braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Dem entgegen vermag die Ansicht der belangten Behörde, ein begründeter Antrag liege deshalb nicht vor, da die Beschwerdeführer etwa ein Jahr vor dem hier zu beurteilenden Antrag einen Teil ihrer Anlieferungs-Referenzmenge veräußert haben, den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht schlüssig zu begründen. Gerade Gerichtsverfahren können gravierende Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten auch im Zeitraum von (nur) einem Jahr mit sich bringen.
Ist aber die Mangelhaftigkeit der Begründung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides wesentlich, weil sie etwa - wie im Beschwerdefall - die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes unmöglich macht, dann liegt eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1999, Zl. 96/17/0038, und vom 20. Dezember 1999, Zl. 95/17/0193).
Aus den oben genannten Gründen war daher der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Hinsichtlich der zitierten, in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlichen Entscheidungen wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 22. Jänner 2001
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999170425.X00Im RIS seit
13.07.2001