TE OGH 2010/3/24 3Ob22/10x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Wohnungseigentumsgemeinschaft der Liegenschaft W*****, vertreten durch Kafka-Palkovits Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Paul E***** D*****, wegen 749,44 EUR sA und anderer betriebener Forderung, über den Revisionsrekurs der Ersteherin Anton H***** GmbH, *****, vertreten durch Kafka-Palkovits Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. Oktober 2009, GZ 17 R 88/09a-41, mit dem der Rekurs der Ersteherin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 26. Jänner 2009, GZ 11 E 875/08i-36, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 21. Februar 2008 wurde der Betreibenden wider den Verpflichteten zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 749,44 EUR sA die Zwangsversteigerung der im Eigentum des Verpflichteten stehenden Anteile an einer näher bezeichneten Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr 2 bewilligt. Mit Beschluss vom 8. Jänner 2009 wurden diese Anteile der Ersteherin um das Meistbot von 57.500 EUR zugeschlagen.

Mit Eingabe vom 15. Jänner 2009 brachte eine Überbieterin binnen offener Frist ein Überbot von 72.000 EUR ein und erklärte, zum Erlag einer Sicherheit in Höhe eines Viertels des angebotenen Kaufpreises sowie zur Erfüllung der Versteigerungsbedingungen bereit zu sein.

Am 20. Jänner 2009 verständigte das Erstgericht die Ersteherin vom Überbot und informierte diese über die Möglichkeit, binnen drei Tagen das Überbot zu entkräften. Daraufhin erklärte die Ersteherin am 22. Jänner 2009, ihr Meistbot auf den Betrag von 72.000 EUR zu erhöhen.

Das Erstgericht wies das Überbot mit der Begründung zurück, die Ersteherin habe das Meistbot fristgerecht entkräftet.

Das Rekursgericht wies den gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Ersteherin zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ohne die inhaltliche Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses zu prüfen verneinte das Rekursgericht die Beschwer der Ersteherin mit der Begründung, gegen den Beschluss über die Zurückweisung des Überbots komme das Rekursrecht nur dem Überbieter, nicht aber dem Ersteher zu. § 198 Abs 2 EO beziehe sich nur auf Beschlüsse über die Annahme eines Überbots.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Ersteherin ist zulässig, weil zur Frage der Rekurslegitimation des Erstehers gegen den Beschluss auf Zurückweisung des Überbots bisher keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. § 528 ZPO gilt gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren (RIS-Justiz RS0002321). Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt wurde, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ohne Überprüfung der Sachentscheidung wird demnach nicht als Bestätigung angesehen (3 Ob 112/09f; 8 Ob 111/03m). Ein derartiger Fall liegt hier vor. Das Rekursgericht hat den Rekurs mangels Beschwer zurückgewiesen, ohne auf die inhaltliche Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses einzugehen, sodass der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof offen steht.

2. Die Ersteherin bringt vor, das Überbot sei dann wirksam, wenn die angebotene Sicherheit nachweislich geleistet worden sei. Ihre Verständigung vom Überbot hätte erst dann zu erfolgen gehabt, wenn die Überbieterin die angebotene Sicherheit erlegt gehabt hätte. Die materielle Beschwer sei zu bejahen, weil durch die vom Gericht verursachte Irreleitung ein Nachteil in Höhe der Differenz zwischen Meistbot und (unwirksamen) Überbot entstanden sei. Begehrt werde deshalb die ersatzlose Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie die Nichtigerklärung des gesamten Verfahrens ab dem Zeitpunkt nach Erteilung des Zuschlags.

Dazu ist auszuführen:

2.1. Nach § 196 Abs 1 EO idF der EO-Novelle 2008 - der gemäß § 410 Abs 2 EO auf den vorliegenden Fall bereits Anwendung findet - ist das Überbot dann wirksam, wenn die angebotene Sicherheit geleistet ist. Erst dann ist der Ersteher vom Überbot zu verständigen (§ 197 Satz 1 EO idF der EO-Novelle 2008). Dazu in Widerspruch steht der durch die EO-Novelle 2008 unverändert gebliebene § 198 Abs 1 Satz 1 EO, nach dem der Überbieter erst nach Ablauf der dem Ersteher für die „Gleichziehung“ offen stehenden Frist zum Erlag der angebrachten Sicherheit aufzufordern ist. Die Antinomie zwischen § 197 Satz 1 EO idF der EO-Novelle 2008 und § 198 Abs 1 Satz 1 EO ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck, Missbräuche zu vermeiden, dahin aufzulösen, dass § 198 Abs 1 Satz 1 EO berichtigend dahin auszulegen ist, dass nach Einlangen eines Überbots die Aufforderung zum Erlag der Sicherheit bereits nach Ablauf der für die Anbringung des Überbots offenstehenden Frist zu erlassen ist (Angst in Angst, EO2 § 196 Rz 7 mit dem weiteren Hinweis auf „lex posterior derogat priori“). Da im vorliegenden Fall die Überbieterin die Sicherheit nur angeboten, aber nicht erlegt hat, ihr Überbot also noch nicht wirksam war, ist der Ersteherin einzuräumen, dass sie vom Überbot vorzeitig verständigt wurde.

2.2. Dennoch kann der Ersteherin mangels Beschwer gegen den Beschluss auf Zurückweisung des Überbots kein Rekursrecht zuerkannt werden:

Generell ist der Rekurs nur zulässig, wenn dem Rekurswerber ein Interesse an einer Entscheidung durch die übergeordnete Instanz zuzubilligen ist. Ein Rekursinteresse besteht, wenn einerseits durch den angefochtenen Beschluss in die Rechte des Rekurswerbers eingegriffen wird, und andererseits die Rekursentscheidung geeignet ist, den Rechtszustand, mit dem die Interessen des Rekurswerbers gewahrt werden, wiederherzustellen (Jakusch in Angst aaO § 65 Rz 13). Letztere Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil auch bei Stattgebung des Rekurses nur die von der Ersteherin angestrebte ersatzlose Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses auf Zurückweisung des Überbots erreicht würde, nicht aber ihre Erklärung beseitigt wäre, das Meistbot auf den Betrag des Überbots von 72.000 EUR zu erhöhen. Ihr Antrag auf Nichtigerklärung „des gesamten Verfahrens ab dem Zeitpunkt nach Erteilung des Zuschlags“ ist schon deshalb nicht zielführend, weil das Meistbot nicht durch Gerichtsbeschluss auf das Überbot erhöht wird, sondern allein durch die Erklärung des Erstehers (RIS-Justiz RS0002259). An diese Erklärung ist der Ersteher aber unwiderruflich gebunden; er kann sie nicht zurückziehen (§ 197 letzter Satz EO; Angst in Angst aaO § 197 Rz 2; Breinl in Burgstaller/Deixler-Hübner, Kommentar zu EO, § 197 Rz 4). Demnach ist die angestrebte Rekursentscheidung nicht geeignet, den Rechtszustand, mit dem die Interessen des Rekurswerbers gewahrt werden könnten, wiederherzustellen. Aus diesem Grund ist das Rechtsschutzinteresse (die Beschwer) zu verneinen.

2.3. Die Bestimmung des § 198 Abs 2 EO steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Seit der EO-Novelle 2000, BGBl 59/2000 trägt § 198 EO die Überschrift „Annahme des Überbots“ (Breinl aaO § 198 Rz 1). Gemäß § 198 Abs 2 EO sind der Ersteher, die Überbieter, der betreibende Gläubiger, der Verpflichtete sowie alle Personen, die gegen die dem Überbot vorausgegangene Zuschlagserteilung Rekurs erhoben haben, von der Entscheidung zu verständigen und können diese mittels Rekurses anfechten. Wie sich schon aus der Überschrift zu § 198 EO ergibt, bezieht sich dessen Regelungsinhalt nur auf den Beschluss über die Annahme eines Überbots. Ausschließlich für diesen Fall kann die in Abs 2 erfolgte Regelung über das Rekursrecht Bedeutung haben (Angst aaO § 198 Rz 7). Zur Rekurslegitimation in Ansehung der Entscheidung über die Zurückweisung des Überbots trifft § 198 Abs 2 EO hingegen keine Aussage. Eine derartige Entscheidung ist nur dem Überbieter zuzustellen; nur dieser ist rekurslegitimiert (Angst aaO).

3. Ob und auf welchem Weg der Vermögensnachteil des Revisionsrekurswerbers von 14.500 EUR vermieden werden kann, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Der Revisionsrekurs erweist sich demnach als nicht berechtigt.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,

Textnummer

E93795

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00022.10X.0324.000

Im RIS seit

05.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten