TE OGH 2010/3/25 2Ob48/10p

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Veröffentlicht am 25.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Purkersdorf zu AZ 1 P 88/06m anhängigen Pflegschaftssache betreffend die minderjährige A***** H*****, über den Rekurs des Vaters Ing. H***** S*****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 15. Jänner 2010, GZ 12 Nc 37/09x-6, womit der Delegierungsantrag des Vaters abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

B e g r ü n d u n g :

Zugrunde liegt ein Verfahren auf Übertragung der Obsorge bzw Einräumung eines Besuchsrechts. Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 8. 7. 2009 (S-483), wurde die Befangenheit der zuständigen Richterin (Vorsteherin des Bezirksgerichts Purkersdorf) festgestellt. Da das Bezirksgericht Purkersdorf an der Ausübung der Gerichtsbarkeit in dieser Sache gehindert sei, werde gemäß § 30 JN das Bezirksgericht Neulengbach zur weiteren Führung der Pflegschaftssache bestimmt. Das Oberlandesgericht Wien hob mit Beschluss vom 24. 8. 2009 (S-491) den Ausspruch über die Delegation der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Neulengbach auf, da lediglich die Befangenheit der Vorsteherin des Bezirksgerichts Purkersdorf festgestellt worden sei, nicht jedoch die Befangenheit aller anderen bei diesem Bezirksgericht tätigen Richter, hinsichtlich derer keine Befangenheitsanzeigen aktenkundig seien.

              Der Vater stellte einen Antrag auf Delegierung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Das Bezirksgericht Purkersdorf zeige sich zur objektiven Verfahrensführung ungeeignet; insbesondere habe es bisher nichts unternommen, um den massiven Verdacht des sexuellen Missbrauchs an der Minderjährigen aufzuklären. Es liege eine massive Befangenheit vor. Die umliegenden Bezirksgerichte wie Tulln oder Neulengbach seien wegen der von den Beteiligten eingestandenen Querverbindungen nicht geeignet, die Causa zu übernehmen. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien sei aufgrund der Vielzahl und Erfahrungen der dort tätigen Richter am besten geeignet, eine dem Kindeswohl entsprechende Verfahrensführung zu gewährleisten.

              Die Mutter sprach sich gegen eine Delegierung der Pflegschaftssache aus.

              Das Oberlandesgericht Wien wies den Delegierungsantrag ab. Der Antragsteller mache keine Gründe geltend, aus denen eine Übertragung nach § 31 JN zweckmäßig erscheine. Seine Besorgnis betreffend die Befangenheit der Richter des Bezirksgerichts Purkersdorf rechtfertige eine Übertragung nach § 31 JN nicht. Auch ein allfälliger Personalengpass rechtfertige im Hinblick auf den Widerspruch der Mutter die Übertragung nicht.

Rechtliche Beurteilung

              Der dagegen gerichtete Rekurs des Vaters ist nicht berechtigt:

              1. Die angebliche Weglassung einer Ordnungsnummer begründet keine Nichtigkeit. Auch das behauptete Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung stellt keinen Nichtigkeitsgrund dar (RIS-Justiz RS0036512). Den entsprechenden Hinweis im letzten Absatz der angefochtenen Entscheidung hat der Rechtsmittelwerber ohnehin verstanden, wie sich aus dem Rekurs ergibt.

              2. Die Voraussetzungen für eine (amtswegige) Delegierung nach § 30 JN sind nicht gegeben: Allein aus der Behauptung des Vaters, das Bezirksgericht Purkersdorf sei insgesamt befangen, lassen sich keine Voraussetzungen für die Delegierung ableiten (vgl RIS-Justiz RS0046103). Solange an einem Gericht - wie hier - noch ein zur Vertretung berufener Richter zur Verfügung steht, ist für die Anwendung der Delegierungsvorschrift des § 30 JN kein Raum (vgl RIS-Justiz RS0046091).

              3. Ein Delegierungsantrag nach § 31 JN kann weder auf Ablehnungsgründe noch auf behauptete Verfahrensverstöße oder ungünstige Entscheidungen gestützt werden (RIS-Justiz RS0114309). Die Beurteilung einer Delegierung nach § 31 JN hat sich auf die Frage der Zweckmäßigkeit aus den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beschränken; sie dient nicht dazu, bisher erfolglose Ablehnungsanträge einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen (RIS-Justiz RS0046333). Derartige Zweckmäßigkeitsgründe wurden vom Vater nicht behauptet, sodass die Voraussetzungen für eine Übertragung der Zuständigkeit nach § 31 JN nicht gegeben sind.

Textnummer

E93823

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00048.10P.0325.000

Im RIS seit

07.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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