Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sunday U***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. November 2009, GZ 064 Hv 49/09g-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
G r ü n d e :
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sunday U***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien und anderen Orten Österreichs vorschriftswidrig andere zur Aus- und Einfuhr von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge bestimmt (1) und zu bestimmen versucht (2) sowie zur Aus- und Einfuhr durch andere beigetragen (3), indem er
(1) im März 2008 die gesondert verfolgte Fatumatah P***** ersuchte, 1008,3 Gramm Kokaingemisch und 987,3 Gramm Heroingemisch mit einer Reinsubstanz von zumindest 323,7 Gramm Cocain-HCl und 67,5 Gramm Heroin HCl gegen ein Entgelt von 3.000 EUR in Amsterdam von einem unter dem Spitznamen „Promise“ bekannten Lieferanten abzuholen und sodann aus den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich einzuführen;
(2) etwa Ende 2007 die gesondert verfolgte Fatumatah P***** fragte, ob sie eine zumindest die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge Marihuana aus den Niederlanden über Deutschland aus- und nach Österreich einführen könne, was sie jedoch ablehnte;
(3) im Herbst 2008 von einem unbekannten Mittäter den Erlös einer Suchtgiftlieferung in das Bundesgebiet entgegennahm und diesen an den abgesondert verfolgten Chigbo Ug***** zur - tatsächlich erfolgten - Weiterleitung an den Organisator des Schmuggels zwecks Entlohnung des Drogenkuriers (US 9) übergab, somit „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Chigbo Ug***** als Mittäter (§ 12 StGB) in zumindest einem Angriff zur Einfuhr einer insgesamt die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge (Heroin und/oder Kokain) aus dem Ausland nach Österreich“ beitrug.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Entgegen dem Standpunkt der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) stehen die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite in Betreff des Schuldspruchs 2 (US 6) keineswegs im Widerspruch zu der - übrigens in gänzlich anderem Zusammenhang im Rahmen der Beweiswürdigung geäußerten, in der Beschwerde zudem sinnentstellt zitierten - Ansicht der Tatrichter, wonach Suchtgiftkuriere „im Normalfall“ nicht ohne Anbot einer realistischen Risikoprämie oder verbindlicher Zusage der Kostentragung tätig werden (US 20).
Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung absoluter Versuchsuntauglichkeit zufolge fehlenden finanziellen Anreizes für die präsumtive Drogenkurierin (der Sache nach Z 9 lit a) wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116569). Im Übrigen würde ein absolut untauglicher Versuch voraussetzen, dass die einem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls geradezu denkunmöglich ist, sohin unter keinen Umständen erwartet werden kann (Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 70), wovon bei bloßer Möglichkeit der Ablehnung einer expliziten Aufforderung zum Drogenschmuggel wegen dabei unterlassener Zusage eines Entgelts keine Rede sein kann (vgl erneut RIS-Justiz RS0098852).
Mit dem Einwand auf reinen Spekulationen basierender, „an Willkür grenzender Scheinbegründung“ der Feststellungen zum Schuldspruch 2 (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) geht die Beschwerde nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Sie ignoriert nämlich die insoweit zentralen Erwägungen der Tatrichter, die die Konstatierungen zum objektiven Täterverhalten auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Fatumatah P***** stützten und (unter anderem) daraus ableiteten, dass die Bestimmung der Genannten zur Aus- und Einfuhr von zumindest 20 Gramm reinem THC aus Holland über Deutschland nach Österreich vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war (US 15 ff), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (vgl dazu auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).
Ob der Beschwerdeführer dabei den Schmuggel einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Quantität anstrebte, betrifft zudem mit Blick auf die Urteilskonstatierungen zur - mit auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz begangenen (US 10) - Bestimmung und zum Beitrag zur Aus- und Einfuhr von weiteren Suchtgiftmengen (Heroin und Kokain), die für sich allein die Grenzmenge des § 28b SMG um das Fünfundzwanzigfache übersteigen (Schuldsprüche 1 und 3), keine entscheidende Tatsache.
Die Höhe des Fatumatah P***** für den vom Schuldspruch 1 umfassten Schmuggel angebotenen Entgelts ist für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage ebenso irrelevant und daher einer Anfechtung aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (RIS-Justiz RS0117499). Davon abgesehen ist die Urteilsannahme einer vereinbarten Entlohnung von 3.000 EUR weder aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) noch unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet, weil das Erstgericht seine Überzeugung gerade nicht auf die Verantwortung der Genannten in dem gegen sie selbst geführten Verfahren in Deutschland (ON 60), sondern auf deren Angaben anlässlich ihrer im Rechtshilfeweg in Köln durchgeführten Einvernahme stützte, die im Urteil nicht unrichtig wiedergegeben wurden (ON 48 S 7; US 13 f; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467 f).
Der Einwand unterbliebener Befragung dieser Zeugin über die genauen Umstände ihrer Entlohnung geht zudem schon im Ansatz fehl. Die solcherart behauptete Unterlassung der amtswegigen Wahrheitsforschung kann nämlich aus Z 5a nur unter dem - hier nicht erstatteten - Vorbringen gerügt werden, an der sachgerechten Wahrnehmung der Verteidigungsrechte, in concreto des in § 249 Abs 1 StPO normierten Fragerechts, gehindert gewesen zu sein (RIS-Justiz RS0115823 [T8]).
Gestützt auf die Behauptung, der Angeklagte habe nach Ablehnung einer Schmuggelfahrt durch Fatumatah P***** keine weiteren Tathandlungen zur Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs gesetzt, insbesonders der Genannten keine Entlohnung angeboten, reklamiert die Rechtsrüge (Z 9 lit b) schließlich in Betreff des Schuldspruchs 2 Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB), ohne jedoch methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb allein die behauptete Untätigkeit strafaufhebenden Rücktritt vom beendeten (fehlgeschlagenen) Versuch begründen soll (vgl im Übrigen Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 154 ff).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E93633European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00027.10T.0413.000Im RIS seit
26.05.2010Zuletzt aktualisiert am
26.05.2010