Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Stefan Jöchtl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** H*****, vertreten durch Egger Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen, vom 1. Dezember 2009, GZ 12 Rs 175/09f-21, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Juni 2009, GZ 19 Cgs 7/08g-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die in den S***** Landeskliniken als Diplomkrankenschwester beschäftigte Klägerin begab sich am 14. 11. 2006 während ihrer Dienstzeit zum AMS S*****, um sich dort über die Möglichkeit der von ihr angestrebten Altersteilzeit beraten zu lassen. Diese Erkundigung beim AMS stand sowohl im privaten Interesse der Klägerin als auch im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Ein Mitglied des Betriebsrats begleitete die Klägerin bei dieser Vorsprache. Nach dem Termin beim AMS kehrte die Klägerin auf direktem Weg mit dem Linienbus zu ihrer Arbeitsstätte zurück. Beim Aussteigen aus dem Bus rutschte sie aus und verletzte sich am rechten Kniegelenk, sodass sie bis 30. 12. 2006 arbeitsunfähig war. Für den anschließenden Zeitraum von vier Monaten besteht aus medizinischer Sicht eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 20 vH.
Mit Bescheid vom 18. 12. 2007 hat die beklagte Partei das Ereignis vom 14. 11. 2006 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und den Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt.
Das Erstgericht hat der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage, mit der die Klägerin die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß begehrte, dem Grunde nach stattgegeben und der Klägerin für die Folgen des Unfalls vom 14. 11. 2006 eine vorläufige Versehrtenrente von 20 vH für den Zeitraum 30. 12. 2006 bis 30. 4. 2007 zugesprochen. Den eingangs - zusammengefasst - wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass die gesetzliche Regelung der Altersteilzeit es Betrieben erleichtere, ältere Arbeitnehmer unter weitestgehender finanzieller Absicherung mit einer verringerten Arbeitszeit bis zum Pensionsantritt zu beschäftigen. Ein Arbeitgeber, der auf diese Weise Arbeitnehmer in Altersteilzeit beschäftige und ihnen einen Lohnausgleich gewähre, habe bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Altersteilzeitgeld. Andererseits gehe er damit auch gewisse Verpflichtungen ein, sodass die Regelung der Altersteilzeit nicht nur den Arbeitnehmer, sondern auch den Arbeitgeber betreffe. Aus diesen Gründen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorsprache der Klägerin beim AMS einem ausschließlich betriebsfremden Zweck gedient habe. Die Beziehung dieser Tätigkeit zum Betrieb könne bei Bewertung der Unfallursachen nicht als unerheblich ausgeschlossen werden. Nur dann, wenn für die unfallbringende Verrichtung im Wesentlichen allein die privaten Interessen des Verletzten maßgebend seien, liege kein Arbeitsunfall vor, weil allenfalls vorhandene betriebliche Interessen dann nur Nebenzweck des Handelns wären und für den Unfall lediglich eine Gelegenheitsursache bilden würden. Die Erkundigung der Klägerin habe aber auch wesentlich der versicherten Tätigkeit gedient, weshalb der Unfall als Arbeitsunfall zu qualifizieren sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Ob ein bestimmter Weg des Arbeitnehmers (auch) im betrieblichen Interesse erfolge und in einem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe, sei eine Rechtsfrage. Die in der Berufung bekämpfte „Feststellung“, dass die Erkundigung der Klägerin beim AMS auch im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewesen sei, sei im Zusammenhang mit der weiteren Begründung des Urteils auch unmissverständlich als im Sachverhaltsteil vorweggenommenes Ergebnis der eigenen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts zu verstehen. Ohne die darauf bezugnehmende Begründung in der rechtlichen Beurteilung wäre die fragliche „Feststellung“ des Erstgerichts auch viel zu unbestimmt, fehle doch überhaupt jedes Tatsachensubstrat, aus dem im konkreten Fall ein besonderes Interesse des Dienstgebers an der Vorsprache der Klägerin beim AMS abgeleitet werden könnte. Es gehe im Berufungsverfahren entscheidend um die Rechtsfrage, ob die Vorsprache einer Arbeitnehmerin beim AMS zur Beratung über die Möglichkeiten der Altersteilzeit grundsätzlich geeignet gewesen sei, der versicherten Tätigkeit (im Anlassfall: als Diplomkrankenschwester) wesentlich zu dienen, auch wenn gar keine Umstände behauptet worden seien, aus denen sich ein konkretes Interesse des Dienstgebers an einer solchen Vorsprache ableiten lasse. Dass ein Dienstgeber von dem Problem der Altersteilzeit betroffen sei, sobald sich ein Arbeitnehmer mit dem Ansinnen an ihn wende, eine entsprechende Altersteilzeitregelung herbeizuführen, erkläre noch in keiner Weise ein Interesse an Erkundigungen einzelner Mitarbeiter, die sich vorher - wie die Klägerin - überhaupt erst einmal fachkundig über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Altersteilzeit beraten lassen wollten. Da die Klägerin die Voraussetzungen für die staatliche Förderung in Form des Altersteilzeitgeldes nach der damals gültigen Rechtslage mangels Ausschöpfung der Normalarbeitszeit im Umfang von mindestens 80 vH gar nicht erfüllt habe, sei ein Altersteilzeitmodell von vornherein nicht in Betracht gekommen. Umstände, warum die Vorsprache der Klägerin dennoch der Erfüllung der versicherten Tätigkeit wesentlich habe dienen sollen, seien nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht behauptet worden. Ihr Weg zum AMS und zurück stehe daher nicht gemäß § 175 Abs 1 und Abs 2 Z 2 ASVG unter Versicherungsschutz, weil er im eigenen Interesse der Klägerin zum Zweck einer fachkundigen Rechtsberatung erfolgt sei. Dass sie den Termin während der Arbeitszeit habe wahrnehmen dürfen, ändere an diesem Ergebnis ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der Betriebsrat - weil er nach dem Vorbringen der Klägerin den zuständigen Sachbearbeiter beim AMS persönlich gekannt habe - die Klägerin begleitet habe. Beide Umstände begründeten keinen inneren Zusammenhang mit der Erfüllung der versicherten Tätigkeit als Diplomkrankenschwester. Da es sich beim AMS um keine gesetzliche Vertretung oder Berufsvereinbarung handle, scheide ein Versicherungsschutz nach § 175 Abs 2 Z 6 ASVG aus. Es sei auch der Tatbestand des § 176 Abs 1 Z 8 (erster und fünfter Fall) ASVG nicht verwirklicht (dies wird näher ausgeführt).
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Ausmaß des Versicherungsschutzes bei der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz oder dem Arbeitsmarktförderungsgesetz fehle.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig ist. Selbst wenn das Gericht zweiter Instanz zu Recht ausgesprochen hat, dass das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zulässig ist, die Rechtsmittelwerberin dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist das Rechtsmittel - trotz des Ausspruchs der Zulässigkeit durch das Gericht zweiter Instanz - zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0044534 [T4], RS0080388 [T1], RS0102059). Die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn darin Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung konkret releviert werden (RIS-Justiz RS0048272 [T10]).
In ihrer Revision führt die Klägerin zu den vom Berufungsgericht für erheblich erachteten Rechtsfragen nichts aus. Sie macht geltend, dass sie mit ihrer „Chefin“ vereinbart habe, den Termin beim AMS wahrnehmen zu dürfen. Deshalb sei die Vorgangsweise der Klägerin mit ihrem Arbeitgeber akkordiert „bzw so auch im betrieblichen Interesse ihres Arbeitgebers“ gewesen. Außerdem sei sie von einem Mitglied des Betriebsrats zum Termin begleitet worden. Die Regelung der Altersteilzeit betreffe nicht nur den Arbeitnehmer, sondern auch den Arbeitgeber. Die Erkundigung der Klägerin beim AMS habe daher auch wesentlich der versicherten Tätigkeit gedient. Ein ausschließliches Eigeninteresse der Klägerin sei zu verneinen. Ein Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs 1 ASVG liege vor. Damit zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Das Besorgen von persönlichen Vermögensangelegenheiten des Beschäftigten zählt nach der Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs zu dessen persönlichem nicht versicherten Lebensbereich; hierher gehören zB das Besorgen der Lohnsteuerkarte, das Eintragen eines Steuerfreibetrags (10 ObS 2458/96k = SSV-NF 11/14). Durch diese Rechtsprechung ist die Beurteilung des Berufungsgerichts gedeckt, dass die in erster Linie der Planung des weiteren Berufslebens der Klägerin dienende allgemeine Beratung über die gesetzlichen Möglichkeiten der Altersteilzeit bei einem dem Mitglied des Betriebsrats bekannten Sachbearbeiter des AMS bei Würdigung der Gesamtumstände des Falls dem privaten Bereich der Versicherten zuzurechnen ist. Dieser Wertung (vgl RIS-Justiz RS0084490) des Berufungsgerichts im Einzelfall steht - wie dieses zutreffend ausführte - nicht entgegen, dass die Klägerin den Termin während ihrer Arbeitszeit wahrnehmen durfte und von einem Mitglied des Betriebsrats begleitet wurde. Es ist nämlich schon im Hinblick darauf, dass für die Klägerin ein Altersteilzeitmodell mangels Erfüllung der Voraussetzungen aktuell nicht in Betracht kam, ein objektiver Anhaltspunkt dafür nicht gegeben, dass die Vorsprache beim AMS geeignet sein konnte, den Interessen des Arbeitgebers zu dienen. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin Umstände, weshalb die Vorsprache dennoch der versicherten Tätigkeit wesentlich dienen sollte, nicht behauptete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Schlagworte
12 Sozialrechtssachen,Textnummer
E93867European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00037.10D.0413.000Im RIS seit
13.06.2010Zuletzt aktualisiert am
04.10.2011