Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Dr. E. Solé gemäß § 62 Abs 2 KartG in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 2, Praterstraße 31, gegen die Antragsgegnerin D***** OG, *****, sowie dem Bundeskartellanwalt, Wien 1, Schmerlingplatz 11, als weitere Amtspartei wegen § 12 Abs 1 und 3 WettbG iVm Art 22 Abs 1 VO (EG) Nr 1/2003, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 18. Jänner 2010, GZ 24 Kt 34/09-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie zu lauten hat:
„Hausdurchsuchungsbefehl
Im kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren des Bundeskartellamts unter anderem gegen die D***** OG wegen vermuteten Verstoßes gegen § 1 GWB und Art 101 AEUV (ex Art 81 EG) durch wettbewerbswidrige Absprachen wird auf Antrag der um Amtshilfe ersuchten Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 12 Abs 1 und 3 WettbG iVm Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der D***** OG in *****, angeordnet.
Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung wird die Bundeswettbewerbsbehörde beauftragt.“
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte im Dezember 2009 die Anordnung einer Hausdurchsuchung gemäß § 12 Abs 1 und 3 WettbG iVm Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 in den Räumlichkeiten der Antragsgegnerin beginnend mit 21. 1. 2010. Das deutsche Bundeskartellamt habe im Zusammenhang mit dem bereits aus 16 Ok 7/09 bekannten Sachverhalt die Antragstellerin von der in Österreich notwendigen weiteren Nachprüfung unterrichtet. Im Zusammenhang mit der Durchführung vermuteter wettbewerbswidriger horizontaler Absprachen iSd Art 101 Abs 1 AEUV (ex Art 81 Abs 1 EG) betreffend den Markt für Feuerwehrfahrzeuge bzw Aufbauten für Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland ab 7,5 t hätten vier Unternehmen bzw Unternehmensgruppen, die zusammen weit über 90 % der in Deutschland nachgefragten Fahrzeuge absetzten, Quotenabsprachen getroffen und ein Marktinformationssystem installiert, das zumindest bis Mai 2009 angedauert habe und über einen in der Schweiz ansässigen Wirtschaftstreuhänder abgewickelt worden sei. Dieser habe für Leistungen in der Zeit von März 2001 bis Februar 2009, wie zB die Vorbereitung und Organisation von Treffen, Berechnung und Verteilung von Quoten aufgrund gemeldeter Daten und Änderungen dieser während der Treffen, sowie Reservierung von Sitzungsräumen und Bewirtung der Teilnehmer der Treffen, Honorarnoten gelegt, die zum Teil über Anweisung der Kartellmitglieder auf Dritte, darunter auch die Antragsgegnerin, ausgestellt worden seien. Aufgrund der Weisungen der beteiligten Unternehmen habe der Wirtschaftstreuhänder unter dem „Betreff“ der Honorarnoten fiktive Leistungsgründe angegeben. Den Honorarnoten seien Leistungsjournale mit Auflistungen der tatsächlich erbrachten Leistungen beigefügt worden. An die Antragsgegnerin seien solche Honorarnoten samt Leistungsjournalen im Mai 2001, Februar 2004 und Februar 2006 ausgestellt und von dieser bezahlt worden.
Das deutsche Bundeskartellamt habe nunmehr auch gegen die Antragsgegnerin ein Verfahren eingeleitet, weil die Aussagen und Urkundenvorlagen des Schweizer Wirtschaftstreuhänders als Kronzeugen den begründeten Verdacht nahelegten, dass auch die Antragsgegnerin im Sinne der Judikatur zu „AC-Treuhand AG“ Beiträge zu dem vermuteten rechtswidrigen Kartell durch Entgegennahme und Bezahlung der Honorarnoten erbracht und bewirkt habe, dass die Verbindungen der unmittelbar beteiligten Unternehmen zur kartellbuchhaltenden Stelle in der Schweiz vertuscht, direkte Zahlungsströme in die Schweiz vermieden und die Rechnungen nicht in den Unternehmen selbst aufbewahrt wurden. Dadurch hätten sich die am Kartell direkt beteiligten Unternehmen sicherer gefühlt und eine fortgesetzte Beteiligung an der Kartellabsprache wagen können. Diese Abwicklung sei mehrmals erfolgt, ohne dass die Antragsgegnerin beim Schweizer Wirtschaftstreuhänder rückgefragt habe. Sie müsse informiert gewesen sein, nachdem sie Rechnungen ohne Hinweise auf den eigentlichen Rechnungsempfänger bezahlt habe. Darüber hinaus habe sich aus den Leistungsbeschreibungen ersehen lassen, dass die erfassten und ausgewerteten Daten einerseits unmittelbar zurückliegende Zeiträume und andererseits Wettbewerbsunternehmen der Klientin der Antragsgegnerin betroffen hätten. Einem speziell im Wirtschaftsrecht tätigen Rechtsanwalt mit langer Berufserfahrung habe daher nicht verborgen bleiben können, dass zumindest ein kartellrechtlich bedenkliches Marktinformationssystem betrieben werde, wenn nicht sogar direkte Absprachen bestünden. Es bestehe daher der Verdacht, dass die Zahlungen bewusst und gewollt veranlasst worden seien und dass zumindest bedingter Vorsatz in Bezug auf die Haupttat vorgelegen habe.
Die Hausdurchsuchung sei erforderlich und angemessen, um weitere Beweismittel sicherstellen zu können.
Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Hausdurchsuchung im einseitigen Verfahren ab. Das auf eine Sachverhaltsdarstellung gestützte Vorbringen der Antragstellerin sei teilweise unrichtig und teilweise unschlüssig; der Antragsgegnerin würden keine konkreten Vorwürfe gemacht. Die Behauptung, es sei ungewöhnlich, wenn ein Anwalt Rechnungen für seinen Mandanten zahle, sei durch nichts bewiesen, nicht notorisch und hänge einzig und allein von der Vereinbarung zwischen Mandant und Anwalt ab. Dass die Antragsgegnerin über den Zusammenhang der Rechnungen mit ihrem Klienten informiert gewesen sein müsse, sei zwar richtig. Welche Verbindung dies im speziellen gewesen sei und was die tatsächlichen Tätigkeiten des Schweizer Wirtschaftstreuhänders gewesen seien, habe die Antragsgegnerin aber nicht wissen müssen. Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, dass sich ein Anwalt, an den eine Rechnung adressiert sei, bei einem Projekt, das nach den Leistungsjournalen oder der Vereinbarung einem Mandanten zuzuordnen sei, mit jeder einzelnen - kleingeschriebenen - Position des Leistungsjournals auseinandersetze. Es sei nicht fernliegend, dass die Antragsgegnerin davon habe ausgehen dürfen, dass es sich um unverfängliche Treffen ihrer Mandantschaft mit anderen Unternehmen unter Einbeziehung eines Wirtschaftsprüfers gehandelt habe. Es könne nicht als bescheinigt angenommen werden, dass die Antragsgegnerin durch die abgewickelten Zahlungen billigend in Kauf genommen habe, eine kartellrechtswidrige Tat zu fördern. Durch die vorgelegten Schriftstücke habe sich ein begründeter Verdacht gegen die Antragsgegnerin nicht erhärtet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Hausdurchsuchung anzuordnen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
1. Die Antragstellerin macht geltend, dass die subjektive Tatbildverwirklichung für den begründeten Verdacht als Voraussetzung für die Anordnung einer Hausdurchsuchung nach § 12 Abs 1 WettbG nicht notwendig sei. Es genüge, dass die Antragsgegnerin objektiv einen Beitrag zur Verschleierung der Kartellverstöße geleistet habe. Die bisherigen Ermittlungen begründeten aber einen solchen objektiven Verdacht. Ein anderes Verständnis des begründeten Verdachts iSd § 12 Abs 1 WettbG würde die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der EU erheblich beeinträchtigen und Art 22 VO (EG) 1/2003 den Boden entziehen, was dem Effektivitätsgebot zuwider laufe. Die Beweiswürdigung des Beschlusses sei insofern lückenhaft, als die vom Kronzeugen vorgelegten Kontoauszüge bewiesen, dass die Antragsgegnerin den Tatbeitrag objektiv geleistet habe.
Die Prüfung, ob die Antragsgegnerin subjektiv vorwerfbar gehandelt habe, sei auch deshalb für die Zulässigkeit der Hausdurchsuchung unerheblich, weil bei ihr nicht nur Unterlagen über den eigenen Tatbeitrag gefunden werden sollten, sondern auch solche über die Haupttäter, insbesondere ihren Klienten.
2. Gemäß Art 22 der VO (EG) 1/2003 darf die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts im Namen und für Rechnung der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats alle Nachprüfungen und sonstige Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 81 oder 82 des Vertrags (nunmehr Art 101, 102 AEUV) vorliegt. Nach Erwägungsgrund 28 der genannten Verordnung sollten die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten mehr Möglichkeiten zu einer wirksamen Anwendung der genannten Bestimmungen des Vertrags erhalten, indem sie einander im Rahmen von Nachprüfungen und anderen Maßnahmen zur Sachaufklärung Unterstützung gewähren können. Es geht daher um die Gewährung von Amtshilfe bei der Ermittlung von Verstößen gegen die europäischen Wettbewerbsregeln (Dalheimer/Feddersen/Miersch, EU-Kartellverfahrensver-ordnung Art 22 Rz 2 f).
3. Nach innerstaatlichem Recht (§ 12 WettbG) hat das Kartellgericht, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen eines begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen §§ 1, 5 oder 17 KartG oder Art 81 oder 82 EG (nunmehr Art 101, 102 AEUV) eine Hausdurchsuchung anzuordnen.
4. Begründet ist ein Verdacht dann, wenn er sich begründen, also rational nachvollziehbar dartun lässt. Dafür müssen Tatsachen vorliegen, aus denen vertretbar und nachvollziehbar geschlossen werden kann, dass eine Zuwiderhandlung gegen die im Gesetz genannten Wettbewerbsbestimmungen vorliegt (vgl ähnlich zum „gegründeten“ Verdacht im Zusammenhang mit § 139 StPO aF Tipold/Zerbes WK-StPO § 139 StPO aF Rz 31). Der begründete Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die im Gesetz genannten wettbewerbsrechtlichen Vorschriften muss sich grundsätzlich nicht gegen die Person richten, in deren Räumlichkeiten die Hausdurchsuchung anzuordnen ist (vgl dazu auch Dalheimer/Feddersen/Miersch, EU-Kartellverfahrensordnung Art 20 Rz 48). Insoweit kann es daher nicht auf die subjektive Tatseite dieser Person ankommen.
5. Davon zu unterscheiden ist, dass der begründete Verdacht eines bestimmten Wettbewerbsverstoßes eines oder mehrerer Unternehmen vorhanden sein muss. Der Verstoß gegen das Kartellverbot setzt seinerseits eine Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen voraus, worunter jede Form der Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmen zu verstehen ist, die nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz § 1 Rz 29). Dafür ist ein subjektives Element und nicht nur ein rein objektives Tatgeschehen notwendig.
Insoweit müssen die subjektiven Voraussetzungen auch bei der Willensäußerung des Mittäters/Gehilfen erfüllt sein (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008 - AC-Treuhand/Kommission, T 99/04, Rz 134 u 151).
6. Näheres zum Inhalt bzw den Voraussetzungen der Anordnung einer Hausdurchsuchung enthält das WettbG nicht. In der korrespondierenden Bestimmung für Nachprüfungsbefugnisse der Europäischen Kommission, Art 20 der VO (EG) 1/2003, werden die Inhaltserfordernisse eines solchen Auftrags dahin geregelt, dass Gegenstand und Zweck der Nachprüfung bezeichnet werden müssen. Es sind ein Anfangsverdacht sowie die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme notwendig. Für das Bestehen eines Anfangsverdachts müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Bloße Spekulationen reichen ebenso wie offensichtlich unbegründete oder zu vage gehaltene Verdachtsmomente nicht aus. In der Praxis wird der erforderliche Anfangsverdacht zumeist auf formelle oder informelle Beschwerden oder Informationen zB aufgrund der Inanspruchnahme der Kronzeugenregelungen gestützt (Burrichter in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG/Teil 24, Art 20 VO 1/2003 Rz 7 sowie Art 18 VO 1/2003 Rz 9).
Gegenstand und Zweck der Nachprüfung sind anzugeben, um das betroffene Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Berechtigung der Nachprüfung nachzuvollziehen, ihre Mitwirkungspflicht zu erkennen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zur Wahrung ihrer Verteidigungsrechte zu ergreifen. Der Prüfungsauftrag bzw die Prüfungsentscheidung muss möglichst genau angeben, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung bezieht. Es muss zwar der Informationsstand nicht vollständig offengelegt werden, es muss aber unmissverständlich klar gemacht werden, welchen Vermutungen nachgegangen werden soll. Eine ausforschende Nachprüfung („fishing expedition“) ist unzulässig (Bechtold/Brinker/Bosch/Hirsbrunner, EG Kartellrecht, Art 20 VO 1/2003 Rz 4 unter Hinweis auf EuGH Slg 1989, 2859, 2929 Hoechst und Slg 1989, 3137, 3159 Dow Benelux/Kommission; Burrichter in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG/Teil 24, Art 20 VO 1/2003 Rz 7).
Da auch nach Informationsquellen gesucht werden darf, die noch nicht bekannt sind, besteht aber keine Verpflichtung, bestimmte Unterlagen, auf die sich die Nachprüfung beziehen soll, in der Entscheidung zu benennen (Dalheimer/Feddersen/Miersch aaO Art 20 Rz 48).
7. Hier ergibt sich der konkrete Verdacht von Zuwiderhandlungen gegen EU-Wettbewerbsrecht, insbesondere Art 101 AEUV (ex Art 81 EG), bereits aus den in der Vorentscheidung 16 Ok 7/09 genannten Gründen.
Nach dem bereits erwähnten Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008 - AC-Treuhand/Kommission, T 99/04, können grundsätzlich auch Mittätern und/oder Gehilfen einer Gesamtzuwiderhandlung gegen Art 81 Abs 1 EG die Zuwiderhandlungen der jeweils anderen beteiligten Unternehmen zugerechnet werden, wenn die entsprechenden objektiven und subjektiven Zurechenbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind (Rz 146). Dies wurde im Fall einer Unternehmensberatung bejaht, die in voller Kenntnis der Umstände vorsätzlich Fachwissen für die Erreichung kartellrechtswidriger Zwecke zur Verfügung gestellt hatte und sich damit zumindest indirekt im Rahmen der Durchsetzung ihrer individuellen Dienstleistungsverträge am wettbewerbs- und rechtswidrigen Ziel des Kartells beteiligt hatte.
8. Im vorliegenden Fall wird der Tatverdacht nicht auf organisatorische Hilfestellung und Beratungstätigkeit im Zusammenhang mit der eigentlichen Kartellabsprache gestützt, sondern darauf, dass ein Beitrag zur Stabilisierung des Kartells geleistet worden sei, indem die Zahlungsströme und Verbindungen zwischen dem oder den kartellbeteiligten Unternehmen und der kartellbuchhaltenden Stelle vertuscht worden seien. Dieser Verdacht stützt sich auf die Honorarnoten, die weder einen Hinweis auf den vertretenen Mandanten noch darauf enthalten, dass die Antragsgegnerin die Leistungen beauftragt und in Anspruch genommen hätte. Dennoch wurden die dafür verrechneten rund 2.000 bis 4.000 CHF offenbar anstandslos und ohne Rückfrage beim Rechnungsleger bezahlt.
Bei dieser Sachlage muss vernünftigerweise vorausgesetzt werden, dass die Antragsgegnerin diese Honorarnoten zuordnen bzw weiterverrechnen konnte und daher über Informationen bzw Aufträge in diese Richtung verfügte. Damit besteht aber ein begründeter, rational nachvollziehbarer Verdacht, dass die Antragsgegnerin von den kartellrechtswidrigen Vorgängen zumindest in Grundzügen informiert war und daher auch ihren Beitrag erkennen konnte und billigte.
Dass es für die Handlungsweise der Antragsgegnerin möglicherweise auch andere Erklärungen gibt, entkräftet diese Verdachtslage nicht. Der Ausschluss anderer Erklärungen würde vielmehr bereits den Beweis der (Mit-)Täterschaft bedeuten.
Ob eine Hausdurchsuchung auch ohne diese Verdachtslage gegen die Antragsgegnerin selbst anzuordnen wäre, um die Verdachtslage gegen die unmittelbaren Kartellmitglieder weiter zu klären, muss daher nicht weiter geprüft werden. Die Frage allfälliger Wahrung von Berufsgeheimnissen (vgl Tipold/Zerbes in WK-StPO alt § 143 StPO aF Rz 25 ff) bzw des „legal privilege“ nach der Judikatur des EuGH (vgl Rs 155/79, Slg 1982, 1575 ff Tz 24, 27 - AM&S/Kommission) muss schon deshalb nicht erörtert werden, weil sich das Verfahren des Bundeskartellamts auch gegen die Antragsgegnerin richtet (vgl Tipold/Zerbes in WK-StPO alt § 143 StPO aF Rz 29).
9. Dass die Hausdurchsuchung zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, ergibt sich aus der konkreten Verdachtslage, weil Unterlagen bei der Antragsgegnerin vorhanden sein könnten, die nähere Aufklärung bzw Beweise für das Kartell und den Wissensstand der Antragsgegnerin davon erbringen könnten. An der Verhältnismäßigkeit bestehen bereits im Hinblick auf den Umfang und das zeitliche Ausmaß des vermuteten Kartells keine Bedenken.
Da somit die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 WettbG vorliegen, war dem Rekurs Folge zu geben und die im Amtshilfeweg beantragte Hausdurchsuchung zu genehmigen.
Schlagworte
Feuerwehrfahrzeuge II,Textnummer
E93755European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0160OK00002.100.0419.000Im RIS seit
02.08.2010Zuletzt aktualisiert am
26.02.2016