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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch MMag. Dr. Peter E. Pescoller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 3/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Juli 2000, Zl. IIb2-3-7-1- 545/1, betreffend Auftrag zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 Führerscheingesetz -FSG aufgefordert, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, nach dem Inhalt einer Anzeige des Gendarmeriepostens K. vom 19. März 2000 habe der Beschwerdeführer am 29. Jänner 2000 in stark alkoholisiertem Zustand in einem Lokal ständig herumgebrüllt und dabei die öffentliche Ordnung gestört. Darüber hinaus habe er Gäste im Lokal beschimpft. Der Beschwerdeführer habe "zumindest zum damaligen Zeitpunkt teilweise beruflich Kraftfahrzeuge gelenkt", weshalb unter diesem Blickwinkel eine Abklärung seiner gesundheitlichen Eignung notwendig erscheine. Zur Einleitung des Verfahrens betreffend die Erlassung einer Aufforderung genüge es, dass begründete Bedenken am aufrechten Bestand einer Erteilungsvoraussetzung bestehen. Es liege am Beschwerdeführer, die Zweifel an seiner Eignung zu zerstreuen, auch wenn dies mit Kosten und Mühen verbunden sei. Dem Beschwerdeführer sei jeweils wegen eines Alkoholdeliktes im Jahr 1977 die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Wochen und im Jahr 1990 für die Dauer von sechs Monaten entzogen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.
Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm zufolge § 26 Abs. 5 FSG die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG gehört zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung, dass der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).
§ 3 Abs. 1 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV lautet wie folgt:
"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
1.
die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
2.
die nötige Körpergröße besitzt,
3.
ausreichend frei von Behinderungen ist und
4.
aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen."
Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens betreffend Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung und damit auch für einen Aufforderungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 FSG ist, dass begründete Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4 FSG) noch gegeben sind (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120, und vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0185).
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides würde demnach begründete Bedenken voraussetzen, dass der Beschwerdeführer eine der in § 3 Abs. 1 FSG-GV genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung nicht erfüllt. Derartiges ist dem angefochtenen Bescheid aber nicht zu entnehmen, zumal sich die belangte Behörde bedeckt gehalten hat, hinsichtlich welcher der in den §§ 3 ff FSG-GV genannten Kriterien sie Bedenken hegt. Sofern mit dem Hinweis auf die Alkoholisierung des Beschwerdeführers am 29. Jänner 2000 und die in der Vergangenheit begangenen Alkoholdelikte der Verdacht begründet werden soll, beim Beschwerdeführer bestehe Alkoholabhängigkeit (§ 14 Abs. 1 FSG-GV), ist der belangten Behörde zu erwidern, dass ein einmaliger oder in großen zeitlichen Abständen vorkommender Alkoholmissbrauch dafür nicht ausreicht. Soweit das vom Beschwerdeführer am 29. Jänner 2000 an den Tag gelegte Verhalten genannt wird, ist mangels entsprechender Begründung der belangten Behörde nicht zu erkennen, welches der in den §§ 3 ff FSG-GV bezeichneten Kriterien der gesundheitlichen Eignung davon betroffen sein soll. Die durch das Verhalten des Beschwerdeführers allenfalls begangene Verwaltungsübertretung der Verletzung des öffentlichen Anstandes (§ 11 in Verbindung mit § 13 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes) rechtfertigt nicht begründete Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Jänner 2001
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110240.X00Im RIS seit
11.07.2001