Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer in der Strafsache gegen Marcus M***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. November 2009, GZ 28 Hv 38/08v-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcus M***** im zweiten Rechtsgang - abweichend von der in Richtung § 92 Abs 1 und Abs 3 letzter Fall StGB erhobenen Anklage - des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 2, 86 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 13. Juli 2006 in Innsbruck seine am 21. April 2006 geborene Tochter Vivian K***** durch heftiges Schütteln am Körper misshandelt, wobei die Tat Teilabrisse sowie vollständige Abrisse der Brückenvenen in deren Hinterkopfbereich, ein Subduralhämatom in Form eines insgesamt etwa handtellergroßen Blutkuchens am Hinterkopf zwischen harter und weicher Hirnhaut, ein Subarachnoidalhämatom und eine Marklagerblutung am rechten Hinterhauptlappen des Großhirns und somit den Tod des Säuglings zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung der Anträge auf 1) Verlesung eines vom Verteidiger vorgelegten Privatgutachtens eines Arztes der Abteilung Neuroradiologie des Universitätsklinikums Erlangen (Deutschland) und 2) „Einholung eines eigenständigen Sachbefundes aus dem Bereich der Neuroradiologie“, die beide zum Beweis dafür gestellt worden waren, dass zeitlich unterschiedliche Einblutungen im Gehirn des Tatopfers vorgelegen seien, sodass bereits früher stattgefundene Einblutungen „potentiell tödlich“ gewesen sein hätten können, welche nicht dem Angeklagten zuzurechnen seien (ON 41, S 27 iVm ON 40).
Zur formalen Abweisung des erstgenannten Antrags wird die Beschwerde darauf verwiesen, dass das Privatgutachten - wie sie letztlich selbst zugesteht (ON 50, S 5) - (ungeachtet des Fehlens einer dazu bestehenden gesetzlichen Verpflichtung [vgl Hinterhofer, WK-StPO § 125, Rz 24 ff]) ohnehin durch einvernehmlichen Vortrag des Vorsitzenden gemäß § 252 Abs 2a StPO in die Hauptverhandlung eingebracht worden ist (ON 41, S 29).
Zum zweiten Antrag wiederum wurde bei der - im bloßen Vortrag eines vor der Hauptverhandlung eingebrachten Schriftsatzes bestehenden - Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht dargelegt, warum - trotz der zwischenzeitig zum vorgelegten Privatgutachten in der Hauptverhandlung eingehend begründend Stellung beziehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. St*****, wonach eine weitere Befundung der vorliegenden Bilder der Magnetresonanztomographie vom 14. Juli 2006 keine Änderung seiner insbesondere aufgrund der Ergebnisse der von ihm durchgeführten Obduktion vom 20. Juli 2006 gewonnenen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen herbeiführen könne (ON 41, S 15 ff) - zu erwarten sei, dass die beantragte Beweisaufnahme das vom Beschwerdeführer behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Schöffengericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich den im Rechtsmittel referierten Ausführungen des Sachverständigen zur Entstehung der Einblutungen anschloss (US 8), sodass in diesem Punkt eine Undeutlichkeit nicht gegeben ist.
Dem weiteren Vorbringen zuwider haben die Tatrichter ihre Feststellungen zur subjektiven Tatseite zureichend begründet, waren sie doch berechtigt, aus objektiven Umständen und den Erfahrungen des täglichen Lebens Schlussfolgerungen auf die subjektive Vorhersehbarkeit des eingetretenen deliktischen Erfolgs zu ziehen (vgl RIS-Justiz RS0116882), wobei sie - entgegen der Beschwerde - auch die Verantwortung des (das angelastete Verhalten bereits in objektiver Hinsicht in Abrede stellenden) Angeklagten nicht unberücksichtigt gelassen haben (US 11 ff). Die Mängelrüge bekämpft in dieser Hinsicht in Wahrheit nur die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E93836European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00021.10T.0421.000Im RIS seit
10.06.2010Zuletzt aktualisiert am
10.06.2010