TE OGH 2010/4/21 7Ob45/10h

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Veröffentlicht am 21.04.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Mistelbach, gegen die beklagten Parteien 1.W***** S*****, und 2. R*****S*****, beide vertreten durch Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen Räumung, infolge „außerordentlicher Revision“ der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2009, GZ 21 R 248/09t-60, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 19. Juni 2009, GZ 20 C 18/07v-52, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger begehrte von den Beklagten, denen von seinen Rechtsvorgängern ein Gebrauchsrecht an einem Pferdestall samt Nebenräumen eingeräumt worden war, die Räumung der Liegenschaft. Die Beklagten nutzten die Räumlichkeiten vertragswidrig und entgegen ein gegen sie erwirktes Unterlassungsurteil weiter zu Wohnzwecken, was für den Kläger unzumutbare Nachteile zur Folge habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die dem Räumungsbegehren stattgebende erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Beklagten erhoben „außerordentliche Revision“, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.

Die Vorlage ist verfehlt:

Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten die Revisionsbeschränkungen nach § 502 Abs 2 und 3 (Unzulässigkeit der Revision im Hinblick auf den Wert des Entscheidungsgegenstands) für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten nicht, wenn dabei (unter anderem) über eine Räumung entschieden wird. § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst nach seinem klaren Wortlaut nur Streitigkeiten aus - soweit hier relevant - Bestandverträgen. Räumungsklagen sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann als Bestandstreitigkeiten im Sinn des § 49 Abs 2 Z 5 JN anzusehen, wenn sie aus der Beendigung eines Bestandverhältnisses resultieren (2 Ob 234/00a mwN ua), nicht hingegen, wenn sie sich - wie im vorliegenden Fall - auf die persönliche Dienstbarkeit eines Gebrauchsrechts beziehen (vgl etwa 7 Ob 152/99z, RIS-Justiz RS0042931 [T1] hinsichtlich der persönlichen Dienstbarkeit des Wohnrechts).

Zufolge des grundsätzlich bindenden (RIS-Justiz RS0042515) Bewertungsausspruchs des Gerichts zweiter Instanz (die Verletzung von zwingenden Bewertungsvorschriften [RIS-Justiz RS0042450] oder eine offenkundige Über- oder Unterbewertung [RIS-Justiz RS0118748] liegt nicht vor) und des Ausspruchs der Unzulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht ist gemäß § 502 Abs 3 ZPO auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall allerdings gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Berufungsgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf hierüber nur entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (2 Ob 20/09v mwN uva).

Das Erstgericht wird demnach das Rechtsmittel der Beklagten dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht,Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E93806

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00045.10H.0421.000

Im RIS seit

09.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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