Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei R***** D*****, vertreten durch Dr. Hanno Lechner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 36.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. November 2009, GZ 1 R 223/09t-19, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 6. Juli 2009, GZ 38 Cg 138/08d-15, abgeändert wurde, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Rechtliche Beurteilung
In der außerordentlichen Revision macht die Klägerin zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels unter anderem die Nichtigkeit der Berufungsentscheidung geltend. Das Berufungsgericht habe - trotz ausdrücklichen Antrags der Klägerin in der Berufungsbeantwortung, mündlich zu verhandeln - in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.
Aufgrund der ab 1. 7. 2009 in Geltung stehenden ersten beiden Absätze des § 480 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung des Art 15 Z 14 BBG 2009 ist die Entscheidung über die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung aber nunmehr gänzlich in das Ermessen des Berufungsgerichts übertragen (Fucik/Klauser/Kloiber, ZPO10, § 480 ZPO). Aus einer Nichtigkeit der Berufungsentscheidung ist die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision somit nicht abzuleiten.
Die behauptete Aktenwidrigkeit der vom Berufungsgericht angeblich nicht richtig wiedergegebenen Feststellung zum Zusammenhang zwischen der beglaubigten Unterzeichnung des Kaufvertrags und der Bezahlung des Kaufpreises liegt ebenfalls nicht vor. Entgegen dem Standpunkt der Revisionswerberin sind hier nämlich sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht von der Vereinbarung ausgegangen, dass „die Einzahlung des Kaufpreises binnen 7 Tagen nach beglaubigter Unterzeichnung des Vertrages zu leisten ist und der Kaufvertrag bis 16. 8. 2007 beim Notar unterfertigt werden muss.“
In der Mängelrüge macht die außerordentliche Revision geltend, die in erster Instanz siegreiche, im Berufungsverfahren hingegen unterlegene Partei könne „(fehlende) Feststellungen des Erstgerichts auch erst in der Revision bekämpfen“. Die Klägerin verweist auf ihr Vorbringen zu einem schuldhaften Fehlverhalten des Beklagten, das aus der Verletzung von Aufklärungs- und Informationspflichten hinsichtlich des drohenden Zwangspfandrechts auf der Liegenschaft und dem nach seiner Eintragung erfolgten Verkaufs der Liegenschaft an einen Dritten hinter dem Rücken der Klägerin abgeleitet wird. Mit diesem Tatsachenkomplex (mit dem sich das Erstgericht nicht befasst habe, weil er zur Überzeugung gelangt sei, das kein Vertragsrücktritt vorliege) hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen. Eine als erhebliche Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird damit nicht geltend gemacht, weil sich die Revisionsausführungen insoweit auf rechtliche Feststellungsmängel berufen, die der Rechtsrüge zuzuordnen sind.
In der Rechtsrüge beruft sich die Klägerin - im Wesentlichen - darauf, das Berufungsgericht hätte den Schlusssatz aus dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 24. 8. 2007 (Blg ./1) mit folgendem Wortlaut feststellen müssen:
„Der Kaufvertrag samt Nebenvereinbarung in der vorliegenden Form jedenfalls ist nicht zur Unterfertigung geeignet. Mein Mandant schlägt ein gemeinsames Gespräch zur Klärung der Frage vor, ob für den Abschluss eines Kaufvertrages noch eine Basis gefunden werden kann, vor.“
Daraus ergebe sich (und darin liege die Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht), dass der Beklagte (wie auch die Klägerin) nach wie vor am Vertrag festhielt und zu einem Gespräch einlud, um die offenen Fragen zu klären; von einem rechtswirksamen Rücktritt könne daher keine Rede sein. Zwischen den Vertragspartnern sei zwar am 10. 8. 2007 eine Frist vereinbart worden. Dabei habe es sich aber um keine Nachfristsetzung im Sinn des § 918 ABGB gehandelt. Die Erstellung einer grundbuchsfähigen Urkunde sei vielmehr aus dem Verschulden des Beklagten gescheitert (das diesbezügliche Vorbringen wurde bereits im Rahmen der Mängelrüge wiedergegeben).
Diese Ausführungen entfernen sich von den - für den Obersten Gerichtshof bindenden - Feststellungen der Tatsacheninstanzen:
Danach hat der Beklagtenvertreter im zitierten Schreiben namens des Beklagten gegenüber dem (von der Klägerin beauftragten) Vertragserrichter (Dr. S*****) nämlich ausdrücklich erklärt, dass der Beklagte sich einen Vertragsabschluss entsprechend der letzten Fassung des Kaufvertrags vom 1. 8. 2007 samt Nebenvereinbarung nicht vorstellen könne und den Vertragsentwurf nicht unterfertigen werde, weil er der Vereinbarung und dem Kaufanbot widerspreche. Im Übrigen war eine fristgemäße Unterfertigung des Kaufvertrags (bis 16. 8. 2007) zum Zeitpunkt der Verfassung des genannten Schreibens (24. 8. 2007) ohnehin nicht mehr möglich und ist auch später nicht erfolgt.
Dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten, diesem Schreiben abschließend zu entnehmenden Vorschlag des Beklagtenvertreters, (allenfalls) ein weiteres (nicht terminisiertes) Gespräch zur Klärung der Frage zu führen, ob „für den Abschluss eines Kaufvertrages noch eine Basis gefunden werden kann“, kommt für die vom Beklagten (zuvor) berechtigt verweigerte Unterfertigung des von der Klägerin vereinbarungswidrig formulierten Vertragsentwurfs (samt schlüssiger Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung) daher gar keine Bedeutung zu.
Was die von der Revisionswerberin bezweifelte Nachfristsetzung betrifft, ist von folgenden Feststellungen zur Vorgeschichte des genannten Schreibens auszugehen:
Nachdem das Kaufanbot bereits am 22. 6. 2007 unterfertigt worden war, einigten sich die Parteien am 18. 7. 2007 „in sämtlichen Punkten“, der Beklagte erhielt einen überarbeiteten Vertragsentwurf und es war vorgesehen, dass der Vertrag beim Notar beglaubigt unterfertigt werde.
Am 1. 8. 2007 scheiterte jedoch der erste Versuch, den Kaufvertrag beim Notar beglaubigt zu unterfertigen, weil - vereinbarungswidrig - über Veranlassung der Klägerin ein weiterer Vertragspunkt (bezüglich der Einräumung einer Dienstbarkeit) in den Vertragstext aufgenommen worden war. Der Beklagte stellte fest, dass dieser zusätzliche Punkt nicht der Kaufvertragsvereinbarung entsprach und es wurde veranlasst, dass diese Bestimmung vom Vertragsverfasser der Klägerin, Dr. S*****, aus dem Entwurf wieder entfernt werde.
Aufgrund eines Versehens blieb jedoch auch in der überarbeiteten Fassung des Liegenschaftskaufvertrags vom 1. 8. 2007 die diesbezügliche Aufsandungserklärung enthalten. Da sich der Beklagte wegen dieser einseitigen Vertragsänderung weigerte, auch den überarbeiteten Vertragsentwurf zu unterfertigen, fand am 10. 8. 2007 eine weitere Besprechung statt, bei der die bereits zitierte Vereinbarung mit folgendem Inhalt getroffen wurde:
Der Passus wird aus dem Vertrag gestrichen, die Einzahlung des Kaufpreises ist binnen 7 Tagen nach beglaubigter Unterzeichnung des Vertrags zu leisten und der Kaufvertrag muss bis 16. 8. 2007 beim Notar unterfertigt werden.
Eine Unterfertigung des Vertrags durch den Beklagten erfolgte letztlich jedoch nicht; bereits im Juli 2007 hatte sich nämlich das Problem ergeben, dass auf bestimmten Liegenschaften, zu Lasten derer Wegerechte zur Erschließung der von der Klägerin zu erwerbenden Liegenschaften vorgesehen waren, Zwangspfandrechte zugunsten der Ö***** AG einverleibt wurden, sodass eine erstrangige Einverleibung der Wegerechte nicht mehr möglich war. Der Vertragserrichter und Treuhänder Dr. S***** versuchte mit den beteiligten Banken, deren Verbindlichkeiten vom Beklagten durch den Liegenschaftsverkauf abgedeckt werden sollten, zu einer Lösung zu gelangen, eine verbindliche Lösung wurde jedoch nicht erzielt.
Davon ausgehend ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin mit der zuletzt am 10. 8. 2007 getroffenen Vereinbarung bereits eine Nachfrist gewährt wurde, wobei eine Unterfertigung des Kaufvertrags durch den Beklagten vorausgesetzt hätte, dass die Klägerin der von ihr übernommenen Verpflichtung zur Vorlage eines den tatsächlich getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Kaufvertragsentwurfs nachkommt, nicht zu beanstanden:
Da auch im Vertragsentwurf in der Fassung vom 1. 8. 2007 als Teil der „Verbücherungserklärungen“ die nicht vereinbarte Dienstbarkeit (Punkt VIII. 3. und 4.a in Blg ./D) enthalten war (ein den Vereinbarungen entsprechender Entwurf also nie vorgelegt wurde), ist die Berechtigung des Beklagten, die Unterfertigung dieses Vertragstextes zu verweigern, nämlich nicht in Zweifel zu ziehen; hat doch ein Vertragspartner grundsätzlich Anspruch darauf, dass ein Vertragsentwurf keine Bestimmungen enthält, die entweder gegen bereits bestehende Vereinbarungen oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und kann daher die Unterfertigung derartiger Entwürfe ablehnen (RIS-Justiz RS0017260).
Demgemäß kann die angesichts der dargestellten Verzögerungen (durch wiederholt nicht vereinbarungsgemäß formulierte Vertragsentwürfe) getroffene Vereinbarung, wonach die Einzahlung des Kaufpreises nunmehr binnen sieben Tagen nach beglaubigter Unterzeichnung des Vertrags zu leisten sei und der Kaufvertrag bis 16. 8. 2007 beim Notar unterfertigt werden müsse, jedenfalls als schlüssiger Rücktritt des Beklagten vom Vertrag für den Fall, dass dies innerhalb der gesetzten Frist wiederum nicht möglich sein sollte, verstanden werden. Die der Klägerin zur Verfügung stehende Nachfrist zur Vorlage eines - den Vereinbarungen entsprechenden - Vertragsentwurfs zwecks (beglaubigter) Unterfertigung ist aber am 16. 8. 2008 ungenützt abgelaufen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Angemessenheit der Nachfrist aufgrund der Umstände des einzelnen Falls zu beurteilen (7 Ob 131/07a mwN). Dabei ist auf die Interessen des Schuldners wie des Gläubigers Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0018458). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass eine Nachfrist keinesfalls zu kurz ist, wenn der Schuldner die Erfüllung während des Laufs der gewährten Nachfrist nicht in Angriff genommen hat und - wie hier - offensichtlich nicht in der Lage war, die Erfüllung in einer den Interessen des Gläubigers angemessenen Frist nachzuholen (RIS-Justiz RS0018452; 7 Ob 131/07a mwN).
Dies ist gerade im vorliegenden Fall zu bejahen; insoweit ist nämlich auch noch die Feststellung zugrunde zu legen, dass „der Beklagte aufgrund seiner angespannten finanziellen Situation zu einem raschen Verkauf der Liegenschaften gezwungen war und [bereits bei Unterfertigung des Kaufanbots am 22. 6. 2007] auf eine rasche Abwicklung des Kaufvertrags, insbesondere die rasche Begleichung des Kaufpreises drängte“, die an den dargestellten, von der Klägerin zu vertretenden Verzögerungen scheiterte.
Die Auffassung der zweiten Instanz, der Beklagte sei wirksam im Sinn des § 918 ABGB vom Vertrag zurückgetreten, stellt daher keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls dar.
Textnummer
E93761European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00267.09D.0421.000Im RIS seit
31.05.2010Zuletzt aktualisiert am
31.05.2010