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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 58, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. August 2000, Zl. RU6-St-F-0010, betreffend Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. November 1998 entzog die Bezirkshauptmannschaft Mödling dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, F und G für die Dauer von vier Monaten (gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 7. November 1998). Weiters wurden die Absolvierung einer Nachschulung und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens angeordnet. Grund für diese Maßnahme war eine am 7. November 1998 vom Beschwerdeführer als Lenker eines Pkws begangene Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (Alkoholmenge der Atemluft 0,97 mg/l).
Der Beschwerdeführer unterzog sich der Nachschulung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Gültigkeit der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A, B, C, F und G auf die Dauer eines Jahres, gerechnet ab Erstattung des von der belangten Behörde eingeholten amtsärztlichen Gutachtens, somit bis 18. Juli 2001, befristet. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, der Kraftfahrbehörde erster Instanz vor Ablauf der Befristung in halbjährlichem Intervall erhobene Befunde der alkoholassoziierten Parameter LFP und CTD vorzulegen.
Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf das von ihr eingeholte amtsärztliche Sachverständigengutachten vom 18. Juli 2000, in dem u.a. Folgendes ausgeführt wird:
"Bei der körperlichen Untersuchung findet sich ein unauffälliger somatischer Befund, und es werden keine psychopathologischen Auffälligkeiten beobachtet.
Alkoholspezifische und hochsensitive Laborwerte (CDT-Werte) wurden beigebracht und liegen für die Zeit April 99 bis Jänner 2000 vor, sie zeigen Werte im Normbereich. Für Jänner 1999 liegt ein unauffälliger Laborbefund vor, der die Transaminasen im Normbereich zeigt, ebenso wird ein Transaminasenwert vom Juni 2000 eingesehen, der im Normbereich ist. Diese Transaminasenwerte sind alkoholsensibel jedoch in geringerem Maße alkoholsensitiv.
Zusammenfassend mit den körperlichen Befunden lassen die erhobenen Laborbefunde die Aussage zu, dass jedenfalls für den Zeitraum 1999 bis zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung am 11.07.00 keine Hinweise für ein chronisches Alkoholmissbrauchsverhalten oder eine Alkoholabhängigkeit vorliegen.
Im Akt findet sich der Befund Prof. Dr. P., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 10.3.2000. Es wird zum Untersuchungszeitpunkt (28.2.2000) ein unauffälliger somatischer, neurologischer und psychischer Befund festgestellt. Es wird die Diagnose 'Status post chronischem Alkoholmissbrauch vom Gamma-Typ' gestellt. Bei der durchgeführten psychometrischen Untersuchung wird eine etwas reduzierte Aufmerksamkeitsspanne und eine knapp erhöhte Fehlerneigung festgestellt. Motorische Reaktionssicherheit und die Aufmerksamkeit unter Dauerbelastung waren im Normbereich, und es wurde die fachärztliche Empfehlung ausgesprochen, die Führerscheingruppe B befristet zu gewähren und wegen der höheren Leistungsanforderungen für die Gruppe 2 die Einhaltung der strikten Alkoholkarenz weiter zu beobachten.
Werden nunmehr die eigenen Untersuchungsbefunde, die fachärztlichen Befunde und die Laborbefunde zusammenfassend beurteilt, so kann ausgesagt werden, dass weitere Alkoholkarenz eingehalten werde.
Aus gutachterlicher Sicht ist derzeit die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gegeben. Aufgrund der fachärztlichen Diagnose scheint eine Befristung von einem Jahr sinnvoll zur Beobachtung der weiter einzuhaltenden Alkoholkarenz. Wiedervorstellung mit Laborbefunden (LFP und CTD in 6- Monatsabstand)."
Die belangte Behörde führte abschließend aus, aufgrund des nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachtens, an dessen Richtigkeit keine Zweifel bestünden, und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem nichts auf gleicher fachlicher Ebene entgegengesetzt habe, sei die Gültigkeit der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für alle Klassen zeitlich einzuschränken, und zwar unter der Bedingung, dass im Halbjahresabstand erhobene Befunde der alkoholassoziierten Parameter LFP und CTD vorgelegt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 1 Führerscheingesetz - FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die u.a. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).
§ 14 Abs. 1 und 5 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV lautet wie folgt:
Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.
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(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen."
Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, welche Bestimmungen der FSG-GV angewendet wurden. Das amtsärztliche Gutachten vom 18. Juli 2000, auf das sich der angefochtene Bescheid stützt, enthält keine Feststellungen, dass der Beschwerdeführer alkoholabhängig im Sinne des § 14 Abs. 1 erster Satz FSG-GV sei. Es wird auch kein Verdacht der Alkoholabhängigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 zweiter Satz FSG-GV begründet. Der Sachverständige geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass jedenfalls für den Zeitraum seit Jänner 1999 keine Hinweise für ein chronisches Alkoholmissbrauchsverhalten oder eine Alkoholabhängigkeit vorlägen. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 Abs. 1 FSG-GV sind demnach nicht erfüllt.
Auch § 14 Abs. 5 FSG-GV bietet keine Grundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung. Selbst wenn der Beschwerdeführer (vor Jänner 1999) alkoholabhängig gewesen sein oder gehäuften Alkoholmissbrauch begangen haben sollte, hätte ihm nach dieser Verordnungsstelle nur die Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen auferlegt werden dürfen. Eine Befristung ist für einen derart gelegenen Fall in der geltenden Rechtslage nicht vorgesehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2000, Zl. 2000/11/0057).
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde, will sie § 14 Abs. 5 FSG-GV für die Auferlegung der genannten Bedingung heranziehen, auf entsprechende Ermittlungen gegründete Sachverhaltsfeststellungen betreffend eine in der Vergangenheit gelegene Alkoholabhängigkeit des Beschwerdeführers oder einen gehäuften Alkoholmissbrauch zu treffen haben. Der im amtsärztlichen Sachverständigengutachten genannte fachärztliche Befund Dris. P. enthält die Diagnose "Status post chronischem Alkoholmissbrauch vom Gamma-Typ", doch kann mangels konkreter Ausführungen nicht beurteilt werden, ob und aufgrund welcher Beweise angenommen wird, der Beschwerdeführer sei alkoholabhängig gewesen oder habe mit Alkohol gehäuften Missbrauch begangen.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Jänner 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110258.X00Im RIS seit
09.03.2001