Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 26.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. November 2009, GZ 4 R 78/09h-18, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Jänner 2009, GZ 39 Cg 79/07x-12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.470,24 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 245,04 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen verboten der Beklagten insgesamt 20 Klauseln bestimmten oder sinngleichen Inhalts im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden, dh den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde zu legen oder sich auf diese Klausel in bereits abgeschlossenen Verträgen zu berufen, und erteilten weiters die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer bundesweiten Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der „Neuen Kronen-Zeitung“. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, AGB-Klauseln würden in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen und die Auslegung bisher noch nicht beurteilter AGB bilde grundsätzlich eine erhebliche Rechtsfrage.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, bildet eine erhebliche Rechtsfrage, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RIS-Justiz RS0121516).
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit Klauseln im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Finanzierungsleasinggeschäfte beschäftigt (zuletzt 7 Ob 230/08m, 3 Ob 12/09z, 4 Ob 59/09v und 5 Ob 159/09g).
Die dort ausgesprochenen Unterlassungsgebote erfassen nicht nur die jeweils konkret beanstandeten, sondern auch sinngleiche Klauseln, sodass unterschiedliche Formulierungen nicht per se eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen (5 Ob 159/09g).
Ob nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falls die Gefahr der Wiederholung des beanstandeten rechtswidrigen Verhaltens gegeben ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (stRsp, RIS-Justiz RS0042818, RS0031891, RS0042721). Die in Bezug auf mehrere verfahrensgegenständliche Klauseln relevierte Frage der Wiederholungsgefahr wäre daher nur dann aufzugreifen, wenn das Berufungsgericht das Vorliegen von Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Widerspruch zu den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beurteilt hätte. Dies ist hier nicht der Fall.
Die generelle Bestreitung der Rechtswidrigkeit aller beanstandeten Klauseln in diesem Verfahren sowie der Umstand, dass eine (teilweise) Abänderung von beanstandeten Geschäftsbedingungen - insbesondere was Klauseln anlangt, die nicht Gegenstand der vorprozessualen Abmahnung durch den Kläger waren - erst im Laufe des Verfahrens nach anfänglicher Bestreitung bzw die teilweise Einschränkung von vorprozessual abgegebenen Zugeständnissen führen zum Ergebnis, dass die berufungsgerichtliche Beurteilung der Wiederholungsgefahr keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung bildet (Klausel 2, Klausel 5 [aufgrund eines Zusatzes zur Unterlassungserklärung fällt die Wiederholungsgefahr nicht weg: 5 Ob 138/09v, 1 Ob 131/09k], ebenso Klausel 6, 8, 9, 10, 13, 16 und 20).
Sämtliche in diesem Verfahren strittigen Regelungen waren in dieser oder in sinngleicher Gestaltung bereits Gegenstand eines oder mehrerer Überprüfungsverfahren, im Zuge derer der Oberste Gerichtshof sinngleiche oder -ähnliche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Finanzierungsleasingverträge als rechtswidrig beanstandete und deren Verwendung verbot.
Eine der hier beanstandeten Klausel 1 ähnliche Bestimmung wurde zu 7 Ob 230/08m (dort Punkt 2.2 der Bedingungen) und zu 3 Ob 12/09z (dort Punkt 1.) verboten.
Der Oberste Gerichtshof hielt bereits mehrfach die Rechtswidrigkeit von die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers einschränkenden Klauseln in Leasingverträgen fest (RIS-Justiz RS0016641; zuletzt etwa 3 Ob 12/09z, 4 Ob 59/09v). Das in Klausel 2 enthaltene Schriftlichkeitsgebot sowie die weiteren Einschränkungen der Gewährleistungsansprüche (Mängelrügepflicht) des Verbrauchers wurden daher vom Berufungsgericht im Einklang mit den das Finanzierungsleasing betreffenden Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung als rechtswidrig beurteilt.
Die Frage der Zulässigkeit der in Klausel 3 geregelten Abtretung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen war bereits Gegenstand der Entscheidungen 7 Ob 230/08m (Punkt 4.1.) und 3 Ob 12/09z (Punkt 4). Die Hauptpflicht des Leasinggebers auf Verschaffung der ordnungsgemäßen Nutzungsmöglichkeit darf nicht durch Gefahrtragungs- und sonstige Freizeichnungsklauseln ausgehöhlt werden.
Eine der hier beanstandeten Klausel 4 ähnliche Klausel wurde bereits zu 4 Ob 59/09v als rechtswidrig erkannt (dort Klausel 5).
Abgesehen davon, dass der hier beanstandeten Klausel 5 vergleichbare Klauseln bereits zu 3 Ob 12/09z (dort Punkt 7. und 8.) verboten wurden, gehen die Revisionsausführungen auf die inhaltliche Zulässigkeit dieser Klausel gar nicht ein (releviert wird nur das schon erläuterte Thema der Unterlassungserklärung), dies gilt auch für die Klausel 6.
Auch die hier beanstandete Klausel 7 weist einen bereits in der Rechtsprechung behandelten Inhalt auf (vgl Klausel 5 in 4 Ob 59/09v).
Zur Klausel 8 ist auf die Entscheidung 3 Ob 12/09z (Punkt 14. der Begründung) zu verweisen.
Die hier beanstandete Klausel 9 ist der zu 3 Ob 12/09z behandelnden Klausel 1 ähnlich; deren Verwendung wurde als rechtswidrig untersagt (unzulässige Überwälzung des Lieferrisikos).
Zur Rechtswidrigkeit der Klausel 10 nimmt die Revision gar nicht Stellung (zur Frage der Wiederholungsgefahr wurde schon Stellung genommen).
Zu 5 Ob 266/02g (= SZ 2002/154) hat der Oberste Gerichtshof eine mit der hier beanstandeten Klausel 11 wortgleiche Bestimmung bereits als rechtswidrig beurteilt (Punkt 2. der Begründung).
Die in den hier beanstandeten Klauseln 12, 13 und 14 enthaltenen Regelungen hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 3 Ob 12/09z (Punkt 12. der Begründung) geprüft und für unzulässig befunden; auch zu 7 Ob 230/08m (Punkt 8.1.) wurden ähnliche Regelungen als rechtswidrig beurteilt. Dies gilt auch für den Inhalt der hier beanstandeten Klauseln 15 und 16 (7 Ob 230/08m Punkt 1. und 9.2. sowie 3 Ob 12/09z Punkt 2., 13. und 14.).
Auch die Beurteilung der Klausel 17 durch das Berufungsgericht folgt den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die - kundenfeindlichste Auslegung zugrunde gelegt - jede Einschränkung der Gewährleistung zum Nachteil des Verbrauchers ebenso verbietet wie die Überwälzung des Lieferrisikos (siehe zur Gewährleistungseinschränkung: 4 Ob 59/09v, Klausel 5; 3 Ob 12/09z, Klausel 4; zur unzulässigen Überwälzung des Lieferrisikos: 3 Ob 12/09z, Klausel 2).
Die Verwendung einer der hier beanstandeten Klausel 18 dem Sinn nach gleichen Klausel hat der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 59/09v (dort Klausel 22) die dortigen berufungsgerichtlichen Ausführungen ausdrücklich billigend bereits verboten.
Eine der hier beanstandeten Klausel 19 gleiche Klausel wurde zu 7 Ob 230/08m (Punkt 3.1., Klausel 4) wegen gröblicher Benachteiligung für unzulässig erkannt.
Die Rechtswidrigkeit des Inhalts der hier beanstandenden Klausel 20 bestreitet die Revisionswerberin nicht (mehr), weshalb sich auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO stellt. Zum Thema der Wiederholungsgefahr wurde schon Stellung genommen.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO; der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.
Textnummer
E93996European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00035.10H.0428.000Im RIS seit
25.06.2010Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011