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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs2 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des F in Telfs, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Josef-Schöpf-Straße 1/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Mai 1997, Zl. 1997/4/6-6, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes,
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Herabsetzung der Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe richtet, zurückgewiesen;
2. zu Recht erkannt:
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck legte dem Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 6. März 1996 zur Last, er habe vorsätzlich die rechtswidrige Ausreise zweier namentlich genannter Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina beim Grenzübertritt am 22. September 1995 von Österreich nach Deutschland gefördert. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 80 Abs. 2 iVm § 80 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, begangen, wofür eine Geldstrafe von S 40.000,--
(Ersatzfreiheitsstrafe 80 Tage) verhängt wurde.
Mit Bescheid vom 20. Jänner 1997 änderte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck von Amts wegen gemäß § 52a VStG 1991 das genannte Straferkenntnis vom 6. März 1996 hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe dahin ab, dass im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von lediglich zwei Wochen zu treten habe.
Gegen beide Bescheide brachte der Beschwerdeführer mündlich am 7. Februar 1997 Berufung ein. Er wendete gegen das Straferkenntnis vom 6. März 1996 und den Bescheid vom 20. Jänner 1997 ein, dass das ganze Verfahren vom Gesetz her nicht erlaubt sei, weil er bereits in Deutschland wegen Schlepperei bestraft worden sei und er wegen einer Straftat nicht zweimal verurteilt werden dürfe. Er habe in Österreich keine Straftat begangen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (die belangte Behörde) wies die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 6. März 1996 als verspätet zurück und gab der Berufung gegen den Bescheid vom 20. Jänner 1997 dahin Folge, als die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen auf zehn Tage herabgesetzt wurde.
Begründend führte die belangte Behörde aus, das angefochtene Straferkenntnis vom 6. März 1996 sei dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 12. März 1996 zugestellt worden. Die gemäß § 63 Abs. 5 AVG vorgesehene 14-tägige Berufungsfrist sei somit bereits am 26. März 1996 abgelaufen. Der Beschwerdeführer habe gegen ein bereits seit über einem Jahr formell rechtskräftiges Straferkenntnis berufen, sodass diese Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei. Daran ändere auch die Teilabänderung hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe nichts, weil der nichtabgeänderte Teil des Straferkenntnisses unverändert rechtskräftig geblieben sei.
Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 20. Jänner 1997 hingegen sei dem Beschwerdeführer am 23. Jänner 1997 ebenfalls durch Hinterlegung zugestellt worden. Die am 7. Februar 1997 erhobene Berufung sei zwar einen Tag verspätet eingebracht worden. Da der Beschwerdeführer nach seiner Behauptung in dieser Zeit jedoch ortsabwesend gewesen sei, sei zu seinen Gunsten angenommen worden, dass er erst an diesem Tag von der Zustellung Kenntnis erlangt habe und erst mit diesem Tag die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen habe. Die Berufung sei sohin rechtzeitig eingebracht worden.
In der Sache selbst sei der Erstbehörde, die mit Bescheid vom 20. Jänner 1997 die verhängte gesetzwidrige Ersatzfreiheitsstrafe von 80 Tagen herabgesetzt habe, an sich zuzustimmen. Die belangte Behörde könne der erstinstanzlichen Entscheidung allerdings nicht dahin folgen, dass das nach § 16 Abs. 2 VStG normierte Höchstmaß an Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden sei, zumal im gegenständlichen Fall eine Geldstrafe von S 40.000,-- ausgesprochen und der Strafrahmen von S 200.000,-- somit lediglich mit 20 % ausgeschöpft worden sei. Die Verhängung des gesetzlich zulässigen Höchstausmaßes hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe wäre sohin unangemessen.
Der Verfassungsgerichtshof trat mit Beschluss vom 16. Oktober 1997 (B 1637/97) die an ihn gerichtete Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
1. Zu Spruchteil 1:
Erlässt die Berufungsbehörde einen auf § 52a Abs. 1 VStG gestützten Bescheid, mit dem eine Neufassung des Bescheidspruchs (umfassend alle Spruchelemente des § 44a VStG) erfolgt, so scheidet der erste Berufungsbescheid aus dem Rechtsbestand aus und wird durch den neuen (auf § 52a Abs. 1 VStG gestützten) Bescheid ersetzt. Der neue Bescheid tritt an die Stelle des ursprünglichen. Die hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 98/03/0036) räumt einem Beschwerdeführer im Fall der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Klaglosstellung infolge Erlassung eines den angefochtenen Bescheid abändernden Bescheides der Berufungsbehörde nach § 52a VStG ein Beschwerderecht gegen letzteren Bescheid ein. In dieser Beschwerde können alle Gründe, die in der Beschwerde gegen den früheren Bescheid vorgebracht worden sind, denen aber mit dem Bescheid nach § 52a VStG nicht Rechnung getragen worden ist, vorgebracht werden. Ist mit dem neuen Bescheid der vom Beschuldigten angestrebte Rechtszustand nicht bewirkt worden, so ist er berechtigt, gegen den neuen Bescheid innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 VwGG, gerechnet ab Zustellung des neuen Bescheides, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0081). Derjenige jedoch, der einen (erstinstanzlichen) Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt bzw. einen letztinstanzlichen Bescheid vor dem VwGH nicht bekämpft hat, kann im Fall der Erlassung eines auf § 52a VStG gestützten neuen Bescheides diese Entscheidung nur insoweit bekämpfen, als eine seine Rechtstellung verschlechternde Entscheidung getroffen wurde (Hauer/Leukauf, Handbuch5, Anm. 6 zu § 52a VStG).
Da vorliegend der nach § 52a VStG erlassene Bescheid im Vergleich zu dem - wie noch darzulegen sein wird - in Rechtskraft erwachsenen (ursprünglichen) Bescheid lediglich eine Besserstellung bewirkt hat, konnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe weiter herabgesetzt wurde, nicht in Rechten verletzt werden. Eine andere Auslegung würde zu dem unvertretbaren Ergebnis führen, dass durch eine die Rechtsstellung des Beschwerdeführers bloß verbessernde Entscheidung die bereits abgelaufene Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels nunmehr wieder offen stünde.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Herabsetzung der Höhe der Ersatzfreiheitsstrafe richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
2. Zu Spruchteil 2:
Der Beschwerdeführer erblickt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, dass die belangte Behörde keine Ermittlungen in Bezug auf die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Straferkenntnisses vom 6. März 1996 durchgeführt hat.
Wie sich den Verwaltungsakten (insbesondere dem darin befindlichen Rückschein zum genannten Straferkenntnis und einem Aktenvermerk vom 15. März 1996) entnehmen lässt, wurde im Rahmen eines zweiten Zustellversuches am 12. März 1996 die Verständigung über die Hinterlegung an der Abgabestelle zurückgelassen, das Schriftstück in der Folge noch am selben Tage vormittags beim Postamt Telfs behoben und am 13. März 1996 ein Ratenzahlungsersuchen eingebracht. Das Vorbringen im Verwaltungsverfahren beinhaltet lediglich eine Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers im Zeitraum Jänner 1997 (nach Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers war dieser im Zeitraum November 1996 bis April 1997 ortsabwesend).
Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 96/03/0337) sind Zustellmängel entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Diesem Erfordernis wird in der Beschwerde nicht entsprochen, weshalb sich die Zurückweisung der Berufung nicht als rechtswidrig erweist.
Die Beschwerde war somit in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahren beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Jänner 2001
Schlagworte
Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68Verwaltungsgerichtsbarkeit Bescheidcharakter von Erledigungen nach AVG §68Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1997210734.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
29.06.2009