TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/24 99/16/0117

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Veröffentlicht am 24.01.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1N;
E3R E02202000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11994NN06 EU-Beitrittsvertrag Anh6 Z9;
31992R2913 ZK 1992 Art221 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art221 Abs3;
31992R2913 ZK 1992 Art4 Z10;
BAO §207 Abs2;
EURallg;
VwRallg;
ZollG 1988 §174 Abs3 litc;
ZollG 1988 §174 Abs4;
ZollG 1988 §3 Abs1;
ZollRDG 1994 §1 Abs1;
ZollRDG 1994 §122 Abs2 idF 1998/I/013;
ZollRDG 1994 §122 Abs2;
ZollRDG 1994 §74 Abs2;
ZollRDGNov 03te 1998;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Helfried Krainz, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 57, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 15. Februar 1999, Zl. ZRV 148/1-3/1999, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Juni 1996 schrieb das Hauptzollamt Linz dem Beschwerdeführer die gemäß § 174 Abs. 3 lit. c und Abs. 4 ZollG 1988 iVm § 3 Abs. 2 ZollG 1988 kraft Gesetzes entstandene Eingangsabgabenschuld von S 2,114.853,-- an Zoll, S 3,118.616,-- an Einfuhrumsatzsteuer sowie Säumniszuschlag in der Höhe von S 104.698,-- vor. Dies mit der Begründung, Ermittlungen des Zollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz hätten ergeben, dass anlässlich der Einfuhr von insgesamt 122 unfallbeschädigten PKW im Zeitraum zwischen 28. Dezember 1987 und 8. Mai 1992 in den jeweiligen Anmeldungen zu niedrige Werte erklärt worden seien. Durch diese unrichtigen Erklärungen seien die Eingangsabgaben zunächst zu niedrig festgesetzt worden. Die Eingangsabgaben würden auf Grund der im Ermittlungsverfahren erhobenen tatsächlichen Bemessungsgrundlagen neu festgesetzt und nacherhoben.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stattgegeben und dieser wurde wie folgt geändert:

"Es wird festgestellt, dass gemäß § 174 Abs. 3 lit. c i.V.m.

§ 3 Abs. 2 Zollgesetz (ZollG), BGBl. Nr. 129/1955 bzw. 644/1988 in der jeweils geltenden Fassung, für (den Beschwerdeführer) für gebrauchte, unfallbeschädigte Personenkraftwagen (lt. Anlage 1) eine Abgabenschuld in der Höhe von insgesamt S 1,795.160,00 (Zoll S 1,777.146,00, AF-Beitrag S 18.014,00) kraft Gesetzes entstanden und gemäß § 175 Abs. 1 i.V.m. § 174 Abs. 3 ZollG zugleich mit ihrem Entstehen fällig geworden ist. Weiters wird gemäß §§ 217 bis 221 BAO ein Säumniszuschlag in der Höhe von S 3.514,00 festgesetzt. Soweit die Abgabenschuld vor dem 1. Jänner 1992 entstanden ist, ist für den Säumniszuschlag gemäß § 207 Abs. 2 i. V.m. § 208 BAO die Verjährung eingetreten. Die Einfuhrumsatzsteuer wird gemäß § 181 Abs. 2 ZollG 1988 nicht nacherhoben."

In der Begründung heißt es, durch die näher dargestellten Ermittlungsergebnisse sei die Glaubwürdigkeit der zur Verzollung vorgelegten Kaufverträge bzw. Rechnungen als Nachweis des geschuldeten Entgelts bzw. Kaufpreises nicht gegeben. Es sei gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen anzunehmen, dass in den Warenerklärungen/Anmeldungen lt. Anlage 1 ein zu geringer Zollwert erklärt worden sei. Dadurch sei der Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. c ZollG 1988 erfüllt worden. In der Begründung wurde weiters eingehend dargestellt, wie die belangte Behörde die Bemessungsgrundlagen ermittelt hat. Von der Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer sei nach § 181 Abs. 2 Zollgesetz Abstand genommen worden. Nach den für den Zeitraum zwischen Dezember 1987 und Mai 1992 anzuwendenden Bestimmungen des AF-Beitragsgesetzes sei der AF-Beitrag vorzuschreiben gewesen. Der Säumniszuschlag sei wegen eingetretener Verjährung nur in den Fällen vorzuschreiben gewesen, in denen der Abgabenanspruch nach dem 1. Jänner 1992 entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung der Eingangsabgaben verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Rücksicht darauf, dass Österreich nach Anhang VI Z. 9 des EU-Beitrittsvertrages, BGBl. Nr. 45/1995, berechtigt ist, in Fällen der vor dem Beitritt entstandenen Zollschuld die Nacherhebung nach seinen Vorschriften und zu seinen Gunsten vorzunehmen, sind in solchen Fällen noch die materiellen und formellen Bestimmungen des ZollG 1988 anwendbar, sofern nicht anderes ausdrücklich geregelt ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1999, Zl. 96/16/0073).

Ab 1. Jänner 1995 sind für die nach dem Beitritt zur Europäischen Union entstandenen Eingangsabgaben die Verjährungsbestimmungen des § 74 Abs. 2 ZollR-DG für vor dem Beitritt zur EU entstandenen Eingangsabgaben aber die vor dem 1. Jänner 1995 in Kraft gestandenen Verjährungsbestimmungen anzuwenden. Mit dem Inkrafttreten der dritten ZollR-DG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 13/1998, gelten ab 9. Jänner 1998 die Verjährungsbestimmungen des § 74 Abs. 2 ZollR-DG auch für die vor dem Beitritt zur Europäischen Union entstandenen Abgabenschuldigkeiten, weil der Begriff Vorschreibung im § 122 Abs. 2 ZollR-DG seitdem auch die Verjährung mitumfasst.

Nach Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Konnten die Zollbehörden jedoch auf Grund einer strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln, so kann die Mitteilung noch nach Ablauf der genannten Dreijahresfrist erfolgen, sofern dies nach dem geltenden Recht vorgesehen ist.

Gemäß § 74 Abs. 2 ZollR-DG beträgt die Verjährungsfrist bei Eingangs- und Ausgangsabgaben drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt diese Frist zehn Jahre, bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben jedoch nur dann, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten. Die Verjährungsfrist bei anderen Geldleistungen bestimmt sich nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften.

Im Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld war das Zollgesetz 1988 anzuwenden. Nach § 3 Abs. 1 dritter Satz dieses Gesetzes sind die Zölle und die neben den Zöllen nach Maßgabe der betreffenden Abgabengesetze von den Zollämtern zu erhebenden sonstigen Abgaben Eingangs- und Ausgangsabgaben im Sinne dieses Bundesgesetzes.

Nach § 3 Abs. 2 ZollG 1988 finden die neben den Zöllen zur Erhebung gelangenden sonstigen Abgaben die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß Anwendung, sofern in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Abgabengesetzen nicht anderes bestimmt ist.

Im Beschwerdefall entstand anlässlich der Einfuhren der Waren die Zollschuld und damit die Abgabenschuld für alle anlässlich der Einfuhren zu erhebenden Abgaben, daher auch für die Einfuhrumsatzsteuer und den AF-Beitrag. Diese Abgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und AF-Beitrag) sind die im Beschwerdefall zu erhebenden Eingangsabgaben.

Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Einfuhrabgaben, der im ZK näher umschrieben wird, kann sich ohne ausdrückliche Regelung nicht auch auf die vor dem Beitritt Österreichs nach dem ZollG 1988 nach den nationalen Vorschriften zu Gunsten Österreichs zu erhebenden Abgaben beziehen, weil der ZK zwar die Erhebung der Einfuhrabgaben aber nicht der Eingangsabgaben regelt. Aus den nach den Bestimmungen des ZollG 1988 entstandenen Eingangsabgabenschuldigkeiten wurden mangels einer entsprechenden Regelung im ZollR-DG durch die Anwendung der Bestimmungen des ZK und des ZollR-DG über die Festsetzungsverjährung keine Einfuhrabgabenschuldigkeiten. Daher sind für alle Eingangsabgaben des ZollG 1988 die Verjährungsbestimmungen über die im § 74 Abs. 2 ZollR-DG geregelten Eingangsabgaben und nicht über die Einfuhrabgaben anzuwenden.

Nach der Bestimmung des § 74 Abs. 2 ZollR-DG beträgt die Verjährungsfrist für die Eingangsabgaben Zoll und Außenhandelsförderungsbeitrag drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Wenn diese jedoch hinterzogen wurden beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld.

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 15. Februar 1999 hatte die belangte Behörde die ab 9. Jänner 1998 ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getretenen Verjährungsbestimmungen des § 74 Abs. 2 ZollR-DG von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Eingangsabgabenschulden entstanden im Zeitraum zwischen Dezember 1987 bis Mai 1992. Der Bescheid des Hauptzollamtes Linz datiert vom 12. Juni 1996 und dieser ist die ergangene Mitteilung an den Zollschuldner, die nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr zulässig war, sofern nicht eine Hinterziehung der Eingangsabgaben vorlag. Die dreijährige Verjährungsfrist war für die einzelnen Einfuhrfälle spätestens mit Mai 1995 abgelaufen. Eine Mitteilung nach den Bestimmungen des ZK ist bis dahin an den Beschwerdeführer nicht ergangen. Begründete Feststellungen, wonach die Eingangsabgaben hinterzogen wurden, enthält der angefochtene Bescheid nicht (vgl. hg. Erkenntnis vom 31. August 2000, Zl. 99/16/0110).

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einer längeren als einer dreijährigen Verjährungsfrist vom Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld ausging, ohne die nach § 74 Abs. 2 ZollR-DG erforderlichen Feststellungen einer Hinterziehung dieser Abgaben zu treffen, belastete sie den angefochtenen Bescheid aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Jänner 2001

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Einfuhrabgaben Einfuhrabgabe Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999160117.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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