TE OGH 2010/5/6 2Ob208/09s

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Veröffentlicht am 06.05.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher sowie Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** W*****, vertreten durch Dr. Philipp Meran, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. Dr. W***** S*****, vertreten durch Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, gegen die beklagte Partei Mag. N***** P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen 113.300 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse 31.690 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. April 2009, GZ 12 R 203/08y-84, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 9. Juni 2008, GZ 11 Cg 80/02k-78, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei und die Zweitnebenintervenientin haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Dem Beklagten wurde als testamentarischem Alleinerben der Nachlass seines Vaters eingeantwortet. Seine Tochter, die Klägerin, setzte der Erblasser unter Anrechnung aller Schenkungen und sonstigen Vorempfänge auf den Pflichtteil.

              Die Klägerin begehrt die Zahlung ihres Pflichtteils in Höhe des Klagsbetrags.

              Das Erstgericht gab der Klage mit 66.384,62 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 46.915,38 EUR sA ab.

              Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der - dem Beklagten auf den Todesfall geschenkten - zwei streitgegenständlichen Liegenschaften zur Ermittlung des Nachlasspflichtteils der Klägerin sei der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz und nicht jener der bücherlichen Vormerkung des Eigentumsrechts des Beklagten. Das Erstgericht habe aber nur Feststellungen zum Wert der Liegenschaften zu letzterem Zeitpunkt getroffen, weshalb sein Urteil aufzuheben sei. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass keine gesicherte oberstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob bzw bis zu welchem Zeitpunkt der Noterbe an der Wertentwicklung einer auf den Todesfall geschenkten Liegenschaft bis zur wirklichen Zuteilung teilnehme.

              Der Beklagte macht in seinem Rekurs geltend, dass das Rechtsinstitut der Schenkung auf den Todesfall eine mittlere Rechtsposition zwischen einem Erbanfall aufgrund des Gesetzes oder einer testamentarischen Verfügung und einer Vorschenkung iSd § 785 ABGB darstelle. Überdies sei § 786 ABGB nur unter der Voraussetzung anzuwenden, dass das Vermögen, um dessen Wertentwicklung es gehe, im Nachlass vorhanden sei. Dies sei bei einer Schenkung auf den Todesfall nur bis zu jenem Zeitpunkt gegeben, zu welchem der Geschenknehmer das förmliche Übertragungsverfahren, bei Liegenschaften also die grundbücherliche Einverleibung iSd § 431 ABGB veranlasst habe. Dieser Zeitpunkt liege bei der - hier am 15. 12. 1999 erfolgten - Vormerkung des Eigentumsrechts. Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs iSd § 693 ABGB sei vom Wert des Legats zum Zeitpunkt der Legatserfüllung auszugehen - bei Liegenschaften die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts. Ähnliches gelte bei der Berechnung des Schenkungspflichtteilsanspruchs iSd § 785 ABGB, welcher nach § 794 ABGB zu erfolgen habe. Dabei werde auf den Zeitpunkt des Erbanfalls abgestellt. In allen Fällen komme es jedenfalls nicht auf den Wert der Liegenschaften im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, sondern auf den Zeitpunkt an, bis zu welchem Gegenstände im Nachlass tatsächlich vorhanden gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist, ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Auf den Todesfall Beschenkte sind den Vermächtnisnehmern gleichzuhalten (RIS-Justiz RS0103393). Die Schenkung auf den Todesfall ist eine unbedingte, mit dem Tode des Erblassers (Geschenkgebers) als Anfangstermin terminisierte Schenkung, die erst aus dem Nachlass erfüllt werden soll (RIS-Justiz RS0019129).

2. Ziel des Pflichtteilsrechts ist es, den Pflichtteilsberechtigten an einem bestimmten Teil jenes Vermögens des Erblassers partizipieren zu lassen, das dem Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens zur Verfügung gestanden ist; dazu gehören auch solche Vermögensstücke, die er für den Fall seines Todes einem Dritten geschenkt hat (RIS-Justiz RS0012852). Da die Verlassenschaft nach § 786 zweiter Satz ABGB bis zur „wirklichen Zuteilung“ als ein den „Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut“ anzusehen ist, nehmen die Noterben bis dahin an deren wirtschaftlichen Entwicklung teil. Unter „wirklicher Zuteilung“ wird die ziffernmäßige Feststellung des Pflichtteilsanspruchs verstanden, die nach der Rechtsprechung durch Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung erfolgen kann; im letztgenannten Fall wird der Schluss der Verhandlung erster Instanz als maßgeblich angesehen (3 Ob 315/05b mwN, RIS-Justiz RS0012933).

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Beteiligung des Noterben (hier der Klägerin) an Wertänderungen nicht mit dem sachenrechtlichen Ausscheiden der auf den Todesfall verschenkten Gegenstände aus dem Nachlass zu begrenzen sei, sondern iSv § 786 zweiter Satz ABGB mit der wirklichen Zuteilung und somit mit dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, hält sich im Rahmen der oben wiedergegebenen Rechtsprechung und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

Der Rekurs des Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin und die Zweitnebenintervenientin nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, dienten ihre Schriftsätze nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Textnummer

E93832

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00208.09S.0506.000

Im RIS seit

26.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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