Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred P*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH, 4320 Perg, wider die beklagte Partei A*****, wegen 12.078,09 EUR sA, in eventu Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. März 2010, GZ 1 R 20/10b-5, mit dem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28. Dezember 2009, GZ 8 C 1694/09i-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekurses hat der Kläger selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte ihre sich aus den § 1299 ABGB sowie §§ 13 ff WAG 1997 ableitbaren Aufklärungs-, Informations-, Nachforschungs- und Wohlverhaltenspflichten im Zusammenhang mit der Anlageberatung des Klägers beim Ankauf von Aktien einer Immobiliengesellschaft gröblich verletzt habe. Als konkreten Schaden macht der Kläger geltend, dass die vermittelten Wertpapiere keineswegs seinen geringen Risikoerwartungen entsprechen und deutliche Kursverluste erlitten haben. Die Beklagte hafte für sämtliche aus der fehlerhaften Beratung sich ergebenden Schäden und Nachteile. Der Schaden bestehe primär bereits darin, dass ihm von der Klägerin Wertpapiere vermittelt worden seien, die er bei Kenntnis der wahren Tatsachen zu keinem Zeitpunkt erworben hätte. Er begehre die Naturalrestitution im Sinne einer Rückabwicklung des vermittelten Geschäfts. Konkret begehre er Zug um Zug gegen Übernahme der von ihm erworbenen und noch gehaltenen Aktien den bezahlten Ankaufspreis von 8.720,73 EUR zuzüglich des entgangenen Zinsgewinns einer alternativen Veranlagung in Höhe von 4 % jährlich, sohin für die Zeit vom 18. 4. 2000 bis 30. 11. 2009 3.357,36 EUR, insgesamt also 12.078,09 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2009. In eventu erhob der Kläger ein Feststellungsbegehren.
Das als Erstgericht angerufene Bezirksgericht wies die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit zurück, da der Streitwert 10.000 EUR übersteige.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es ging dabei rechtlich zusammengefasst davon aus, dass Zinsen dann eine Nebenforderung darstellen, wenn und insoweit sie von einer gleichzeitig eingeklagten Hauptforderung abgeleitet werden, ohne dass dabei der Rechtsgrund der geltend gemachten Zinsenforderung entscheidend sei. Hier stellten die Zinsen aber einen eigenen Schadenersatzanspruch dar, der unabhängig von der begehrten Rückabwicklung des Vertrags im Wege der Naturalrestitution bestehe. Dafür spreche auch, dass der Anleger gegen Rückgabe der Aktien die von ihm bei richtiger Beratung gewünschte Veranlagung bekommen solle. Der Oberste Gerichtshof habe bei der Bemessung des Streitwerts und der Kosten auch bereits den Zinsentgang berücksichtigt.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, weil zur Frage der Beurteilung von als positiver Schaden geltend gemachten Zinsentgängen als eigene Hauptforderung eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege und der Lösung dieser Frage im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahren über den konkreten Fall hinaus Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig (RIS-Justiz RS0039108 [T2]), aber nicht berechtigt.
Übersteigt der „Streitgegenstand“ an „Geld oder Geldeswert“ die Summe von 10.000 EUR, ist die Zuständigkeit des Handelsgerichts und nicht des Bezirksgerichts für Handelssachen gegeben (§ 52 JN).
§ 54 JN bestimmt in seinem Abs 1, dass für die Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Werts des Streitgegenstands der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend ist. Abs 2 dieser Bestimmung ordnet Folgendes an:
„Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt.“
Werden diese Forderungen „selbständig“ geltend gemacht, gilt diese Regelung nicht (Mayr in Rechberger ZPO3 § 54 JN Rz 3; Gitschthaler in Fasching2 I § 54 JN Rz 28 mzwN). Im Ergebnis wird darauf abgestellt, ob diese „Nebenansprüche“ abhängig - „akzessorisch“ - von der geltend gemachten Hauptsache sind, also ob und inwieweit sie von der gleichzeitig eingeklagten Hauptforderung abgeleitet werden (Gitschthaler aaO; 2 Ob 31/95; RIS-Justiz RS0042813).
Hier macht der Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten bei der Anlageberatung geltend. Er begehrt als Teil dieses Schadenersatzanspruchs auch den Zinsgewinn der eigentlich angestrebten alternativen Veranlagung, und zwar für den Zeitraum vom Beginn der Veranlagung bis zur Geltendmachung des Anspruchs. Der Kläger leitet also das Zinsenbegehren nicht daraus ab, dass er den Betrag aus der Rückabwicklung des Aktienkaufs bereits früher wieder hätte zurückerhalten müssen und ihm daher für die verspätete Rückzahlung Zinsen zustünden (vgl auch RIS-Justiz RS0046466, 2 Ob 31/95; 3 Ob 611/85), sondern daraus, dass Teil des positiven Schadens auch die Erträgnisse aus der tatsächlich angestrebten Veranlagung sind (vgl dazu 3 Ob 289/05d).
Damit macht er aber einen selbständigen Anspruch geltend, der nicht als „akzessorisches Nebenprodukt“ eines Hauptanspruchs beurteilt werden kann.
Im Ergebnis war daher dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 40 ZPO.
Textnummer
E94231European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00025.10G.0511.000Im RIS seit
18.07.2010Zuletzt aktualisiert am
20.12.2012