Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr.
Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, und 2. M*****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. November 2009, GZ 2 R 134/09d-12, womit die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 22. Mai 2009, GZ 11 Cg 42/09b-8, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Verlegerin und auch wirtschaftliche Eigentümerin der Tageszeitungen K***** und K*****.
Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung Ö*****. Die Erstbeklagte ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Zweitbeklagten und wurde von dieser mit der redaktionellen Gestaltung der Tageszeitung Ö***** betraut.
Klägerin und Zweitbeklagte sind Mitglieder des Vereins Österreichische Gemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern / Österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK).
In der Ausgabe von Ö***** vom 16. 1. 2009 erschienen Artikel, welche Werbung mit der ÖAK noch nicht gemeldeten Auflagenzahlen und mit Auflagenkategorien, die der ÖAK unbekannt sind, enthielten. Derartige Werbeaussagen sind den Mitgliedern der ÖAK nach deren Richtlinien untersagt.
Die Vorinstanzen haben eine Verletzung der ÖAK-Richtlinien als Lauterkeitsverstoß beurteilt und eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Beurteilung der Vorinstanzen ist durch die Rechtsprechung des Senats zur Verletzung wettbewerbsrelevanter Vertragspflichten gedeckt.
1. Nach der Rechtsprechung zu § 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 war es als sittenwidrig anzusehen, wenn eine vertragliche Verpflichtung, die sich unmittelbar auf eine Regelung des Wettbewerbs bezog, verletzt wurde, um gegenüber dem Vertragspartner einen Vorteil zu erlangen (4 Ob 144/01g = ÖBl 2002, 15 - St. Barbara-Brot; RIS-Justiz RS0078846; zuletzt etwa 4 Ob 202/05t = ÖBl 2006, 174 [Gamerith] - Arosa). Gründe dafür, weshalb diese den Mitbewerberschutz betreffende Frage und daher von der RL-UGP nicht erfasste Frage nach der UWG-Novelle 2007 grundlegend anders zu beurteilen sein sollte, sind nicht erkennbar (vgl 4 Ob 124/08a = RdW 2008, 715 zu einer anderen Fallgruppe lauterkeitsrechtlich relevanter Vertragsverletzungen).
Die Verletzung wettbewerbsregelnder Vertragspflichten fällt daher weiterhin unter die lauterkeitsrechtliche Generalklausel (nun § 1 Abs 1 Z 1 UWG). An die Stelle der nach altem Recht erforderlichen Absicht, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, hat nun allerdings die objektive Eignung des Verhaltens zu treten, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Vertragspartnern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Grund dafür ist die Entscheidung des Gesetzgebers, das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsabsicht in der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel entfallen zu lassen. Das war schon beim Rechtsbruchtatbestand zu berücksichtigen (4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 [Mildner] - Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123244) und muss aus systematischen Gründen auch bei der Verletzung wettbewerbsrelevanter Vertragspflichten entsprechend gelten. In der Sache liegt aber auch hier keine grundlegende Änderung der Rechtslage vor (vgl 4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten, Punkt 1.3). Denn schon nach altem Recht musste die Absicht, sich oder einem Dritten durch die Verletzung von gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen einen Vorteil zu verschaffen, regelmäßig aus Indizien erschlossen werden. Bei der Verletzung von Vertragspflichten, die einen unmittelbaren Wettbewerbsbezug aufwiesen, lag diese Absicht auf der Hand (vgl zuletzt etwa 4 Ob 220/05i = MR 2006, 107 [Rami] - FC Red Bull Salzburg: „Es kommt lediglich auf die tatsächliche Beeinflussung des Wettbewerbs zwischen der Klägerin und deren Mitbewerberin durch das Verhalten der Beklagten an“).
2. Im vorliegenden Fall dienen die (mit dem Beitritt zur ÖAK vereinbarten) Richtlinien der ÖAK der Regelung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedsverlagen. Die Werbeverbote der Richtlinien haben offenkundig den Zweck, andere Mitgliedsverlage vor einer möglicherweise irreführenden Werbung mit ermittelten Daten zu schützen. Ein Verstoß gegen diese Richtlinien verwirklicht somit auch einen Verstoß gegen wettbewerbsrelevante Vertragspflichten. Die Verletzung dieser zugunsten Dritter bestehenden Vertragspflichten war jedenfalls geeignet, den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern der ÖAK zu beeinträchtigen. Sie begründet daher als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG Unterlassungsansprüche der durch die Vereinbarung geschützten Mitbewerber.
Soweit die Vorinstanzen beide Beklagte für den Lauterkeitsverstoß verantwortlich machten, steht ihre Entscheidung mit der Rechtsprechung zum weiten Täterbegriff in Einklang. Die Beklagten gehen selbst davon aus, dass die Verantwortung für den Inhalt des Druckwerks bei der Zweitbeklagten als Medieninhaberin liege. Der Verstoß diente der Förderung ihres Wettbewerbs. Der Erstbeklagten als der für die Redaktion zuständigen Tochtergesellschaft liegt eine Mitwirkung am Verstoß zur Last. Als die für die Redaktion zuständige Tochtergesellschaft hat sie am Verstoß aktiv mitgewirkt. Kenntnis der von der Zweitbeklagten durch Beitritt zur ÖAK übernommenen Verpflichtungen wie auch bewusste Förderung deren Wettbewerbs liegen aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung auf der Hand.
3. Im Übrigen führt die willkürliche Schaffung von Auflagenkategorien, die der ÖAK unbekannt sind, zu einem im Vergleich mit den Ergebnissen der ÖAK verzerrten Bild über die Stellung des Mediums am österreichischen Zeitungsmarkt und erfüllt somit die Irreführungsqualifikation iSd § 2 UWG, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts - im Ergebnis - auch nach diesem Gesichtspunkt vertretbar ist.
Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, derjenige über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass ihre Revisionsrekursbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.
Schlagworte
Österreichische Auflagenkontrolle II,Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,WertpapierrechtTextnummer
E94121European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00004.10G.0511.000Im RIS seit
08.07.2010Zuletzt aktualisiert am
26.02.2016