Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** U*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen die beklagte Partei W***** U*****, vertreten durch Neuwirth Neurauter Neuwirth, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt, über die Revisionen sowohl der klagenden als auch der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Jänner 2010, GZ 48 R 2/10i-131, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. September 2009, GZ 9 C 19/06y-125, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde am 18. 7. 2000 gemäß § 55a EheG im Einvernehmen geschieden. Mit gerichtlichem Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Beklagte zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 4.500 ATS (327,03 EUR) an die Klägerin; dieser Betrag wurde wertgesichert. Die Vergleichsgrundlage wurde ausdrücklich wie folgt festgehalten: „Einkommen des Ehemannes 23.500 ATS netto, 14 x jährlich, weitere Sorgepflicht für den gemeinsamen Sohn; Einkommen der Ehefrau 4.300 ATS netto, 14 x jährlich, Sorgepflicht für den gemeinsamen Sohn“. Unter Berücksichtigung steuerfreier Diäten sowie des Sachbezugs für die private Nutzung des Firmen-Pkws hat sich das Einkommen des Beklagten in den Jahren ab 2004 erhöht. Auch das Einkommen der Klägerin ist gestiegen. Die Sorgepflicht für den gemeinsamen Sohn ist weggefallen. Am 12. 2. 2008 hat der Beklagte ein weiteres Mal geheiratet; seine neue Ehegattin verfügt über kein Einkommen.
Ausgehend von einer Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrags begehrte die Klägerin für die Zeit von Oktober 2004 bis Februar 2008 rückständigen Unterhalt sowie laufenden Unterhalt ab März 2008 in Höhe von zuletzt zusätzlich monatlich 318 EUR. Seit Abschluss des Unterhaltsvergleichs haben sich die dafür maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert. So habe sich das Einkommen des Beklagten ab 2004 deutlich erhöht. Zudem sei die Sorgepflicht für den gemeinsamen Sohn weggefallen. Beim vereinbarten Unterhalt habe es sich um eine absolute Untergrenze gehandelt.
Der Beklagte entgegnete, dass eine Erhöhung des Unterhaltsbetrags mangels geänderter Verhältnisse nicht gerechtfertigt sei. Bereits zum Zeitpunkt des Scheidungsvergleichs habe er über einen Firmen-Pkw verfügt. Die private Verwendung dieses Fahrzeugs sei nur „minimalst“ gewesen. Der Firmen-Pkw sei nicht in die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt der Klägerin einbezogen worden. Außerdem entstehe aufgrund seiner Krankheiten bzw Behinderungen ein Mehraufwand, sodass ihm von den Tagesdiäten nichts verbleibe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Im Innenverhältnis habe der Rechtsvertreter des Beklagten diesem auseinandergesetzt, dass er sich einen zukünftigen Unterhaltsbetrag in Höhe von 40 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens der Klägerin vorstellen könne. Dieser Gedanke sei nun aufzugreifen. Für die neue Ehegattin des Beklagten seien 3 % in Abzug zu bringen. Die Diäten seien zur Hälfte anzurechnen; auch der Sachbezug für den Firmen-Pkw sei zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und reduzierte die zugesprochenen Unterhaltsbeträge auf folgende Summen: Rückständiger Unterhalt für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2004 monatlich 79 EUR, von Jänner bis Dezember 2005 monatlich 98 EUR, von Jänner bis Dezember 2006 monatlich 273 EUR, von Jänner bis Dezember 2007 monatlich 128 EUR, für Jänner und Februar 2008 monatlich 198 EUR und von März 2008 bis Februar 2009 monatlich 83 EUR sowie an laufendem Unterhalt zusätzlich monatlich 83 EUR, insgesamt somit monatlich 410 EUR. Der Beklagte habe nicht vorgebracht, dass die Diäten und der Sachbezug für die private Nutzung des Firmen-Pkws nicht Basis für den Vergleichsbetrag gewesen seien. Die Auslegung eines Unterhaltsvergleichs könne auch ergeben, dass die Neubemessung des im Vergleich festgesetzten Unterhalts nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der darin zum Ausdruck gelangenden Relation erfolgen solle. Die Vorgänge, die zum Vergleichsabschluss geführt haben, sowie der Vergleich selbst rechtfertigten die Annahme, dass der Klägerin rund 30 % (unter Berücksichtigung der Sorgepflicht für den gemeinsamen Sohn) bzw rund 33 % ohne Sorgepflicht vom gemeinsamen Nettoeinkommen zustehen sollten. Angesichts dieses Prozentsatzes erscheine für die neue Ehegattin des Beklagten eine Reduktion im Ausmaß von 3 % angemessen. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage der Bewahrung der in einem Unterhaltsvergleich festgesetzten Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltsbetrag auch bei Änderung von Sorgepflichten höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen die Reduktion der Unterhaltsbeträge richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in der Weise abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte wendet sich gegen die (teilweise) Erhöhung der Unterhaltsbeträge wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise stellt auch er einen Aufhebungsantrag.
Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Streitteile, jeweils der Revision der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich schon deshalb nicht, weil das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die für eine Neubemessung des Unterhalts relevante Änderung das Einkommen des Beklagten betrifft. In jedem Fall bezieht sich die aufgeworfene Frage auf das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung.
2.1 Zu den Tagesdiäten hat der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass er diese aufgrund krankheitsbedingter Mehraufwendungen zur Gänze verbrauche. Die Behauptung, dass die Diäten nicht zur Vergleichsgrundlage gehört hätten, kann diesem Vorbringen nicht entnommen werden.
Davon abgesehen hat das Erstgericht festgestellt, dass weder mit dem Ankauf der benötigten Medikamente noch mit den Intoleranzen für den Beklagten höhere Ausgaben verbunden sind. Ist ein Mehrverbrauch seitens des Unterhaltsschuldners aber nicht nachgewiesen, so sind Diäten nach der Rechtsprechung zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (RIS-Justiz RS0047442).
2.2 Zum Firmen-Pkw hat der Beklagte vorgebracht, dass er schon zum Zeitpunkt des Scheidungsvergleichs über einen solchen verfügt habe. Nach den Feststellungen beläuft sich die private Nutzung des Fahrzeugs durch den Beklagten auf etwa 5.900 km pro Jahr.
Nach den gesetzlichen Regelungen ist die private Nutzung eines Firmen-Pkws - als Naturalbezug bzw geldwerter Vorteil - in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (RIS-Justiz RS0109238). Dazu hat der Beklagte vorgebracht, dass der Firmen-Pkw nicht in die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt der Klägerin miteinbezogen worden sei. Auf die private Nutzung dieses Fahrzeugs hat er dabei aber nicht Bezug genommen. Vielmehr hat er behauptet, dass die privaten Verwendungen des Firmen-Pkws nur „minimalst“ seien. Diesem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass der entsprechende Sachbezug bewusst von der Vergleichsgrundlage ausgeklammert wurde.
Mit seinen Ausführungen zur angeblichen Aktenwidrigkeit sowie zum Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3.1 Durch gerichtliche Entscheidung oder durch Vergleich festgesetzte Unterhaltsansprüche unterliegen der Umstandsklausel. Der Anspruch kann daher nur im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bemessen werden (RIS-Justiz RS0018984; RS0057146).
Ausgehend von dem im Unterhaltsvergleich angeführten Einkommen des Beklagten hat dessen Erhöhung eine für eine Neubemessung relevante Größenordnung erreicht (vgl 1 Ob 5/00t; 6 Ob 45/02i). Zudem hat sich auch das anrechenbare Einkommen der Klägerin erhöht.
3.2 Wurde der Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt, so soll nach der neueren Rechtsprechung die Neubemessung nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in dieser zum Ausdruck gelangenden Konkretisierung der Bemessungsgrundlage erfolgen. Haben sich nur die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen geändert, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die seinerzeitige Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe gewahrt bleiben soll. Aber auch bei Änderung anderer oder mehrerer Bemessungsparameter kann die (ergänzende) Vertragsauslegung zum Ergebnis führen, dass die im Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe nicht vernachlässigt werden darf. Maßgeblich ist, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der geänderten Verhältnisse vereinbart hätten (RIS-Justiz RS0019018; RS0105944; 3 Ob 115/00h; 10 Ob 59/06h; 2 Ob 253/08g).
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Die wesentliche Änderung betrifft das Einkommen vor allem des Beklagten. Nach der neuerlichen Heirat des Beklagten ist nicht nur die Anzahl der Sorgepflichten (vgl 2 Ob 253/08g), sondern auch die Höhe des dafür berücksichtigten Abzugs (mit jeweils 3 %) unverändert geblieben.
3.3 Ob ein Vergleich richtig ausgelegt wurde, betrifft ebenso wie das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung, den Einzelfall (RIS-Justiz RS0113785; RS0042936). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Fall von der Festlegung einer bestimmten Relation zwischen Einkommen und Unterhalt auszugehen sei, stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
4. Schließlich hält sich auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Abzug von 3 % für die neue, nicht berufstätige Ehegattin des Beklagten angemessen erscheine, im Rahmen der Rechtsprechung (vgl 6 Ob 191/97z; 2 Ob 318/99z).
Auch mit dem Argument, dass der Unterhaltsanspruch der Klägerin laut Vergleich mit 29,34 % und nicht mit rund 30 % bemessen worden sei, zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Insgesamt gelingt es den Streitteilen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revisionen waren daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Auf die Unzulässigkeit der Revision ihres Gegners haben die Streitteile in ihren Revisionsbeantwortungen nicht substantiiert hingewiesen.
Schlagworte
UnterhaltsrechtTextnummer
E94174European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00028.10Y.0511.000Im RIS seit
10.07.2010Zuletzt aktualisiert am
13.06.2012