Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Ruggenthaler Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** GmbH, 2. M***** D***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 27. November 2009, GZ 1 R 220/09v-12, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. September 2009, GZ 11 Cg 134/09g-6, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach den Feststellungen des Rekursgerichts waren sowohl die Klägerin als auch die beiden Beklagten Kunden eines Unternehmens, das Daten zum Anzeigenvolumen in deren Medien erhob. Den Kunden war vertraglich untersagt, mit diesen Daten zu werben. Das Rekursgericht hat eine Verletzung dieser Verpflichtung durch die Beklagten als Lauterkeitsverstoß gewertet und eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen. Diese Entscheidung ist durch die Rechtsprechung des Senats zur Verletzung von wettbewerbsrelevanten Vertragspflichten gedeckt.
1.1. Nach der Rechtsprechung zu § 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 war es als sittenwidrig anzusehen, wenn eine vertragliche Verpflichtung, die sich unmittelbar auf eine Regelung des Wettbewerbs bezog, verletzt wurde, um gegenüber dem Vertragspartner einen Vorteil zu erlangen (4 Ob 144/01g = ÖBl 2002, 15 - St. Barbara-Brot; RIS-Justiz RS0078846; zuletzt etwa 4 Ob 202/05t = ÖBl 2006, 174 [Gamerith] - Arosa). Gründe dafür, weshalb diese den Mitbewerberschutz betreffende Frage und daher von der RL-UGP nicht erfasste Frage nach der UWG-Novelle 2007 grundlegend anders zu beurteilen sein sollte, sind nicht erkennbar (vgl 4 Ob 124/08a = RdW 2008, 715 zu einer anderen Fallgruppe lauterkeitsrechtlich relevanter Vertragsverletzungen).
Die Verletzung wettbewerbsregelnder Vertragspflichten fällt daher weiterhin unter die lauterkeitsrechtliche Generalklausel (nun § 1 Abs 1 Z 1 UWG). An die Stelle der nach altem Recht erforderlichen Absicht, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, hat nun allerdings die objektive Eignung des Verhaltens zu treten, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Vertragspartnern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Grund dafür ist die Entscheidung des Gesetzgebers, das Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsabsicht in der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel entfallen zu lassen. Das war schon beim Rechtsbruchtatbestand zu berücksichtigen (4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 [Mildner] - Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123244) und muss aus systematischen Gründen auch bei der Verletzung wettbewerbsrelevanter Vertragspflichten entsprechend gelten. In der Sache liegt aber auch hier keine grundlegende Änderung der Rechtslage vor (vgl 4 Ob 225/07b - Stadtrundfahrten, Punkt 1.3). Denn schon nach altem Recht musste die Absicht, sich oder einem Dritten durch die Verletzung von gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen einen Vorteil zu verschaffen, regelmäßig aus Indizien erschlossen werden. Bei der Verletzung von Vertragspflichten, die einen unmittelbaren Wettbewerbsbezug aufwiesen, lag diese Absicht auf der Hand (vgl zuletzt etwa 4 Ob 220/05i = MR 2006, 107 [Rami] - FC Red Bull Salzburg: „Es kommt lediglich auf die tatsächliche Beeinflussung des Wettbewerbs zwischen der Klägerin und deren Mitbewerberin durch das Verhalten der Beklagten an“).
1.2. Im vorliegenden Fall diente die vertragliche Geheimhaltungspflicht der Regelung des Wettbewerbs zwischen den Kunden des Erhebungsinstituts. Zwar bestand zwischen ihnen keine unmittelbare Vertragsbeziehung. Die Werbeverbote in den jeweiligen Verträgen hatten jedoch offenkundig den Zweck, die anderen Kunden vor einer möglicherweise irreführenden Werbung mit den ermittelten Daten zu schützen. In der Sache handelte es sich daher um Vertragspflichten zugunsten Dritter. Die Verletzung dieser Pflichten war jedenfalls geeignet, den Wettbewerb zwischen den Kunden des Instituts zu beeinträchtigen. Sie begründet daher als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG Unterlassungsansprüche der durch die Geheimhaltungspflicht geschützten Mitbewerber.
1.3. Die Feststellung des Rekursgerichts, dass die Beklagten Kunden des Erhebungsinstituts und damit zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen seien, bindet den Obersten Gerichtshof. Die Klägerin hatte dies im Sicherungsantrag - anders als im Revisionsrekurs behauptet - sehr wohl vorgebracht (S 12); die Beklagten hatten dem in ihrer Äußerung nicht widersprochen. Der erst im Revisionsrekurs erhobene Einwand, dass die nur im Internet tätige Zweitbeklagte in keiner Vertragsbeziehung zum Erhebungsinstitut gestanden sei, ist daher eine unzulässige Neuerung. Zudem läge in diesem Fall ein aktives Mitwirken der Zweitbeklagten am Vertragsbruch der Erstbeklagten vor, was - Kenntnis der Verpflichtung vorausgesetzt - in gleicher Weise Unterlassungsansprüche begründen kann (RIS-Justiz RS0107766).
2. Soweit das Rekursgericht eine bestimmte Form der Werbung mit den Daten darüber hinaus als irreführend untersagt hat, zeigen die Beklagten ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1. Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten (4 Ob 177/07v = ÖBl 2008, 287 [Gamerith] - Das beste Wachstum; RIS-Justiz RS0121669). Dass die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr sein mag, kann die auf einer Unvollständigkeit beruhende Irreführungseignung nicht beseitigen.
2.2. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten in erster Instanz nicht bestritten, dass der Anzeigenumsatz der Klägerin im strittigen Zeitraum insgesamt höher war als jener der Erstbeklagten. Dennoch haben sie unter Hinweis auf die Daten des Instituts, die nur bestimmte Anzeigenkategorien erfassten und daher keine Aussage zum Gesamtumsatz ermöglichten, ohne weitere Erläuterung einen Vorsprung der Erstbeklagten behauptet. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass darin eine irreführende Unvollständigkeit liege, ist jedenfalls vertretbar.
Schlagworte
Anzeigenvolumen,Gewerblicher Rechtsschutz,Textnummer
E94079European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00007.10Y.0511.000Im RIS seit
07.07.2010Zuletzt aktualisiert am
10.12.2010