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35 ZollrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zurückweisung auf Aufhebung bereits aufgehobener Bestimmungen gerichteter Verordnungsprüfungsanträge eines Gerichts mangels tauglichen Prüfungsgegenstandes; Aufhebung von Bestimmungen diverser ImportausgleichsVen für Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft wegen Mißachtung des Vorrangs der Verfahrensregel der vorrangigen Beachtung völkerrechtlicher Vereinbarungen bei der Festsetzung von ImportausgleichssätzenSpruch
§1 Zolltarifnummer 0207 23 A 1b der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 29. Oktober 1990 über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, Zl. 39.001/06-III/B/7c/90, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 31. Oktober 1990, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist verpflichtet, den Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt II kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Landesgericht Wels ist zu den Zlen. 9 Vr 1091/97 und 9 Ur 187/97 ein Strafverfahren gegen bestimmte Personen wegen §35 Abs2 und §38 Abs1 lita iVm §11 Finanzstrafgesetz anhängig.
Aus Anlaß dieses Verfahrens begehrt das Landesgericht Wels mit Antrag vom 10. November 1997 (berichtigt mit Antrag vom 30. Jänner 1998) die Aufhebung des §1 ZTNr. 0207 23 A 1b der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (im folgenden: BMLF) vom 29. Oktober 1990 über Importausgleichsätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, kundgemacht im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 31. Oktober 1990. In der Begründung wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 1996, V77-79/96 verwiesen, mit welchem bereits näher bezeichnete Bestimmungen von Verordnungen des BMLF in diesem Bereich aufgehoben wurden.
2. Der BMLF legte dem Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Verordnungsakten vor; eine Äußerung wurde aber nicht erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit
Die Annahme des antragstellenden Gerichtes, daß die bekämpfte Verordnungsstelle Voraussetzung für die vom Gericht zu treffende Entscheidung wäre, ist keineswegs unvertretbar. Auch der BMLF als verordnungserlassende Stelle hat hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages nichts vorgebracht. Die Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität ist daher gegeben.
Der vorliegende Antrag ist, weil auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.
B. In der Sache
1. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Verfassungsgerichtshof auf seine Erkenntnisse VfSlg. 13881/1994 und 14278/1995.
In diesen Erkenntnissen vertritt der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Gesetzwidrigkeit der Verordnungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über Importausgleichssätze und Schwellenpreise für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft folgende Auffassung:
"Dem §5 (des GeflügelwirtschaftsG 1988 - GeflWG 1988) zufolge hat der BMLF, sofern völkerrechtliche Vereinbarungen einem Importausgleichssatz gemäß den §§3 und 4 entgegenstehen, den sich aus diesen Vereinbarungen ergebenden Importausgleichssatz zu bestimmen.
Als eine solche völkerrechtliche Vereinbarung ist das Übereinkommen zur Auslegung und Anwendung der ArtVI, XVI und XXIII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, BGBl. 326/1980, (im folgenden: Subventionskodex), in Betracht zu ziehen. Nach dessen Artikel 2 Z1 dürfen Ausgleichszölle nur aufgrund von Untersuchungen erhoben werden, die gemäß diesem Artikel eingeleitet und durchgeführt worden sind (Text s. VfSlg. 12558/1990, S 508 ff.).
Wie im Erkenntnis VfSlg. 12558/1990 (S 512 ff.) näher begründet wurde, stellt Art2 des Subventionskodex unmittelbar anwendbares, im Gesetzesrang stehendes Recht dar. Wenngleich dieses Vorerkenntnis auf der Grundlage des GeflWG 1969 ergangen und nunmehr die rechtliche Basis das GeflWG 1988 ist, hat sich an dieser Beurteilung - wie unten noch näher ausgeführt wird - nichts geändert. Art2 des Subventionskodex geht - dem §5 GeflWG 1988 zufolge - den Vorschriften der §§3 und 4 des GeflWG 1988 vor.
Der BMLF hat vor Erlassung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Importausgleichsverordnungen kein Untersuchungsverfahren nach Art2 des Subventionskodex durchgeführt.
Dem tritt der BMLF in seinen Äußerungen nicht entgegen. Er meint vielmehr, daß die Importausgleichssätze, die mit den in Rede stehenden Verordnungen bestimmt wurden, keine Ausgleichszölle i.S. des Subventionskodex seien. Er begründet diese Ansicht ausführlich. Das zentrale Argument des BMLF besteht darin, daß der Importausgleichssatz ausschließlich auf Grund des Vergleiches zwischen dem (allgemeinen durchschnittlichen) Auslandspreis und dem höheren Inlandspreis festgesetzt worden sei - dies unabhängig davon, ob der (niedrigere) Auslandspreis durch Subventionen erzielt wurde oder nicht.
Gerade dieses Vorgehen des BMLF belastet die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen mit Gesetzwidrigkeit. Der Bundesminister wäre nämlich nach dem oben Gesagten verhalten gewesen festzustellen, ob der Tatbestand des Subventionskodex vorliegt; wenn dies zuträfe, wäre er - sofern er überhaupt in Aussicht nahm, einen Abschöpfungsbetrag zu bestimmen - verpflichtet gewesen, das Verfahren nach Art2 des Subventionskodex einzuhalten. Nur dann, wenn ein solcher Tatbestand nicht vorläge, hätte er einen Importausgleichssatz nach den Regeln der §§3 und 4 GeflWG 1988 bestimmen dürfen.
Die Verordnungen gelten ihrem klaren Wortlaut nach uneingeschränkt für die Geflügelimporte aus allen Staaten - somit auch für Importe, auf die der Subventionskodex möglicherweise anzuwenden gewesen wäre. Daß keiner der dem GATT angehörenden Staaten den Export von Geflügel subventioniert hätte (nur in diesem Fall wäre die Anwendung des Subventionskodex generell auszuschließen gewesen), war keineswegs von vornherein offenkundig.
Der Umstand, daß für die Beurteilung der Anlaßbeschwerden das GeflWG 1988 maßgebend ist, während beim einschlägigen Vorerkenntnis VfSlg. 12558/1990 das GeflWG 1969 heranzuziehen war, bedeutet - entgegen der Meinung des BMLF - nicht, daß diese Vorjudikatur (von der abzurücken kein Anlaß besteht) hier unmaßgebend wäre. Im einen wie im anderen Fall wäre der BMLF nämlich verhalten gewesen, zunächst zu klären, ob der Importausgleichssatz nach den allgemeinen Regeln des (jeweiligen) Geflügelwirtschaftsgesetzes oder aber - was in keinem Fall offenkundig auszuschließen war - nach den soeben zitierten besonderen Bestimmungen (also unter Beachtung des Art2 des Subventionskodex) festzusetzen war. In beiden Fällen hat dies der BMLF unterlassen.
Die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen sind schon aus den dargelegten Erwägungen gesetzwidrig zustandegekommen."
Es besteht kein Anlaß von der bisherigen Judikatur abzugehen.
Die angefochtene Verordnungsbestimmung war daher als gesetzwidrig aufzuheben.
Sie steht mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich in Geltung. Es ist daher im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabengesetzen mit beschränktem zeitlichen Anwendungsbereich (siehe z.B. VfSlg. 8709/1979, S 417; 10313/1984, S 858; 12930/1991, S 683; 13153/1992, S 48; 13881/1994, S 215) mit einer Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht einem Ausspruch nach Abs4 der eben genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.
2. Die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art139 Abs5 B-VG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Formerfordernisse, Rechtskraft, Wirtschaftslenkung, Geflügelwirtschaft, Zollrecht, Importausgleich, Auslegung, VfGH / Aufhebung, VfGH / Feststellung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VölkerrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:V228.1997Dokumentnummer
JFT_10019391_97V00228_00