Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Dezember 2009, GZ 15 Hv 113/09x-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anton S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (2) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.
Danach hat er am 28. Juli 2009 in Graz
(1) Astrid E*****-K***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie gegen eine Stiege stieß, an den Handgelenken festhielt, sie mit einer Hand an der nackten Scheide massierte und ihr einen Finger in die Scheide einführte;
(2) Astrid E*****-K***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie gegen einen stehenden Zugwaggon drückte, sodass sie nicht entkommen konnte, ihr mit beiden Händen unter ihr T-Shirt fuhr und ihre nackten Brüste massierte;
(3) Peter K***** durch Versetzen mehrerer Fußtritte gegen dessen Gesicht und dessen Bauchbereich, welche eine Kopf- und eine Bauchprellung zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Der auf Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Der Antrag auf Beiziehung eines gerichtspsychiatrischen Gutachters zum Beweis dafür, dass „die Zeugin E*****-K***** unter Wahrnehmungsstörungen, insbesondere in sexueller Hinsicht leidet und eine sexuelle Handlung nicht im Hinblick auf Gewaltanwendung und Einvernehmlichkeit unterscheiden kann“ (ON 28 S 12), verfiel schon deshalb zu Recht der Abweisung, weil nicht dargetan wurde, dass das Opfer die erforderliche Zustimmung zur psychiatrischen Exploration erteilt hätte oder erteilen würde (RIS-Justiz RS0118956, RS0108614; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).
Im Übrigen obliegt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen dem Schöffengericht im Rahmen der ihm zukommenden freien Beweiswürdigung, wobei es nur in besonderen Ausnahmefällen der Hilfestellung eines Sachverständigen bedarf (RIS-Justiz RS0120634). Allein die unsubstanziierte Behauptung, in der Vergangenheit hätten „offensichtlich Vorfälle stattgefunden“, und der Hinweis auf den Umstand, dass sich die Zeugin im Landesnervenklinikum Siegmund Freud Graz in Behandlung befunden hatte, sind nicht geeignet, die Annahmen eines Ausnahmefalls im Sinn der angeführten Judikatur zu rechtfertigen, der die Zuziehung eines Sachverständigen zum Zweck der Glaubhaftigkeitsprüfung indizieren würde.
Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass die Feststellungen, wonach der Angeklagte das Opfer nicht weggehen ließ und es an seinen Handgelenken festhielt (US 5), infolge Fehlens von Konstatierungen über die zeitliche Komponente des Geschehens (zu deren Relevanz: Schmoller SbgK § 99 Rz 34 bis 36) eine abschließende Beurteilung, ob die damit verbundene Freiheitsentziehung zumindest die Tatbestandserfordernisse des § 99 StGB erfüllt (vgl Schick in WK² § 201 Rz 14 mwN), nicht zulassen. Dies kann auf sich beruhen, weil es sich bei § 201 Abs 1 StGB um ein alternatives Mischdelikt handelt (Schick in WK² § 201 Rz 3; 11 Os 12/06h) und keine über die allenfalls unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinausgehende Benachteiligung des Angeklagten vorliegt, weil eine Tatbegehung durch zwei Nötigungshandlungen nicht erschwerend gewertet wurde (US 12; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 648, § 290 Rz 23).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E94022European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00048.10F.0518.000Im RIS seit
30.06.2010Zuletzt aktualisiert am
30.06.2010