TE OGH 2010/5/18 14Os57/10d

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Veröffentlicht am 18.05.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Asat I***** wegen mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 11. Februar 2010, GZ 31 Hv 210/09d-85, sowie seine Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen (im Schuldspruch II, im Suchtgift betreffenden Einziehungserkenntnis sowie im Ausspruch über das Absehen von der Abschöpfung der Bereicherung) unberührt bleibt, im Schuldspruch I, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch über die Einziehung von „Suchtgiftutensilien“ und weiters der Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit aufgehoben, es wird eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen, mit seiner Berufung und der Beschwerde wird der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Asat I***** mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (I/1), mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Absatz 2 Z 1 SMG, § 15 StGB (I/2), sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Salzburg und an anderen Orten

(I) vorschriftswidrig

1) von 4. Dezember 2007 bis 2. Oktober 2009 Heroin erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen;

2) Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge (§ 28b SMG) anderen gewerbsmäßig durch Verkauf zu überlassen versucht (a) und überlassen (b), nachdem er schon einmal wegen einer § 28a Abs 1 SMG entsprechenden Straftat verurteilt worden war, und zwar

a) am 2. Oktober 2009 gemeinsam mit Metin E***** unbekannten Abnehmern 60,65 Gramm Heroin brutto mit einer Reinsubstanz von 3,23 Gramm,

b) von Sommer bis November 2008 Melisa G***** mehr als 150 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 10 % und mehr als 100 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 5 %, von Sommer bis Oktober 2009 Heidi W***** 50 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 10 % und im Jahr 2008 Arzu I***** und Aysun S***** unbekannte Mengen Suchtgift;

II) am 11. Juli 2008 Robert M***** eine Sonnenbrille im Wert von 186 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Wegen der Schuldsprüche I/2/a und b richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der in Betreff des Schuldspruchs I/2/a aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zukommt.

Sie zeigt zutreffend auf, dass das angefochtene Urteil für die Feststellung, die beiden Angeklagten hätten „gemeinsam verabredet und beschlossen“, „die erwähnte Menge Heroin unterschiedlichen Reinheitsgrades dort zu verkaufen“ (US 7), soweit damit - gerade noch hinreichend deutlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) - ein auf Überschreiten der Grenzmenge (an Reinsubstanz) gerichteter Vorsatz dargestellt wird, gar keine Begründung enthält. Die Beweiswürdigung erschöpft sich insoweit in der Einschätzung der Verantwortung des Angeklagten, wonach er „von seinem Freund Metin E***** dazu gebracht worden“ sei, „im Auftrag der Polizei Suchtgift-Scheingeschäfte zu tätigen“, als unglaubwürdig (US 9), womit weder zum Ausdruck gebracht wird, aus welchen Gründen die Tatrichter von geplantem bewussten und gewollten Zusammenwirken der beiden Täter ausgingen, noch eine Aussage über die Vorstellung des Beschwerdeführers betreffend die Menge an Reinsubstanz des zum Verkauf mitgeführten Suchtgifts getroffen wird. Dies ist umso bedeutender, als die Angeklagten nach den Feststellungen Heroin von je unterschiedlichem - durchwegs aber über dem gerichtsnotorischen Durchschnitt (vgl RIS-Justiz RS0119257) liegendem - Reinheitsgehalt (US 10) zu verkaufen planten, sich in dem vom Beschwerdeführer weggeworfenen Behälter „etwa 12,8 Gramm brutto“ Heroin befanden und die Grenzmenge bloß durch Zusammenrechnung der Suchtgiftquanten offenbar verschiedener Herkunft (nur) geringfügig überschritten wurde. Die zirkuläre Überlegung, wonach diesbezüglich „davon ausgegangen“ wird, „dass der Angeklagte und Metin E***** hier verabredet und gemeinsam vorgegangen sind, wobei einer minderwertiges Heroin bei sich hatte“ (US 10), stellt überhaupt keine Begründung dar.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof zudem von - vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkender - mehrfach unrichtiger Anwendung des materiellen Strafrechts (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, Z 10, Z 11) überzeugt, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Zum Schuldspruch I/1 wurden keinerlei Feststellungen getroffen (Z 9 lit a).

Zum Schuldspruch I/2/b fehlen - neben einer Individualisierung der an Arzu I***** und Aysun S***** überlassenen „unbekannten Menge Suchtgift“ - Sachverhaltsannahmen zu einem auf die Weitergabe einer die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge gerichteten Vorsatz (Z 10). Hinzu kommt, dass bei Erreichen der von § 28a SMG vorausgesetzten Suchtgiftmengen nur durch die Zusammenrechnung der Mengen aus mehreren Einzeltaten die kontinuierliche Begehung und der daran geknüpfte Additionsvorsatz von vornherein vom Vorsatz umfasst sein müssen (zuletzt 13 Os 99/09x), wozu die angefochtene Entscheidung, der nicht zu entnehmen ist, dass die „von Sommer 2008 bis November 2008“ - wenn auch insgesamt das Zweifache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigende - an Melisa G***** überlassene Suchtgiftquantität als Gesamtmenge verhandelt wurde, keine Aussage trifft.

Darüber hinaus trägt die Feststellung, der Angeklagte habe auch die vom Schuldspruch I/2/b umfassten Suchtgiftgeschäfte in der Absicht getätigt, „sich dadurch eine zumindest zusätzliche und fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, aber auch um den eigenen Drogenkonsum zu finanzieren“ (US 8), die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung, welche insoweit die Absicht voraussetzt, sich durch das wiederholte Überlassen von die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquanten eine solche Einnahme zu verschaffen, nicht.

Dies trifft im Übrigen auch für die zum Schuldspruch I/2/a getroffene Konstatierung zu, wonach Asat I***** sich mit Metin E***** dazu verabredete, „Suchtgift, konkret Heroin zu verkaufen, ... um dadurch zumindest teilweise den Lebensunterhalt zu bestreiten“ (US 6).

Die aufgezeigten Mängel erfordern die Aufhebung der Schuldsprüche I/1 und I/2, in Betreff des letztgenannten zur Gänze, weil nach Kassation eines Schuldspruchs nach § 28a SMG bei Fraglichkeit der Beurteilung einer überlassenen Suchtgiftmenge als groß (§ 28b SMG) auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 Abs 1 (und Abs 3) SMG allenfalls zu tragen vermögen, für sich alleine nicht bestehen bleiben (RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).

Schließlich fehlt es hinsichtlich des - ebenso wie die übrigen Aussprüche nach § 443 Abs 1 StPO verfehlt in Beschlussform ergangenen (US 4) - Ausspruchs über die Einziehung nicht näher bezeichneter „Suchtgiftutensilien“ an Urteilsannahmen zur Beurteilung der von (ausschließlich als Grundlage in Frage kommend) § 26 Abs 1 StGB als Voraussetzung für eine Einziehung genannten besonderen Beschaffenheit der Gegenstände (Z 11 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0121298).

Anzumerken bleibt, dass die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts gemäß § 34 SMG ebenso von der Aufhebung des Schuldspruchs unberührt bleibt (RIS-Justiz RS0088115) wie der - trotz missverständlicher Formulierung der Sache nach eindeutige - Ausspruch über das Absehen von der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20a Abs 2 Z 2 und 3 StGB).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen, auf die sich ein Eingehen im Hinblick auf die amtswegige Maßnahme erübrigt, seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang werden im Fall eines erneuten Schuldspruchs die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, auch bezogen auf ein Übersteigen der Grenzmenge (an Reinsubstanz) und zur Gewerbsmäßigkeitstendenz zu treffen und - der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend - ebenso zu begründen sein wie die Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 zweiter Satz SMG.

Die - die amtswegige Maßnahme nicht erfassende (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94039

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00057.10D.0518.000

Im RIS seit

01.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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