TE OGH 2010/5/19 8Ob123/09k

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Veröffentlicht am 19.05.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kossesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 4.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 7. Juli 2009, GZ 6 R 83/09m-16, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 74,66 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, ein in § 29 KSchG genannter Verein, begehrt die Feststellung, dass der Beklagten „keine Forderung, insbesondere aus dem am 14. 4. 2005 abgeschlossenen Trainingsvertrag für die Bezahlung weiterer Entgelte für Fitness bzw Infrarot und Power Plate/Swingvibe sowie Zinsen und Inkassospesen, gegenüber Frau R***** C*****“ (in weiterer Folge: Vertragspartnerin der Beklagten) zustehe. Er brachte dazu vor, dass die Vertragspartnerin mit der Beklagten am 14. 4. 2005 einen Trainingsvertrag abgeschlossen habe, den sie im September 2005 schriftlich gekündigt habe. Sie habe die erste Jahresgebühr von 80 EUR, und in weiterer Folge - im Hinblick auf eine allfällige Verspätung ihrer Kündigung - weitere 280 EUR gezahlt. Die Beklagte habe die Kündigung des Vertrags nicht zur Kenntnis genommen und weitere Forderungen gestellt. Obwohl die Vertragspartnerin weitere Zahlungen abgelehnt habe, habe die Beklagte ein Inkassobüro beauftragt, das die Forderungen betrieben und mit Klage gedroht habe. Die Vertragspartnerin habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sie den geforderten Betrag nicht schulde. Den geltend gemachten „Anspruch auf Feststellung“ habe sie an den Kläger abgetreten.

Die Beklagte bestritt die Aktivlegitimation des Klägers. Dieser sei ausschließlich zur Geltendmachung von Unterlassungs-, nicht aber von Feststellungsansprüchen berechtigt. Ein Feststellungsanspruch sei überdies kein veräußerliches Recht und nicht abtretbar. Ebenso sei die bloße Übertragung einer Prozessführungsbefugnis unzulässig. Darüber hinaus sei die Feststellungsklage auch inhaltlich nicht berechtigt.

Dem hielt der Kläger unter anderem entgegen, dass § 502 Abs 5 Z 3 ZPO seit der ZVN 2004 nicht nur auf reine Geldleistungsansprüche, sondern auf alle abtretbaren Ansprüche, deren Wahrnehmung in den Aufgabenbereich der in § 29 KSchG genannten Verbände falle, anwendbar sei. Auch der geltend gemachte Feststellungsanspruch sei daher abtretbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Dem Kläger fehle die Aktivlegitimation, weil er keine überindividuellen Interessen, sondern nur jene der Vertragspartnerin verfolge. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, weil die Rechtslage der Vertragspartnerin durch die Vorgangsweise der Beklagten nicht gefährdet sei.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Dem österreichischen Recht sei eine gewillkürte Prozessstandschaft fremd. Im konkreten Fall sei von einer unzulässigen Übertragung des Prozessführungsrechts auf den Kläger auszugehen. Schon aus der Formulierung des Klagebegehrens ergebe sich, dass der Kläger im eigenen Namen eine Prozessführung über ein fremdes Recht anstrebe. Das Klagebegehren sei daher unberechtigt, ohne dass näher auf die Frage der Abtretbarkeit von Feststellungsansprüchen oder das Vorliegen eines Feststellungsinteresses einzugehen wäre.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers.

In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurück-, hilfsweise, sie abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

I. Die Revision ist zulässig.

In Rechtsstreitigkeiten, in denen ein im § 29 KSchG genannter Verband einen ihm zur Geltendmachung abgetretenen Anspruch klageweise geltend macht, kommt die privilegierte Anfechtungsmöglichkeit des § 502 Abs 5 Z 3 ZPO auch dann zum Tragen, wenn - wie hier - Gegenstand der Anfechtung die Frage ist, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt wirksam abgetreten werden konnte. Auf den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts kommt es daher nicht an. Die Zulässigkeit der Revision hängt vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Eine solche liegt hier vor, weil zur Frage der Abtretbarkeit von Feststellungsansprüchen zur Geltendmachung durch einen der in § 29 Abs 1 KSchG genannten Verbände Rechtsprechung fehlt.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

II. Der klagende Verband ist gesetzlich befugt, individuelle Ansprüche, die ihm zur Geltendmachung abgetreten werden, klageweise geltend zu machen (§ 502 Abs 5 Z 3 ZPO). Diese Befugnis erfasst jedoch nur solche Ansprüche (unabhängig von ihrer Natur), die abgetreten werden können und deren Wahrnehmung in den Aufgabenbereich der in § 29 KSchG genannten Verbände fällt (4 Ob 208/08d mwH; RV 613 BlgNR 22. GP 3 f, 7; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 200; RIS-Justiz RS0122125).

II.1 Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte ZVN 2004, BGBl I 2004/128 hat am Umstand, dass die Klagebefugnis der in § 29 KSchG genannten Verbände nur Ansprüche erfasst, die abgetreten werden können, nichts geändert. Sie verfolgte das Ziel, Testverfahren zur Abklärung der materiellrechtlichen Rechtslage im Interesse breiter Bevölkerungskreise im Rahmen von „Musterprozessen“ der in § 29 KSchG genannten Verbände zu ermöglichen (613 BlgNR 22. GP 7). Durch die Sonderbestimmung des § 502 Abs 5 Z 3 ZPO sollen Testverfahren nicht nur für Geldforderungen, sondern auch Ansprüche anderer Art ermöglicht werden, sofern sie abtretbar sind (613 BlgNR 22. GP 7).

III. Gemäß § 1393 ABGB sind alle veräußerlichen Rechte Gegenstand der Abtretung. Daher sind ganz allgemein obligatorische Rechte abtretbar.

III.1. Der Kläger macht einen ihm abgetretenen (negativen) Feststellungsanspruch geltend. Ein derartiger Feststellungsanspruch ist kein aus dem Privatrecht resultierender materieller Anspruch, sondern er hat seine Grundlage ausschließlich im Prozessrecht. Ein materieller Anspruch auf Feststellung oder Anerkennung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Rechtsverhältnisses besteht nicht (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 Rz 5; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO³ § 228 Rz 1). Das materielle Privatrecht gewährt mangels vertraglicher Verpflichtungen an sich keine durchsetzbaren Ansprüche auf Anerkennung von Privatrechtsverhältnissen. Es gewährt aber ebenso wenig einen Privatrechtsanspruch auf gerichtliche Feststellung streitiger Privatrechtsverhältnisse. Es ist vielmehr § 228 ZPO, der nur eine eigene Rechtschutzform eröffnet und für diese die prozessualen Zulässigkeitsbedingungen schafft (Fasching aaO, III § 228 Rz 5).

III.2. Im Falle der Abtretung eines privatrechtlichen Anspruchs umfasst die dem Zessionar damit verbundene Rechtsposition auch das Recht, die durch § 228 ZPO eröffnete Rechtschutzform zu nützen und eine den abgetretenen Anspruch betreffende Feststellungsklage zu erheben. Die Abtretung des bloßen Anspruchs, eine (negative) Feststellungsklage zu erheben, läuft aber auf die Übertragung eines reinen Prozessführungsrechts, also auf eine Prozessstandschaft, hinaus.

III.3. Das österreichische Recht kennt keine gewillkürte Prozessstandschaft. Die bloße Klagebefugnis kann als unverzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch nicht von dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht abgetrennt und daher nicht ohne dieses übertragen werden (RIS-Justiz RS0032788; RS0053157; Heidinger in Schwimann, ABGB³ § 1393 Rz 33; Ertl aaO § 1393 Rz 1). Hier beruft sich der Kläger aber in unmissverständlicher Weise ausschließlich auf die zum Zweck der Klageführung erfolgte Abtretung des Feststellungsanspruchs. Auch die vom Kläger vorgelegte Abtretungsvereinbarung Beilage ./O ist eindeutig in diesem Sinn formuliert. Dass dem Kläger ein wie immer gearteter privatrechtlicher Anspruch abgetreten worden sei, wurde mit keinem Wort behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger beruft sich daher inhaltlich auf die Abtretung des bloßen Prozessführungsrechts. Eine solche Abtretung ist aber nicht wirksam möglich.

III.4. Auf die Entscheidung 4 Ob 208/08d kann sich der Kläger für seinen gegenteiligen Standpunkt nicht berufen. Auch in dieser Entscheidung vertrat der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung, dass die bloße Übertragung einer Prozessführungsbefugnis und auch die dort in Rede stehende Abtretung des bloßen Anspruchs auf Teilanfechtung einer in einem Darlehensvertrag enthaltenen Zinsanpassungsklausel nicht wirksam erfolgen könne. Die Klagebefugnis des dort klagenden Vereins wurde aber damit begründet, dass dem Verein nach dem Inhalt der von ihm vorgelegten Abtretungsvereinbarung von den betroffenen Darlehensnehmern die (künftige) Forderung auf Rückersatz zu viel gezahlter Zinsen abgetreten worden sei; mit deren Abtretung sei auch der zunächst nunmehr vom Verein klageweise geltend gemachte, für sich allein nicht abtretbare Anspruch als Hilfsanspruch übergegangen. Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall, in dem - wie ausgeführt - dem klagenden Verein sowohl nach dessen Vorbringen als auch nach dem Wortlaut der Abtretungsvereinbarung ausschließlich der Anspruch auf Feststellung des Nichtbestehens einer Forderung zur Klageführung abgetreten wurde. Eine solche Abtretung ist aber nicht wirksam möglich.

Das Berufungsgericht hat daher die Klagebefugnis des klagenden Vereins zu Recht verneint.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht,Gruppe: Konsumentenschutz,Produkthaftungsrecht

Textnummer

E94161

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00123.09K.0519.000

Im RIS seit

10.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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