TE OGH 2010/5/19 8Ob131/09m

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei X*****, vertreten durch BMA Brandstätter Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.082,72 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Juli 2009, GZ 2 R 79/09s-20, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Jänner 2009, GZ 42 Cg 83/08h-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.678,68 EUR (darin enthalten 279,78 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

I. Die Klägerin betreut im Rahmen einer Unternehmensgruppe den An- und Verkauf von Geräten, während eine andere Gesellschaft der Gruppe (Leasinggesellschaft) für das Verleasen und Vermieten zuständig ist. Im Mai 2007 nahm die Leasinggesellschaft ein gebrauchtes Gerät zurück. Ebenfalls im Mai 2007 wurde dieses Gerät von der Klägerin gekauft. Am 23. 6. 2007 wurde es von einer weiteren Gesellschaft der Unternehmensgruppe bei der Beklagten eingelagert. Dabei wurde die Seriennummer des Geräts im System der Beklagten durch einen Tippfehler falsch eingegeben. Eine Kontrolle bei dieser Eingabe gibt es nicht.

Die Klägerin beabsichtigte, das Gerät von einer weiteren der Unternehmensgruppe angehörenden Gesellschaft (Wartungsgesellschaft), die ihre Betriebsräumlichkeiten im unmittelbaren Naheverhältnis zum Lager der Beklagten hat, warten zu lassen und dann weiter zu verkaufen. Dazu kaufte die Klägerin auch ein Adapterset um 5.124 EUR. Auch dieses wurde bei der Beklagten deponiert.

Das Gerät wurde schließlich im Zuge einer Verkleinerung der Werkstattfläche der Wartungsgesellschaft in einen der Beklagten gehörenden Zwischengang zwischen dem Lager der Beklagten und der Werkstätte gestellt. In weiterer Folge entschloss sich die Beklagte aus Sicherheitsgründen, den Gang zu räumen und teilte dies auch der Wartungsgesellschaft mit. Die Beklagte bzw deren Arbeitnehmer beförderten das Gerät samt Adapterset „aufgrund des optischen Eindrucks“ zum Sammelplatz für zu verschrottende Maschinen. Den Mitarbeitern der Beklagten war aber grundsätzlich bekannt, dass das Gerät der Wartungsgesellschaft zugeordnet war. In der Regel werden Geräte nur über konkrete Anweisungen der Mitarbeiter der Wartungsgesellschaft verschrottet.

Die Beklagte anerkannte im April 2008 ein „speditionelles Verschulden“ ihrerseits, bezahlte jedoch unter Berufung auf die Haftungsbeschränkung nach § 54 AÖSp nur unpräjudiziell und ohne ein abschließendes Haftungsanerkenntnis 1.090 EUR.

II. Die Klägerin stützt ihr Schadenersatzbegehren auf ihr Eigentum an der Maschine, das der Beklagten ebenso bekannt gewesen sei, wie der Umstand, dass die Lagerung für die Klägerin erfolgen sollte. Konkludent sei auch ein Vertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen. Entgegen den sonstigen Gepflogenheiten habe es hier an einem Auftrag zur Verschrottung des Geräts gemangelt. Die AÖSp seien anzuwenden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass sie von einer anderen Gesellschaft der Unternehmensgruppe beauftragt worden sei und es an einem Vertragsverhältnis zur Klägerin mangle. Die AÖSp seien anzuwenden. Es handle sich um einen Fall mit einer Versicherung iSd § 39 AÖSp, sodass nach § 41 AÖSp nur der Speditionsversicherer anstelle des Spediteurs hafte. Bei den sonstigen weiter zu verwendenden Geräten sei regelmäßig ein gut sichtbares Serviceheft angebracht, an dem es hier gemangelt habe.

III. Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren übereinstimmend stattgegeben. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Vertrag zwischen der einlagernden Gesellschaft und der Beklagten auch Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfalte. Die Klägerin und die einlagernde Gesellschaft seien miteinander verbunden, was der Beklagten auch bekannt sei. Die Haftungsbefreiung nach § 41 lit a der AÖSp komme hier nicht zum Tragen, weil das Verhalten der Beklagten als grob fahrlässig einzustufen sei. Im Rahmen einer Berichtigung des Urteils des Berufungsgerichts stellte dieses klar, dass es die ordentliche Revision als zulässig erachte, da eine Rechtsprechung zur Annahme eines Vertrags zugunsten Dritter im Fall von „Lager- oder Logistikverträgen“ nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels der Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

IV. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis auch auf Dritte erstreckt werden, wenn diese erkennbar durch die Vertragserfüllung erhöht gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Dies betrifft ua Dritte, an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat oder hinsichtlich welcher ihn selbst Fürsorgepflichten treffen (Harrer in Schwimann ABGB3 § 1295, Rz 108, Karner in KBB2 § 1295 Rz 19; RIS-Justiz RS0022478; RS0020769; RS0034594). Die Frage, ob die Auslegung eines Vertrags ergibt, dass sich die Sorgfaltspflichten auch auf bestimmte Dritte erstrecken sollen (RIS-Justiz RS0017195 mwN), kann nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden (RIS-Justiz RS0017058 [T2]; RS0017043 [T5] ua) und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (E. Kodek in Rechberger ZPO3 § 502 Rz 26). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, zumal die Parteien im Ergebnis übereinstimmend vom Vorliegen eines Speditionsvertrags ausgehen, alle beteiligten Gesellschaften in ständiger Geschäftsbeziehung standen und der Vertrag offensichtlich dem Schutz des jeweiligen Eigentümers im Rahmen der Unternehmensgruppe diente. Allfällige Ansprüche aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen der Klägerin zur Beklagten oder zu der einlagernden Gesellschaft, die der Haftung aus dem Vertrag zugunsten Dritter möglicherweise entgegenstehen könnten (vgl etwa Reischauer aaO Rz 32), werden nicht konkret aufgezeigt. Die Wartungsgesellschaft war weder Partner des Vertrags, der die Einlagerung umfasste, noch wird ausgeführt, woraus sich Ansprüche der Klägerin gegen diese ergeben könnten.

Auch die Abgrenzung zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit (zur nicht weiter in Frage gestellten Unzulässigkeit der Haftungseinschränkung bei grober Fahrlässigkeit etwa RIS-Justiz RS0038489) kann jeweils nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0044262 oder RS0087606). Auch insoweit vermag die Revision keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen, da die Beklagte entgegen den ständigen Gepflogenheiten einfach die Verschrottung des Gerätes samt des neuwertigen Adaptersets veranlasst hat, ohne den für eine solche Vorgangsweise vorgesehenen Auftrag erhalten zu haben. Die Frage der passiven Klagslegitimation wird in der Revision nicht mehr weiter ausgeführt.

Soweit die Beklagte releviert, dass sich die Maschine gar nicht mehr in ihrer Obhut befunden habe, ist ihr zuzugestehen, dass die Feststellungen insoweit dürftig und teilweise nicht wünschenswert klar sind. Daraus ist aber für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Ihr dazu erstattetes erstinstanzliches Vorbringen ist widersprüchlich: Zwar hat sie im Laufe des Verfahrens vorgebracht, das Gerät aus dem Lager geholt und der Klägerin bzw der einlagernden Gesellschaft übergeben zu haben; diese habe eine „der Verkehrssitte entsprechende“ Rückübergabe nicht durchgeführt (S 5 in ON 9). Andererseits hat sie aber vorgebracht, dass das Gerät wieder der Beklagten übergeben wurde (AS 17) und dass sie den Auftrag hatte, das Gerät aus der „Bereitstellungszone“ zurück in das Lager „umzuschlagen“ (AS 39). Fest steht jedenfalls, dass das Gerät bis zuletzt im Lagersystem der Beklagten erfasst war, dass es sich zum Zeitpunkt seines Abtransports in einem ihr gehörigen Bereich befand, dass die Beklagte vollen Zugriff darauf hatte und dass sie sich auch als berechtigt erachtete, das Gerät zur Verschrottung abzutransportieren. Diese Berechtigung hat sie aber im Verfahren immer nur aus ihrer vertraglichen Position abgeleitet, die - wie die Beklagte behauptet hat - die Befugnis umfasst hat, unter gewissen Voraussetzungen bei ihr eingelagerte Geräte verschrotten zu lassen. Ihrer Darstellung, sie sei berechtigt, Geräte ohne „Label“ und ohne Serviceheft verschrotten zu lassen, sind die Vorinstanzen nicht gefolgt. Dass der Gang vor der Werkstätte von der Wartungsgesellschaft gemietet worden sei, ist ebenfalls durch die Feststellungen der Vorinstanzen nicht gedeckt. Angesichts all dieser den vorliegenden Fall kennzeichnenden Umstände erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts jedenfalls als vertretbar, sodass für ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs keine Veranlassung besteht.

Soweit die Beklagte nunmehr eine Teilung des Schadens aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin begehrt, ist ihr entgegenzuhalten, dass ein dahingehender Einwand im Berufungsverfahren nicht erhoben wurde. Dies gilt auch, soweit die Beklagte nunmehr davon ausgeht, dass ihre Mitarbeiter als Erfüllungsgehilfen der einlagernden Gesellschaft oder der Wartungsgesellschaft anzusehen wären.

Dass das Erstgericht ein Beweisverfahren zur Anwendung der AÖSp durchgeführt hat, obwohl diese außer Streit gestellt wurde, ist ohne Relevanz, da ja entsprechend dem Vorbringen der Beklagten ohnehin von der Anwendbarkeit der AÖSp ausgegangen wurde.

Die Höhe des Klagebegehrens ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Insgesamt vermag die Revision jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

Textnummer

E94195

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00131.09M.0519.000

Im RIS seit

14.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten