Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch die NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert 21.800 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2009, GZ 7 Ra 12/09b-9, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Oktober 2008, GZ 31 Cga 123/08d-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.327,68 EUR (darin 221,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Berechnung des Urlaubsentgelts in Schichtbetrieben keine Rechtsprechung vorliege. Dieser Begründung des Zulassungsausspruchs schloss sich die Revisionswerberin im Wesentlichen an. Der Revisionsgegner bestritt demgegenüber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Die Beklagte vermenge die Berechnung des Urlaubsentgelts mit der hier nicht gegenständlichen Frage des Urlaubsausmaßes. Es werde deshalb die Zurückweisung der Revision beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Der klagende Betriebsrat begehrt mit der vorliegenden Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass die Beklagte allen Mitarbeitern, die an einen in der Klage genannten Beschäftiger überlassen werden und dort im Schichtbetrieb tätig oder tätig gewesen sind, für jeden konsumierten Urlaubstag bis einschließlich 31. 5. 2008 ein zusätzliches Urlaubsentgelt im Ausmaß eines halben Stundenentgelts sA zu bezahlen habe. Von der Abrechnung des Urlaubsentgelts seien mehr als drei Arbeitnehmer betroffen.
Der festzustellende Anspruch auf (zusätzliches) Urlaubsentgelt ist unstrittig nach § 6 UrlG zu beurteilen. Nach § 6 Abs 1 UrlG behält der Arbeitnehmer während des Urlaubs den Anspruch auf das Entgelt nach Maßgabe der weiteren Absätze des § 6 UrlG. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Arbeitnehmer durch den Urlaubsverbrauch keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden darf (Ausfallprinzip). Der Arbeitnehmer soll das Entgelt, das er vor dem Urlaubsantritt regelmäßig bezogen hat, in grundsätzlich gleicher Höhe für die Zeit seines im konkreten Fall in Anspruch genommenen Urlaubs weiterbeziehen (Kuderna, UrlG² § 6 Rz 1; Cerny, UrlG9 § 6 Erl 1; Reissner in ZellKomm § 6 UrlG Rz 1 ff, 5 f; RIS-Justiz RS0058728 ua). Ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt darf gemäß § 6 Abs 2 UrlG für die Urlaubsdauer nicht gemindert werden. In allen anderen Fällen ist gemäß § 6 Abs 3 UrlG für die Urlaubsdauer das regelmäßige Entgelt zu zahlen. Darunter versteht man jenes Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre. Die Bestimmungen des § 6 UrlG über das Urlaubsentgelt sind - abgesehen von hier nicht relevanten kollektivvertraglichen Regelungen iSd § 6 Abs 5 UrlG - unabdingbar. Die Geltung des Ausfallprinzips kann daher nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (Cerny, UrlG9 § 6 Erl 1 mwN ua).
Die Beklagte räumt ein, dass der Anspruch auf Urlaubsentgelt vom Ausfallprinzip beherrscht wird, und gewährt den betroffenen Arbeitnehmern auch ab Juni 2008 das Urlaubsentgelt entsprechend den konkret ausfallenden Arbeitsstunden, steht aber im Übrigen auf dem Standpunkt, dass auch ihre frühere Berechnungsmethode, bei der sie trotz täglicher Arbeitszeit von 8,17 Stunden je Urlaubstag nur 7,7 Stunden bezahlte, dem Gesetz entsprochen habe. Die weiteren Ausführungen der Beklagten zu dieser Frage sind nur zum Teil verständlich, lassen aber erkennen, dass es der Beklagten in Wahrheit um das Urlaubsausmaß geht und sie den beim Beschäftiger im Schichtdienst Tätigen nur 23 1/3 Arbeitstage Urlaub, und nicht 25 Arbeitstage Urlaub, zubilligt. Um das Urlaubsausmaß geht es allerdings beim vorliegenden Klagebegehren nicht, worauf der klagende Betriebsrat mehrfach hingewiesen hat, was die Beklagte auch in der Revision grundsätzlich einräumt, und welchem Standpunkt sich auch die Vorinstanzen angeschlossen haben. Inwieweit § 12 UrlG dann, wenn mehr als der gesetzlich zustehende Urlaub gewährt wird, abweichende arbeitsvertragliche Regelungen (mehr Urlaub, weniger - überkollektivvertragliches - Entgelt) überhaupt zulassen würde, bedarf keiner Erörterung, weil eine solche Vereinbarung nicht einmal behauptet wurde.
Nachdem die Beklagte das gesetzlich normierte Ausfallprinzip nicht in Frage stellt und die im Feststellungsbegehren enthaltene zusätzliche halbe Stunde Urlaubsentgelt unstrittig ihre Grundlage in der Differenz zwischen dem tatsächlichem Arbeitsausmaß im Schichtdienst (vgl beispielsweise dazu die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung Beil ./1) und dem von der Beklagten vor dem 1. 6. 2008 gewährten Urlaubsentgelt hat, stellt sich fallbezogen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Aus dem gegenständlichen Schichtdienst (6 Tage Arbeit - 3 Tage frei etc) ergibt sich für die vorliegende Fragestellung nichts Besonderes. Die Frage der richtigen Umrechnung der nach dem Urlaubsgesetz zustehenden 30 Werktage auf die so festgelegten Arbeitstage wird hier nicht entscheidungswesentlich releviert. In erster Instanz wurde nicht geltend gemacht, dass sich das zusätzlich begehrte Urlaubsentgelt auf Urlaubstage bezieht, die nicht laut Dienstvertragsregelung Arbeitstage gewesen wären. Im vorliegenden Feststellungsverfahren geht es nur um das Urlaubsentgelt für ein unstrittig in der Vergangenheit gebührendes Urlaubsausmaß.
Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).
Schlagworte
Arbeitsrecht,Textnummer
E94183European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00063.09V.0526.000Im RIS seit
12.07.2010Zuletzt aktualisiert am
12.07.2010