Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik sowie Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Florian Gehmacher, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Wilhelm K*****, Rechtsanwalt, *****, wegen 89.044,56 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2010, GZ 3 R 110/09g-21, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 25. September 2009, GZ 22 Cg 50/07g-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Über das Vermögen der H***** GmbH wurde aufgrund des Konkursantrags vom 10. Juni 2005 am 11. April 2006 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der beklagte Rechtsanwalt hatte noch vor Konkurseröffnung, nämlich am 11. Jänner 2006, einen Kaufvertrag über den Verkauf einer Liegenschaft der Gemeinschuldnerin errichtet, bei dessen Durchführung er als Treuhänder der Käuferin fungierte. Nach Pkt IV des Kaufvertrags sollte er berechtigt sein, einen nach Abdeckung der Hypothekarverbindlichkeiten auf der Liegenschaft noch verbleibenden Restkaufpreis für Kosten seiner Tätigkeit einzubehalten.
Mit seiner auf die § 30 Abs 1 Z 1, § 31 Abs 1 Z 2 erster und zweiter Fall, § 30 Abs 1 Z 3 und § 28 KO gestützten Anfechtungsklage begehrte der Masseverwalter das Urteil, diese Vertragsbestimmung sei gegenüber den Gläubigern im Konkurs der Gemeinschuldnerin unwirksam; die Beklagte sei schuldig 89.044,56 EUR sA an die klagende Partei zu leisten. Gestützt auf die selben Anfechtungstatbestände focht der Masseverwalter überdies die Herstellung der Aufrechnungslage an (S 10 der Anfechtungsklage). Die Aufrechnung sei auch nach den §§ 19 und 20 KO unzulässig. Von den insgesamt mit 107.836,12 EUR (= Restkaufpreis) geltend gemachten Honoraransprüchen des Beklagten sei ein Teilbetrag von 18.791,56 EUR brutto für dessen Bemühungen um die Lastenfreistellung der Liegenschaft anerkannt worden. Die restlichen (klagegegenständlichen) Honorarforderungen beträfen vor Konkurseröffnung erbrachte anwaltliche Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags stünden und für die der Beklagte nachträglich ihm nicht gebührende Sicherstellung zu erlangen versucht habe. Der Beklagte sei in Kenntnis des Konkurseröffnungsantrags gewesen, da er die Gemeinschuldnerin im Konkurseröffnungsverfahren vertreten habe.
Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, seine Honorarforderungen seien Masseforderungen, weil seine Tätigkeiten im Interesse sämtlicher Gläubiger gelegen wären und der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Konkursmasse gedient haben. Er habe erreicht, dass sich einige der Gläubiger mit Abschlagszahlungen zufrieden gaben. Infolge des aufgrund des § 19 RAO zustehenden Absonderungsrechts könnten die Honorarforderungen mit Ansprüchen der Masse kompensiert werden.
In seiner Gegeneinrede focht der Masseverwalter unter Berufung auf die bereits dargelegten Anfechtungstatbestände auch die durch § 19 RAO bewirkte Sicherstellung an (Schriftsatz ON 3, AS 33).
Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf das Erstgericht folgende weiteren wesentlichen Feststellungen:
Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin trat spätestens mit Anfang 2004 ein und dauerte bis zur Konkurseröffnung an. Der Beklagte war bereits im Jahr 2004 in Kenntnis, dass gegen die Gemeinschuldnerin ein Konkurseröffnungsantrag gestellt worden war (S 24 des Ersturteils). Gemäß Pkt IV 3. Absatz des Kaufvertrags war er als Treuhänder berechtigt und verpflichtet, den erlegten Kaufpreis in Anspruch zu nehmen, wenn sichergestellt war, dass der Kaufpreis zur Erlangung der erforderlichen Löschungsquittungen in Ansehung aller im C-Blatt intabulierten Lasten ausreicht. Nach Erzielung von Forderungsnachlässen konnte er die Lastenfreistellung erreichen, sodass aus dem Kaufpreis 287.535,61 EUR verblieben. Davon überwies der Beklagte 179.699,49 EUR an die Konkursmasse, 107.836,12 EUR behielt er unter Berufung auf Pkt IV des Kaufvertrags ein. Sein Honorar für die Verhandlungen mit den Gläubigern betrug 18.791,56 EUR. Die restlichen 89.044,56 EUR verwendete er zur Tilgung offener Honorarforderungen gegen die Gemeinschuldnerin aus früheren Vertretungsverhältnissen (Seiten 22 und 23 des Ersturteils).
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Erstgericht erachtete die Anfechtungstatbestände nach den §§ 30 Abs 1 Z 1 und § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO als erfüllt; das Berufungsgericht jedenfalls jenen nach § 31 Abs 1 Z 2 KO.
Rechtliche Beurteilung
In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Nur Kosten für die vom Masseverwalter selbst oder in dessen Auftrag von einem anderen Rechtsanwalt nach Konkurseröffnung geführten Prozesse sind Masseforderungen (Engelhart in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 46 Rz 51). Honoraransprüche des früheren Vertreters des Gemeinschuldners für vor Konkurseröffnung geleistete anwaltliche Tätigkeiten stellen keine Masseforderungen dar (Engelhart aaO Rz 52). Zu diesen zählen auch nicht die Kosten für die Vertretung des Gemeinschuldners im Konkursverfahren (Engelhart aaO Rz 41). Die Behauptung, die Tätigkeit des Beklagten habe der Konkursmasse und den Gläubigern zum Vorteil gereicht, vermag die Qualifikation dessen Honoraransprüche als Konkursforderungen nicht zu ändern. Die Entscheidung 6 Ob 184/01d betrifft den Entgeltanspruch eines Notgeschäftsführers, der vom Masseverwalter - somit während des bereits anhängigen Konkursverfahrens - für Aufgaben der Verwaltung und Bewirtschaftung des Konkursvermögens in Anspruch genommen wurde. Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall nicht zu. Das erstmalig in der Revision erstattete Vorbringen, der Masseverwalter habe die vor Konkurseröffnung erbrachten Tätigkeiten des Beklagten verwertet und übernommen und sei in den Kaufvertrag eingetreten (gemeint also, der Masseverwalter habe die Bemühungen des Beklagten um einen außergerichtlichen Ausgleich genehmigt), stellt eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung dar (§ 504 Abs 2 ZPO; RIS-Justiz RS0041812 zu § 482 ZPO). Den Anspruch begründende Tatsachen können im Revisionsverfahren nicht nachgetragen werden (RIS-Justiz RS0037612).
1.2. Hat bereits das Berufungsgericht das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels infolge Verletzung des § 182a ZPO im Zusammenhang mit dem Vorbringen zu den anwaltlichen Leistungen des Beklagten verneint, kann der behauptete Verfahrensmangel vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).
2. Entscheidend dafür, ob ein Rechtsgeschäft nur im Ganzen anfechtbar ist oder etwa einzelne Bestimmungen herausgegriffen werden können ist, ob sich die Anfechtung gegen einheitliche Wirkungen einer Rechtshandlung richtet oder ob sich die gläubigerbenachteiligenden Folgen einer Rechtshandlung in einzelne voneinander unabhängige, selbstständige Teile zerlegen lassen (10 Ob 104/07b mwN; Rebernig in Konecny/Schubert aaO § 27 Rz 67 mwN). Die Ansicht des Berufungsgerichts, diese Voraussetzung sei erfüllt, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Dass der angefochtene Pkt IV des Kaufvertrags eine selbstständige Vertragsbestimmung ist, die eine Teilanfechtung ermöglicht, ergibt sich schon daraus, dass darin - zum Unterschied von den übrigen Vertragsklauseln - nicht das Verhältnis zwischen den Kaufvertragparteien geregelt wird, sondern jenes zwischen der Verkäuferin (der späteren Gemeinschuldnerin) und dem Beklagten als Vertragserrichter.
3. Da der Antrag auf Konkurseröffnung für die Anfechtung nach dem §§ 30 f KO Formalvoraussetzung (ein „formaler“ Stichtag) ist, ist es gleichgültig, ob zur Zeit des Antrags materielle Insolvenz bereits eingetreten ist oder nicht (10 Ob 46/05w; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung4, Rz 10/29).
4. Der Revisionswerber vertritt auch in der Revision den Standpunkt, sein Honoraranspruch sei deshalb anfechtungsfest, weil ihm aufgrund des sich aus § 19 Abs 1 RAO ergebenden Zurückbehaltungrechts im Konkurs der Gemeinschuldnerin ein Absonderungsrecht zukomme (siehe § 10 Abs 2 KO; Apathy in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4, § 10 Rz 16 f). Dem ist Folgendes entgegen zu halten:
Ein Absonderungsgläubiger, der kongruent, aber in Kenntnis des Konkursantrags befriedigt wird, kann sich nur dann auf seine „geschützte Stellung“ als Absonderungsgläubiger berufen und Befriedigungsuntauglichkeit einwenden, wenn das Absonderungsrecht selbst - wäre es mangels Befriedigung noch existent - unanfechtbar wäre. Ist das Sicherungsrecht aber anfechtbar, kann die Befriedigung seines Inhabers nicht vor der Anfechtbarkeit schützen. Auf die Einwendung des Beklagten, infolge § 19 RAO Absonderungsberechtigter zu sein, stand dem Masseverwalter somit die zeitlich unbefristete Gegeneinrede der Anfechtbarkeit auch des Absonderungsrechts zu (3 Ob 116/08t; 7 Ob 2/99s; König aaO Rz 11/33). Diese Gegeneinrede ist erfolgreich, sofern das Absonderungsrecht - wäre es noch existent - anfechtbar gewesen wäre. Im vorliegenden Anfechtungsprozess gegen die erfolgte Deckung ist demnach die hypothetische Anfechtbarkeit des Zurückbehaltungsrechts zu prüfen. Die erreichte Deckung ist nur dann anfechtungsfest, wenn dies auch für das Absonderungsrecht gilt (6 Ob 280/00w = SZ 73/197). Ergibt diese Prüfung aber, dass das - infolge Befriedigung mittlerweile erloschene - Absonderungsrecht anfechtbar wäre, ist der Anfechtungsgegner nur gewöhnlicher Konkursgläubiger und kein Absonderungsgläubiger.
Im vorliegenden Fall erweist sich die innerhalb von 6 Monaten vor der Konkurseröffnung erfolgte rechtsgeschäftliche Einräumung der Sicherstellung in Pkt IV des Kaufvertrags als anfechtbar iSd § 31 Abs 1 Z 2 erster und auch zweiter Fall KO (König aaO Rz 11/33 und 11/52). Dass dem Beklagten die Tatsache des Konkurseröffnungsantrags bekannt war, zieht er nicht in Zweifel. Die Sicherstellung des noch vorhandenen Restbetrags zur Abdeckung älterer Honorarforderungen war für die übrigen Gläubiger objektiv nachteilig, weil diese auf die Konkursquote verwiesen waren, während der Beklagte die sich aus § 19 Abs 1 RAO ergebende Aufrechnungsbefugnis wahrnehmen konnte (6 Ob 16/02z), um die gänzliche Befriedigung seiner Konkursforderungen zu erlangen. Dass das vom Beklagten rechtsgeschäftlich erworbene Zurückbehaltungsrecht zugleich ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht ist, macht § 31 KO nicht unanwendbar (Koziol/Bollenberger in Buchegger aaO § 31 Rz 5; König aaO Rz 11/35 mwN). Erweist sich die Sicherstellung als anfechtbar, ist der Beklagte in Ansehung der Anfechtbarkeit der Befriedigung Konkursgläubiger. Da er nach dem Antrag auf Konkurseröffnung durch eine Rechtshandlung Befriedigung erlangt hat, ist die Befriedigung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar, darüber hinaus ist wohl auch der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall erfüllt. Mit dem Revisionsvorbringen, die Gemeinschuldnerin sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags am 11. Jänner 2006 nicht zahlungsunfähig gewesen, geht der Revisionswerber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Eine unverschuldete Unkenntnis des beklagten Anfechtungsgegners von der Insolvenzreife, der Kenntnis vom Antrag auf Konkurseröffung hatte, liegt nicht vor (dazu Rebernig aaO § 31 Rz 40 f).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Schlagworte
Anfechtungsrecht,Textnummer
E94192European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00055.10Z.0526.000Im RIS seit
14.07.2010Zuletzt aktualisiert am
14.03.2011