TE OGH 2010/5/27 5Ob4/10i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. Dipl.-Ing. Dr. Gerhard H*****, vertreten durch Mag. Hannes Engl, Rechtsanwalt in Ebensee, 2. Dipl.-Ing. Editha G*****, 3. Mag. Doretta S*****, 4. Ingrid G*****, gegen die Antragsgegner 1. Ing. Klaus G*****, 2. Gabriele C*****, 3. Hannelore P*****, 4. Mag. Dr. Alexander K*****, alle vertreten durch Dr. Hans-Peter Neher, Rechtsanwalt in Bad Ischl, und sämtliche übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** ***** (Wohnhausanlage *****), wegen §§ 24 Abs 6, 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002, über den Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Beschluss (richtig: Sachbeschluss) des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 7. September 2009, GZ 22 R 39/09f-34, mit dem infolge Rekurses des Erstantragstellers und der einschreitenden Antragsgegner der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 3. November 2008, GZ 1 Msch 2/08a-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Erstantragsteller ist schuldig, den einschreitenden Antragsgegnern die mit 445,80 EUR (darin 74,30 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat mit seinem Sachbeschluss ausgesprochen, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer (richtig: Eigentümergemeinschaft) der Liegenschaft EZ ***** GB *****

I) in seinem Punkt 1, mit dem die Wohnungseigentümerschaft (richtig: Eigentümergemeinschaft) den Verwaltungsvertrag mit der Hausverwaltung A***** & S***** KEG aus wichtigem Grund gemäß § 21 Abs 3 1. Fall WEG 2002 kündigt, rechtswirksam, und

II) in Punkt 2, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft (richtig: Eigentümergemeinschaft) die Hausverwaltung Mag. FH Reinhold W***** zum Hausverwalter der Wohnhausanlage bestellt, rechtsunwirksam ist.

Das Rekursgericht gab sowohl dem vom Erstantragsteller als auch dem von den einschreitenden Antragsgegnern erhobenen Rekurs nicht Folge und bestätigte folglich den Sachbeschluss des Erstgerichts. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt nicht 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zu der dem Rekurs der Antragsgegner zugrunde liegenden Rechtsfrage der Bestimmtheit von Stimmabgaben im Anwendungsbereich des WEG liege keine Rechtsprechung des Höchstgerichts vor. Dass Wohnungseigentümer bei der Bestellung eines neuen Verwalters auch dahin abstimmen könnten, mit der Bestellung zweier vorgeschlagener Verwalter in gleicher Weise einverstanden zu sein, sei in der Entscheidung 5 Ob 263/03t immerhin als möglich dargestellt worden. Die Frage habe Relevanz in einer potentiellen Vielzahl derartiger Abstimmungen in anderen Wohnungseigentumsobjekten.

Die Antragsgegner ließen die Entscheidung des Rekursgerichts unbekämpft, womit Punkt II) des erstgerichtlichen Sachbeschlusses in Rechtskraft erwuchs.

Gegen den Beschluss (richtig: Sachbeschluss [§ 37 Abs 3 Z 13 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002]) des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Erstantragstellers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass auch der Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu Punkt 1 für rechtsunwirksam erkannt werde. Hilfsweise stellt der Erstantragsteller auch einen Aufhebungsantrag.

Die einschreitenden Antragsgegner erstatteten eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem primären Antrag, den Revisionsrekurs des Erstantragstellers zurückzuweisen, in eventu diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002; vgl auch RIS-Justiz RS0042392) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs des Erstantragstellers mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002) nicht zulässig. Selbst wenn nämlich das Rekursgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, das Rechtsmittel dann aber - wie hier - nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist der Revisionsrekurs trotz der Zulässigerklärung zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059; zum außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG5 Ob 9/08x; 5 Ob 55/08m). Dies ist gemäß § 71 Abs 3 AußStrG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002, § 37 Abs 3 MRG) kurz zu begründen:

1. Der Vollständigkeit halber ist zunächst klarzustellen, dass das Erstgericht, wovon offenbar auch das Rekursgericht und die Parteien übereinstimmend und zutreffend ausgegangen sind, mit der in Punkt I) seines Sachbeschlusses gewählten Formulierung, den der Beschlussanfechtung zugrunde liegenden Sachantrag auf Unwirksamerklärung des betreffenden Beschlussteils abgewiesen hat.

2.1. Der Erstantragsteller vertritt in seinem Revisionsrekurs die Ansicht, der Aushang über das Ergebnis des Umlaufbeschlussverfahrens sei Grundlage für die Rechtswirksamkeit des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und für die Beurteilung des einzelnen Wohnungseigentümers dafür, ob er diesen Beschluss anfechten soll oder nicht. Es müsse daher bei der Überprüfung des Abstimmungsvorgangs vom Ergebnis laut Aushang ausgegangen werden und davon dürften dann nur die erfolgreich bekämpften Stimmen bzw Stimmenzählungen korrigiert werden, was zum Erfolg der Beschlussanfechtung auch zu Punkt I) des erstgerichtlichen Sachbeschlusses geführt hätte. Die Vorinstanzen hätten jedoch weitere - nicht bekämpfte - Falschzählungen korrigiert, wozu sie nicht berechtigt gewesen seien und was erst zu einer Mehrheit für den Beschlusspunkt 1 geführt habe.

2.2. Im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren haben die Gerichte schon aufgrund der (ua) aus §§ 13 Abs 1, 16 AußStrG folgenden (eingeschränkten; vgl dazu RIS-Justiz RS0083783; RS0029344; RS0070480; RS0069653) Amtswegigkeit die im Rahmen des geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrundes gewonnene Sachverhaltsgrundlage zu berücksichtigen. Sie können nicht, wie es offenbar dem Erstantragsteller vorschwebt, eine als unrichtig erwiesene Stimmenzählung durch ein anderes falsches Abstimmungsergebnis ersetzen, in dem weitere erkannte Fehler nur deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie zu dem vom anfechtenden Wohnungseigentümer gewünschten Ergebnis führen. Namentlich in der Entscheidung 5 Ob 169/08a (= MietSlg 60.459) hat daher der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass im Verfahren auf Überprüfung einer Abstimmung „das rechtlich richtige Ergebnis zugrunde zu legen“ sei (RIS-Justiz RS0124149). Für seine gegenteilige Ansicht sprechende Lehrmeinungen oder Judikate vermag der Erstantragsteller nicht auszuweisen.

3. Der Standpunkt des Erstantragstellers in seinem Revisionsrekurs, die Stimme der Wohnungseigentümerin Melanie H***** hätte deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen, weil deren Stimmzettel erst verspätet eingelangt sei, ist unbeachtlich. Die letztgenannte Behauptung hat der Erstantragsteller nämlich vor dem Erstgericht nicht aufgestellt, womit es sich um eine im wohnrechtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung (§ 37 Abs 3 Z 14 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002; RIS-Justiz RS0070485; RS0070461 [T2]) handelt. Schon aus diesem Grund kann auch das Unterlassen der Einvernahme des Hans F***** zu dieser Tatfrage (im Rahmen der Verfahrensergänzung) durch das Rekursgericht den vom Erstantragsteller daraus abgeleiteten Mangel des Rekursverfahrens nicht begründen. Im Übrigen hat der Erstantragsteller diese Einvernahme auch nicht (eindeutig erkennbar) zu dieser Tatfrage angestrebt.

4.1. Der Erstantragsteller geht zutreffend davon aus, dass im Rahmen eines Umlaufbeschlussverfahrens die Entscheidung (erst) dann zustande kommt, wenn auch dem letzten Miteigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS-Justiz RS0108769; 5 Ob 18/07v; 5 Ob 164/07i = wobl 2008/72, 223; 5 Ob 93/08z mzN = JBl 2009, 323 = immolex 2009/46, 118 [Maier-Hülle] = wobl 2009/67, 194). Dazu kommt, dass nach herrschender Ansicht bei einem Umlaufbeschluss die Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung erst dann eintritt, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist (5 Ob 64/00y = wobl 2001/10, 16 [Call] = MietSlg 52/26; vgl RIS-Justiz RS0106052). Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Mit- und Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist demnach bei Umlaufbeschlüssen - falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert ist - die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen (5 Ob 116/06d = immolex 2007/25, 54 = ecolex 2007/47, 105 [Friedl]; 5 Ob 118/02t = immolex 2003/44, 78 = wobl 2004/39, 150 [Vonkilch] = MietSlg 54.462; 5 Ob 18/07v = immolex 2008/5, 17 = MietSlg 59/16).

4.2. Für die weitergehende Ansicht des Erstantragstellers, die Bindungswirkung trete dann nicht ein, wenn sich das (hier:) mit Hausanschlag bekannt gegebene Abstimmungsergebnis (nachträglich) wegen unrichtiger Stimmenzählung als (objektiv) unrichtig erweise, weshalb auch noch eine im zugrunde liegenden Verfahren erfolgte Meinungsänderung einer Wohnungseigentümerin zu berücksichtigen gewesen wäre, kann der Erstantragsteller weder das Gesetz, noch einschlägige Rechtsprechung oder Lehrmeinungen ins Treffen führen. Diese Meinung des Erstantragstellers widerspricht im Übrigen Grundgedanken der Beschlussanfechtungsregeln, die ja auch die Heilung von Beschlussmängeln im Fall unterbliebener Anfechtung ermöglichen sollen (vgl dazu allgemein Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 24 WEG Rz 53).

Da der Erstantragsteller somit insgesamt keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002, § 37 Abs 3 Z 16 MRG) geltend macht, ist sein Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002). Die einschreitenden Antragsgegner haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses des Erstantragstellers hingewiesen. Für die Zuerkennung des verzeichneten dreifachen Einheitssatzes fehlt allerdings die gesetzliche Grundlage (vgl § 23 Abs 9 RATG).

Schlagworte

Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E94272

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00004.10I.0527.000

Im RIS seit

19.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten