Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Mag. Timo Gerersdorfer, Rechtsanwalt in Wien, sowie 3. Zouher M*****, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 27.177,92 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2009, GZ 4 R 160/09t-27, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. März 2009, GZ 37 Cg 135/07t-20, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.540,44 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 256,74 EUR USt und 1,80 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.
Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
In unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Veräußerung ihrer Liegenschaft an eine Gesellschaft, die als Wohnungseigentumsorganisatorin das Haus parifizieren ließ und die Wohnungen unter Begründung von Wohnungseigentum veräußerte, hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit einer Mobilfunkbetreiberin - der Erstbeklagten, gegenüber der das Klagebegehren von den Vorinstanzen bereits rechtskräftig abgewiesen wurde - einen entgeltlichen Nutzungsvertrag über die Errichtung einer Antennenanlage auf dem in ihrem Alleineigentum stehenden Haus abgeschlossen. Die Veräußerung der Liegenschaft an die Wohnungseigentumsorganisatorin erfolgte unter Vorbehalt dieses Nutzungsrechts. Die Wohnungseigentumsorganisatorin verpflichtete sich, diese Einschränkung an alle Miteigentümer weiter zu übertragen, was in der Folge auch in mehreren Kaufverträgen geschah.
Die Mobilfunkbetreiberin hat das vereinbarte Nutzungsentgelt, das die Klägerin aus dem vorbehaltenen Recht für sich beansprucht, gerichtlich zugunsten aller drei Beklagten hinterlegt. Mit der gegenständlichen Klage soll die Zustimmung zur Ausfolgung des Klagsbetrags - zuletzt nur mehr - durch die Zweitbeklagte erwirkt werden.
Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 WEG sind Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, wie insbesondere von Wohnungseigentumsorganisatoren vereinbarte Mietverträge oder Nutzungsvorbehalte über Teile der Liegenschaft, die sich nur als Zubehörobjekte iSd § 2 Abs 3 WEG eignen oder an denen Wohnungseigentum nicht bestehen kann (§ 3 Abs 3 WEG), rechtsunwirksam. Zufolge § 38 Abs 2 WEG erstreckt sich diese Rechtsunwirksamkeit auch auf den daraus begünstigten Dritten, es sei denn, dass ihn die Absicht, auf der Liegenschaft Wohnungseigentum zu begründen, weder bekannt war noch bekannt sein musste.
Zuletzt blieb unbestritten, dass der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Absicht, auf der Liegenschaft Wohnungseigentum zu begründen, bekannt war.
Jene Teile des Hauses, an denen die Mobilfunkanlage angebracht ist, sind allgemeine Teile der Liegenschaft iSd § 38 Abs 1 Z 1 iVm § 3 Abs 3 WEG.
Dass die Bezeichnung des gewählten Vertragstyps irrelevant für die Anwendbarkeit des § 38 Abs 1 Z 1 WEG ist, hat die Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der Lehre klargestellt (vgl 5 Ob 51/08y; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 15 zu § 38 WEG mwN). Entscheidend ist, ob vereinbarte Nutzungsvorbehalte Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer unbillig beschränken.
Entgegen den Ausführungen der Revision ist die diesbezügliche Beurteilung durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden, soll doch durch die Nutzung des vorbehaltenen Rechts der früheren Liegenschaftseigentümerin auf Dauer jährlich ein wertgesicherter Betrag von 5.240 EUR zufließen, den Wohnungseigentümern hingegen auf Dauer nicht nur Einnahmen aus der Vermietung allgemeiner Teile ihrer Liegenschaft entgehen, sondern auch eine Beeinträchtigung durch die Mobilfunkanlage zugemutet werden. Bei dieser Sachlage ist der Klägerin, die sich auf einen nach § 38 Abs 1 Z 1 WEG aufgezählten und daher „verdächtigen“ Vertragstyp stützt, der sie treffende Beweis, dass der Vereinbarung im Anlassfall keine Beschränkungseignung zukommt (vgl RIS-Justiz RS0040166), wohl nicht gelungen.
Soweit geltend gemacht wird, dass bei nachträglicher Wohnungseigentumsbegründung in einem „Althaus“ zu berücksichtigen sei, dass Vereinbarungen, die schon vorher existente Nutzungsrechte Dritter in entsprechende Rechte nach dem WEG umwandeln, in der Regel nicht unter das Verbot des § 38 Abs 1 Z 1 WEG fallen, (vgl Vonkilch aaO Rz 18 unter Hinweis auf AB 1050 BlgNR 21. GP, 14), ist zum einen zu entgegnen, dass es bei der hier vorzunehmenden Beurteilung nicht um Rechte Dritter geht, sondern um ein aus dem Eigentum erfließendes Recht der Liegenschaftseigentümerin, das sie sich vorbehalten wollte. Zum anderen gilt das keinesfalls für Umgehungsgeschäfte, wie sie der zitierte AB ausdrücklich anführt.
Im vorliegenden Fall indiziert der zeitliche Konnex zwischen dem Abschluss des Nutzungsvertrags mit dem Mobilfunkbetreiber und der Veräußerung der Liegenschaft unter Nutzungsvorbehalt, dass sich die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Zusammenwirken mit der Wohnungseigentumsorganisatorin aus Anlass der Veräußerung Rechte und vor allem Erträgnisse vorzubehalten suchte, die die Rechte von Wohnungseigentümern beschränken sollten.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich die Rechtsunwirksamkeit des von der Wohnungseigentumsorganisatorin auf die einzelnen Wohnungseigentümer überbundenen Nutzungsvorbehalts auch auf die Klägerin als „begünstigte Dritte“ iSd § 38 Abs 2 WEG erstreckt, steht daher in Einklang mit der gesetzlichen Bestimmung und Wertung des § 38 Abs 1 und 2 WEG.
Es liegt daher eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor. Die Revision war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; die Revisionsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.
Schlagworte
Streitiges WohnrechtTextnummer
E94277European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00045.10V.0527.000Im RIS seit
19.07.2010Zuletzt aktualisiert am
31.08.2012