Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Mag. Nikolaus K*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Kadlec & Weimann Rechtsanwalts KG in Wien, wegen §§ 13 Abs 4, 22 Abs 1 Z 6 WGG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. September 2009, GZ 40 R 148/09z-17, mit dem infolge Rekurses des Antragstellers der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 10. Juni 2009, GZ 23 Msch 5/08g-11, bestätigt wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:
„Das gesetzlich zulässige Nutzungsentgelt in der Position ‘Hauptmiete’ beträgt für das Objekt *****, Stiege 3, Top 6, zum 1. 9. 2007 netto 262 EUR. Die Anhebung auf 562,97 EUR netto zum 1. 9. 2007 überschreitet die gesetzlich zulässige Position ‘Hauptmiete’ um 300,97 EUR netto und ist insoweit gesetzwidrig.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 846,96 EUR (darin 130,16 EUR an Umsatzsteuer und 66 EUR an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.”
Die Antragsgegnerin ist weiters schuldig, dem Antragsteller die mit 280,80 EUR (darin 46,80 EUR an Umsatzsteuer und 66 EUR an Barauslagen) bestimmten Rekurskosten sowie die mit 546,84 EUR (darin 56,14 EUR an Umsatzsteuer und 210 EUR an Barauslagen) bestimmten Revisionsrekurskosten jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist nach dem Ableben seiner Mutter am 10. 4. 2002 in das Bestandverhältnis betreffend die Wohnung *****, eingetreten, und hat zu deren Sanierung in den Jahren 2003 für Elektro-, Installateur-, Maler-, Fliesenleger- und Baumeisterarbeiten Beträge von 10.382,80, 9.720 und 9.727,99 EUR investiert. Vor der Sanierung war die Heizung nur mit Kohleöfen und auch nicht für sämtliche Räume gegeben.
Das monatliche Nutzungsentgelt bis 1. 7. 2007 betrug insgesamt 376,97 EUR. Mit Vorschreibung vom 9. 7. 2007 erfolgte dessen Erhöhung auf 812,15 EUR, dabei in der Position „Hauptmiete” auf 562,97 EUR.
Der angemessene monatliche „Hauptmietzins” für das 86,61 m² große Objekt beträgt zum 1. 9. 2007 455 EUR netto.
Die öffentlichen Förderungen hat die Antragsgegnerin iSd RückzahlungsbegünstigungsG 1987 rückgezahlt.
Der Antragsteller begehrte die Überprüfung der Angemessenheit des von der Antragsgegnerin begehrten Entgelts. Er verwies auf die von ihm getätigten Investitionen und brachte im Übrigen vor, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Erhöhung im Hinblick auf die Deckelung durch § 46 Abs 2 MRG nicht zulässig sei.
Die Antragsgegnerin wandte ein, dass § 46 Abs 2 MRG zufolge § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG nur nach Maßgabe des § 13 Abs 4 WGG anzuwenden sei.
Das Erstgericht sprach aus, dass das gesetzlich zulässige Nutzungsentgelt in der Position „Hauptmiete” für das bezeichnete Objekt zum 1. 9. 2007 netto 455 EUR betrage und die darüber hinausgehende Vorschreibung (gemeint: Anhebung dieser Teilposition zufolge § 46 Abs 2 MRG) gesetzwidrig sei. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass der Vermieter gemäß § 46 Abs 2 MRG ab dem auf den Eintritt des Mieters folgenden Zinstermin eine Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses vornehmen dürfe, wobei jedoch zufolge § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG hinsichtlich der Höhe § 13 Abs 4 WGG maßgeblich und der angemessene Mietzins entsprechend § 16 Abs 1 MRG zu ermitteln sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach § 20 Abs 1 Z 3 WGG sei hier § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG anzuwenden, wonach (ua) § 46 Abs 2 MRG mit der Maßgabe der §§ 13 Abs 4 und 6 WGG und § 39 Abs 18 Z 2 WGG für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung aus dem Titel eines Miet- oder Nutzungsvertrags auch in den Fällen gelte, in denen § 1 MRG anderes bestimme. § 46 Abs 2 MRG berechtige den Vermieter dann, wenn in einen am 1. 3. 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung ein Angehöriger eintrete, der nicht zu jenen iSd § 46 Abs 1 MRG gehöre, zur Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Wohnung nach § 16 Abs 2 bis 6 MRG im Zeitpunkt des Eintritts zulässigen Betrags, höchstens aber 2,64 EUR (valorisiert) pro Quadratmeter der Nutzfläche und Monat. In der Entscheidung 5 Ob 255/99g (= wobl 2002/50, 189) habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Vorschrift des § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG hinsichtlich § 46 Abs 2 MRG so zu verstehen sei, dass in Fällen des Eintritts naher Angehöriger nach § 46 Abs 2 MRG das vom Mieter zu bezahlende Entgelt auf jenen Betrag angehoben werden könne, der bei Neuvermietung nach § 13 Abs 6 WGG zulässig sei. Daraus ergebe sich, dass bei der Ermittlung des zulässigen Mietzinses in diesem Fall die „Deckelung” des § 46 Abs 2 MRG nicht zu berücksichtigen sei. Hinsichtlich der Verweisung auf den hier maßgeblichen § 13 Abs 4 WGG müsse ebenfalls gelten, dass die Höchstgrenze des § 46 Abs 2 MRG nicht maßgeblich sei, weil die gesetzlich angeordnete Verweisung sonst keinen Sinn ergebe. Hätte der Gesetzgeber die Absicht gehabt, im Fall des § 46 Abs 2 MRG auch im Anwendungsbereich des WGG dessen Begrenzung anwenden zu wollen, dann hätte die Bezugnahme auf § 13 Abs 6 WGG (70 % des Richtwerts) unter gleichzeitigem Hinweis auf die Höchstgrenze der Mietzinsanhebung genügt. Da der Gesetzgeber nicht bloß auf § 13 Abs 6 WGG, sondern auch auf § 13 Abs 4 WGG verwiesen habe, könne die Höchstgrenze des § 46 Abs 2 MRG in diesem Fall gerade nicht zur Anwendung kommen.
Die Ansicht des Antragstellers, § 13 Abs 4 WGG komme nur bei Abschluss eines neuen Mietvertrags nach begünstigter Rückzahlung zur Anwendung, sei ebenfalls unzutreffend. Der hier relevante Verweis des § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG beziehe sich nämlich ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des § 46 Abs 2 MRG.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG iVm § 13 Abs 4 WGG so zu verstehen sei, dass eine Mietzinsanhebung in einem solchen Fall jedenfalls mit dem in § 46 Abs 2 MRG enthaltenen Höchstbetrag limitiert sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass ein „Hauptmietzins“ in der Höhe von maximal 262 EUR zulässig sei. Hilfsweise stellt der Antragsteller auch einen Aufhebungsantrag.
Die Antragsgegnerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach - dem hier maßgeblichen - § 20 Abs 1 Z 3 WGG gilt vorliegend (ua) § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG. Nach letztgenannter Bestimmung ist dann (ua) § 46 MRG - „dessen Abs 2 jedoch nach Maßgabe der §§ 13 Abs 4 und 6 und 39 Abs 18 Z 2 WGG” - anzuwenden.
2. Treten in einen am 1. 3. 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung ausschließlich Personen ein, die in § 46 Abs 1 MRG nicht genannt sind, so darf der Vermieter gemäß § 46 Abs 2 MRG vom (von den) in das Hauptmietrecht Eintretenden ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin eine Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Wohnung nach § 16 Abs 2 bis 6 MRG im Zeitpunkt des Eintritts zulässigen Betrag, höchstens aber 2,64 (seit 1. 9. 2006: 2,91 EUR - BGBl II 2006/296; seit 1. 9. 2008: 3,08 EUR - BGBl II 2008/295) je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, verlangen, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger ist. Dieser Höchstbetrag von 2,64 EUR (nunmehr 3,08 EUR) valorisiert sich entsprechend der Regelung des § 16 Abs 6 MRG. In den Fällen des § 46 Abs 2 MRG ist demnach der Vermieter berechtigt, den Hauptmietzins auf jenen Betrag anzuheben, der nach dem Richtwertsystem oder nach den gesetzlich fixierten Zinsgrenzen für Kategorie-D-Wohnungen aktuell zulässigerweise vereinbart werden könnte. Diese Anhebungsmöglichkeit ist allerdings mit dem nach dem früheren Kategoriesystem gesetzlich fixierten und valorisierten Zinsbetrag für Kategorie-A-Wohnungen gedeckelt.
3. § 46 Abs 2 MRG ist hier jedoch (nur) „nach Maßgabe” des § 13 Abs 4 WGG anzuwenden. Diese Bestimmung lautet:
„Bei Überlassung nach begünstigter Rückzahlung gemäß dem Rückzahlungsbegünstigungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 340, von zur Errichtung der Baulichkeit gewährten Darlehen aus öffentlichen Mitteln können bei der Berechnung des Entgelts und der neben dem Entgelt zu leistenden Beträge (§ 17) abweichend von den Absätzen 1 und 2, Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand der Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten sowie der Baulichkeit oder mehrerer Baulichkeiten, die vergleichbare Merkmale aufweisen, zugrunde gelegt werden.”
4. Der Antragsteller meint, dass § 13 Abs 4 WGG nur dann zur Anwendung komme, wenn nach begünstigter Rückzahlung ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werde.
Diese Ansicht ist, worin dem Rekursgericht zu folgen ist, deshalb unzutreffend, weil § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG gerade für den - hier vorliegenden - Eintrittsfall die Mietzinserhöhung „nach Maßgabe” des § 13 Abs 4 WGG anordnet.
5. Im Übrigen ist allerdings der Standpunkt des Antragstellers zutreffend, wonach § 13 Abs 4 WGG nur mit der in § 46 Abs 2 WGG angeordneten Begrenzung anzuwenden ist:
5.1. Klarzustellen ist vorerst, dass aus der Entscheidung 5 Ob 255/99g (= wobl 2002/50, 189) für die Beurteilung des vorliegenden Falls nichts Grundsätzliches zu gewinnen ist, lag dieser doch § 13 Abs 6 WGG idF 3. WÄG (vor der WRN 1999) zugrunde.
5.2. Dem Rekursgericht ist durchaus einzuräumen, dass die - nun schon mehrfach angesprochene - gesetzliche Regelung des § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG, wonach § 46 Abs 2 MRG hier „nach Maßgabe” des § 13 Abs 4 WGG anzuwenden ist, gewisse sprachliche und damit auch inhaltliche Unklarheiten hervorruft. Diese sind wohl darauf zurückzuführen, dass mit § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG eine ganze Reihe von mietrechtlichen Regelungen gleichsam in einem Zug übernommen werden, wodurch aber die wünschenswerte Genauigkeit bei der gesetzlichen Formulierung differenzierter und sprachlich exakter Anwendungsvoraussetzungen für die einzelnen übernommenen Regelungen gelitten hat.
5.3. Aus teleologischer Sicht liegt allerdings ein eindeutiger Befund insoweit vor, als bereits aus dem Bericht des Bautenausschusses zum 3. WÄG (1268 BlgNR 18. GP 8) auch und gerade im Zusammenhang mit der vorgesehenen Geltung des § 46 MRG im Bereich des WGG zweifelsfrei hervorgeht, dass der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung von MRG- u WGG-Mietern anstrebte, ist doch in diesem Kontext ausdrücklich von einer „grundsätzlich analogen Entgeltsregelung” für die beiden Eintrittsfälle die Rede.
5.4. Auch wenn die Anwendbarkeit des § 13 Abs 4 WGG eine „begünstigte Rückzahlung” voraussetzt, so ist es nach Auffassung des erkennenden Senats dennoch nicht argumentierbar, dass ein Mieter im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 46 Abs 2 MRG durch die dort vorgesehene Deckelung auf den valorisierten Zinsbetrag für Kategorie-A-Wohnungen geschützt wird, während dem Mieter im „gemeinnützigen” Wohnrecht diese Zinsbeschränkung sogar im - hier auch vorliegenden - Anwendungsfall des § 20 Abs 1 Z 3 WGG (Eigentum eines Erwerbers, der keine gemeinnützige Bauvereinigung ist [lit a] bzw Verlust der Gemeinnützigkeit [lit b]) nicht zugute kommen soll.
5.5. Schließlich verweist auch die Lehre auf die gebotene Gleichbehandlung von MRG- u WGG-Mietern (Würth/Zingher/Kovanyi²² § 20 WGG Rz 3 und Würth in Rummel³, § 20 WGG Rz 6a) und vertritt deshalb einhellig die Ansicht, dass die durch § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG angeordnete Rezeption des § 46 Abs 2 MRG auch die in letztgenannter Bestimmung vorgesehene Deckelung auf den valorisierten Zinsbetrag für Kategorie-A-Wohnungen mitumfasst (Würth/Zingher/Kovanyi²² § 20 WGG Rz 3 und Würth in Rummel³, § 20 WGG Rz 6a; Schuster in Schwimann² IV, § 20 WGG Rz 13).
6. Dieser Ansicht folgt auch der erkennende Senat und kommt zum Ergebnis:
Die Regelung des § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG, wonach § 46 MRG - dessen Abs 2 nach Maßgabe der §§ 13 Abs 4 und 6 und 39 Abs 18 Z 2 WGG - anzuwenden ist, bedeutet, dass auch für die in § 13 Abs 4 WGG enthaltene Entgeltregelung die in § 46 Abs 2 MRG vorgesehene Deckelung gilt.
Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben und das gesetzlich zulässige Nutzungsentgelt in der Position „Hauptmiete” mit den vom Antragsteller zugestandenen (und nach BGBl II 2006/296 [seit 1. 9. 2006: 2,91 EUR] gedeckelten) Betrag von 262 EUR festzustellen.
7. Die infolge Abänderung der Sachentscheidung neu zu treffende Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Die Bemessungsgrundlage beträgt richtig 1.500 EUR (§ 10 Z 3 lit bb RATG).
Schlagworte
8 außerstreitige Wohnrechtssachen,Textnummer
E94218European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00252.09H.0527.000Im RIS seit
15.07.2010Zuletzt aktualisiert am
11.05.2012