Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Patrik E*****, geboren am 27. Mai 1993, *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 10, Van der Nüll-Gasse 20, 1100 Wien), wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Jänner 2010, GZ 44 R 7/10w-151, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 22. Oktober 2009, GZ 1 PU 38/09y-139, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass des Revisionsrekurses wird die Entscheidung des Rekursgerichts ersatzlos aufgehoben und ausgesprochen, dass das Verfahren über die Erhöhung des von der Mutter im Zeitraum vom 7. 9. 2009 bis 30. 9. 2009 zu leistenden Unterhalts infolge Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen der Mutter am 23. 12. 2009 unterbrochen ist (§ 25 Abs 1 Z 4 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluss vom 22. 10. 2009 (ON 139) hat das Erstgericht den von der Mutter Marie-Sophie E***** für ihren Sohn Patrik E***** zu leistenden Unterhalt ab 1. 10. 2009 von 30 EUR auf 265 EUR monatlich erhöht und das weitere, auf den Zeitraum vom 1. 10. 2007 bis 30. 9. 2009 bezogene Erhöhungsbegehren abgewiesen.
Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom 12. 1. 2010 (ON 151) dem vom Kind allein wegen der Abweisung des Erhöhungsbegehrens für die Zeit vom 7. 9. 2009 bis 30. 9. 2009 erhobenen, am 16. 11. 2009 eingebrachten Rekurs im Hinblick auf die Monatsbezogenheit von Umständen, die eine Unterhaltserhöhung oder -herabsetzung bewirken, nicht Folge. Der Revisionsrekurs wurde nachträglich mit der Begründung zugelassen, dass das Rekursgericht die am 23. 12. 2009 erfolgte Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Unterhaltsschuldnerin außer Acht gelassen habe; richtigerweise wäre das Rekursverfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG zu unterbrechen gewesen.
Aufgrund des Inhalts der Insolvenzdatei wird festgestellt:
Über das Vermögen der Mutter Marie-Sophie E***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom 23. 12. 2009 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet; ein Masseverwalter wurde nicht bestellt (Eigenverwaltung). Die Zahlungsplan- und Abschöpfungstagsatzung wurde für 11. 3. 2010 anberaumt.
Daraus ergibt sich in rechtlicher Hinsicht Folgendes:
Nach § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG wird das Verfahren unterbrochen, wenn der Konkurs über das Vermögen einer Partei eröffnet wird, sofern die Bestimmungen der Konkursordnung dies vorsehen. Die einschlägigen Bestimmungen finden sich in den §§ 6 - 8a KO. Demnach wird ein Pflegschaftsverfahren, soweit es bis zur Insolvenzeröffnung geschuldeten rückständigen Unterhalt zum Gegenstand hat, durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens - auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RIS-Justiz RS0036996 [T4]) - ex lege unterbrochen. Die Forderung ist als Konkursforderung im Schuldenregulierungsverfahren anzumelden (10 Ob 41/08i ua).
Nach Eintritt der Unterbrechung sind Gerichtshandlungen, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung des Verfahrens geschaffenen Zustand Rechnung tragen, während des Stillstands des Verfahrens unzulässig; insbesondere dürfen Urteile im Hinblick auf die zwingend angeordnete Vorschaltung des konkursrechtlichen Prüfungsverfahrens nicht mehr ergehen. Im Fall der Unterbrechung eines außerstreitigen Verfahrens kann zwar nicht von einer Unzulässigkeit des Rechtswegs im üblichen Sinn gesprochen werden, weil es sich nicht nur beim Pflegschaftsverfahren, sondern auch beim Konkursverfahren um ein außerstreitiges Verfahren handelt. Die Missachtung des zwingenden Vorrangs des konkursrechtlichen Prüfungsverfahrens vor der (erst im Fall der Bestreitung der Forderung zulässigen) Fortsetzung des unterbrochenen außerstreitigen Unterhaltsverfahrens stellt jedoch einen Verfahrensverstoß dar, der dem Grunde und auch nach seinem Gewicht nach der Unzulässigkeit des Rechtswegs iSd § 56 AußStrG gleichzusetzen und daher ebenfalls mit Nichtigkeit bedroht ist (8 Ob 14/07b).
In diesem Sinn ist aus Anlass des Revisionsrekurses die während der Verfahrensunterbrechung ergangene Entscheidung des Rekursgerichts ersatzlos aufzuheben (§ 56 AußStrG).
Schlagworte
Zivilverfahrensrecht,UnterhaltsrechtTextnummer
E94290European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0100OB00030.10Z.0601.000Im RIS seit
23.07.2010Zuletzt aktualisiert am
17.11.2010