Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** S*****, und 2. J***** S*****, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei A***** GesmbH, *****, wegen 10.654,61 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. März 2010, GZ 1 R 32/10t-2, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 19. Dezember 2009, GZ 14 C 1775/09w-2, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Kläger stützten ihre Klage auf fehlerhafte Anlageberatung. Die Beklagte habe ihre sich aus § 1299 ABGB und §§ 13 ff WAG 1997 ableitbaren Aufklärungs-, Informations-, Nachforschungs- und Wohlverhaltenspflichten im Zusammenhang mit der Anlageberatung der Kläger beim Ankauf von Aktien einer Immobiliengesellschaft gröblich verletzt.
An konkretem Schadenersatz begehren die Kläger Naturalrestitution, also die Rückzahlung des seinerzeitigen Ankaufspreises von 9.601,73 EUR Zug um Zug gegen Übernahme der erworbenen und noch gehaltenen Aktien, sowie weiters den entgangenen Zinsgewinn einer alternativen Veranlagung als positiven Schaden in Höhe von 4 % pa, was einem hypothetischen Zinsgewinn von 1.883,25 EUR entspreche. Die gesamte Rückforderungssumme betrage 10.654,61 EUR. In eventu erhoben die Kläger ein Feststellungsbegehren.
Das Erstgericht wies die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit zurück, da der Streitwert 10.000 EUR übersteige.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es ging dabei zusammengefasst davon aus, dass Zinsen dann eine Nebenforderung darstellen, wenn und insoweit sie von einer gleichzeitig eingeklagten Hauptforderung abgeleitet werden, ohne dass dabei der Rechtsgrund der geltend gemachten Zinsenforderung entscheidend sei. Hier stellten die Zinsen aber einen eigenen Schadenersatzanspruch dar, der unabhängig von der begehrten Rückabwicklung des Vertrags im Wege der Naturalrestitution bestehe. Dafür spreche auch, dass der Anleger gegen Rückgabe der Aktien die von ihm bei richtiger Beratung gewünschte Veranlagung bekommen solle. Der Oberste Gerichtshof habe bei der Bemessung des Streitwerts und der Kosten auch bereits den Zinsentgang berücksichtigt.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, weil zur Frage der Beurteilung von als positiver Schaden geltend gemachten Zinsentgängen als eigene Hauptforderung keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege und der Lösung dieser Frage im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahren eine über den konkreten Fall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs der Kläger ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht entgegensteht, dass die Kläger in ihrem Rekurs eventualiter auch einen Überweisungsantrag nach § 230a ZPO gestellt haben. Von der seinerzeitigen Rechtsansicht, dass der Revisionsrekurs unzulässig ist, wenn gleichzeitig ein Rekurs und ein Überweisungsantrag nach § 230a ZPO gestellt werden, ist der Oberste Gerichtshof mittlerweile abgegangen (RIS-Justiz RS0099922 [T2]). Dieses Ergebnis entspricht auch dem Grundsatz, dass die Gerichte an die von der klagenden Partei bestimmte Reihenfolge der Erledigung von Rekurs und Überweisungsantrag gebunden sind (RIS-Justiz RS0039108). Mit einem Eventualantrag nach § 230a ZPO wird der Überweisungsantrag nämlich nicht nur davon abhängig gemacht, dass der Rekurs selbst erfolglos bleibt, sondern auch davon, dass ein allfälliger Revisionsrekurs erfolglos bleibt (RIS-Justiz RS0039108 [T3]).
2. Übersteigt der „Streitgegenstand“ an „Geld oder Geldeswert“ die Summe von 10.000 EUR, ist die Zuständigkeit des Handelsgerichts und nicht des Bezirksgerichts für Handelssachen gegeben (§ 52 JN).
§ 54 JN bestimmt in seinem Abs 1, dass für die Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Werts des Streitgegenstands der Zeitpunkt der Anbringung der Klage entscheidend ist. Der Abs 2 dieser Bestimmung ordnet Folgendes an:
„Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt.“
Werden diese Forderungen „selbständig“ geltend gemacht, gilt diese Regelung nicht (Mayr in Rechberger ZPO3 § 54 JN Rz 3; Gitschthaler in Fasching2 I § 54 JN Rz 28 mwN). Im Ergebnis wird darauf abgestellt, ob diese „Nebenansprüche“ abhängig, also „akzessorisch“ von der geltend gemachten Hauptsache sind (Gitschthaler aaO; 2 Ob 31/95; RIS-Justiz RS0042813).
Hier machen die Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten bei der Anlageberatung geltend. Sie begehren als Teil dieses Schadenersatzanspruchs auch den Zinsgewinn der von ihnen eigentlich angestrebten alternativen Veranlagung, und zwar für den Zeitraum ab Beginn der Veranlagung bis zur Geltendmachung des Anspruchs. Die Kläger leiten also das Zinsenbegehren nicht daraus ab, dass sie den Betrag aus der Rückabwicklung des Aktienaufkaufs bereits früher wieder zurückerhalten hätten müssen und ihnen daher für die verspätete Rückzahlung Zinsen zustünden (vgl auch RIS-Justiz RS0046466, 2 Ob 31/95; 3 Ob 611/85), sondern daraus, dass Teil des positiven Schadens auch die Erträgnisse aus der angestrebten Veranlagung sind (vgl dazu 3 Ob 289/05d sowie RIS-Justiz RS0046495).
Damit machen sie aber einen selbständigen Anspruch geltend, der nicht als „akzessorisches Nebenprodukt“ eines Hauptanspruchs beurteilt werden kann. Ihre Forderung, im Wege der Naturalrestitution den hypothetischen Zustand bei rechtmäßigen Verhalten wiederherzustellen, macht deutlich, dass der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und jener auf Ersatz des fiktiven Zinsertrags Teil der geforderten Naturalrestitution sind und daher nicht im Verhältnis übergeordnete Hauptforderung zu davon abhängiger Nebenforderung stehen (1 Ob 84/10z).
Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
3. Für die Erledigung des im Revisionsrekurs neuerlich gestellten Überweisungsantrags ist das Erstgericht zuständig (Mayr in Fasching ZPO2 § 230a Rz 11).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E94306European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00090.10D.0608.000Im RIS seit
24.07.2010Zuletzt aktualisiert am
17.11.2010