TE OGH 2010/6/10 12Os49/10p (12Os50/10k, 12Os51/10g, 12Os52/10d)

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Veröffentlicht am 10.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsmy als Schriftführer in der Strafsache gegen Marcus M***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 27. August 2009, GZ 32 U 66/09w-7, einen Beschluss dieses Gerichts und mehrere Vorgänge erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, sowie des Verurteilten Marcus M*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren 32 U 66/09w des Bezirksgerichts Donaustadt verletzen folgende Vorgänge und Entscheidungen das Gesetz:

1. der unvollständige Vermerk im Hauptverhandlungsprotokoll über den Inhalt des am 27. August 2009 verkündeten Urteils in § 271 Abs 1 Z 7 (iVm § 447) StPO;

2. die dem Verurteilten am selben Tag erteilte Weisung, „sich einer Therapie zu unterziehen sowie alles Mögliche zu tun, um das Kind zu sehen, und dem Gericht alle drei Monate darüber zu berichten“, in § 51 Abs 1 und Abs 3 StGB;

3. die Unterlassung der Beisetzung der mit Beschluss vom 24. November 2009 vorgenommenen Verbesserung am Rande des Urteils und der Beifügung an die Urteilsausfertigungen in § 270 Abs 3 (iVm § 447) StPO.

Der in Punkt 2 genannte Beschluss vom 27. August 2009, GZ 32 U 66/09w-8, wird aufgehoben und dem Bezirksgericht Donaustadt aufgetragen dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Marcus M***** wurde mit - gekürzt ausgefertigtem - rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 27. August 2009, GZ 32 U 66/09w-7, des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Darüber hinaus wurde ihm - inhaltlich mit Beschluss (vgl Ratz in WK² § 45 Rz 6) - die Weisung erteilt, „sich einer Therapie zu unterziehen sowie alles Mögliche zu tun, um das Kind zu sehen und dem Gericht alle drei Monate darüber zu berichten“ (ON 6 S 3; ON 8).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er „von 13. Dezember 2007 bis 26. August 2009 in Wien 22, L*****straße 4-6, Stiege 9, Tür 119 und an anderen Orten, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre, indem er für seinen am 26. Juli 2002 geborenen Sohn Lukas S***** keinerlei Unterhaltszahlungen leistete“.

Im Hauptverhandlungsprotokoll wurde dazu - soweit hier wesentlich - festgehalten: „Sohin verkündet die Richterin das Urteil samt den wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilt Rechtsmittelbelehrung (Schuldspruch gemäß § 198 StGB).“

Mit Beschluss vom 24. November 2009 glich die Bezirksrichterin die schriftliche Urteilsausfertigung in Betreff einer mündlich nicht erfolgten, in der gekürzten Urteilsausfertigung versehentlich aufgenommenen Bedachtnahme nach § 31 StGB dem verkündeten Urteil an, ohne allerdings die Verbesserung nach Rechtskraft dieses Beschlusses am Rande des Urteils beizusetzen und die bereits zugestellten Ausfertigungen zwecks Beifügung der Verbesserung zurückzufordern.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, wurde durch diese Vorgangsweisen das Gesetz in mehrfacher Weise verletzt:

1. Nach § 271 Abs 1 Z 7 (iVm § 447) StPO hat das über die Hauptverhandlung aufzunehmende Protokoll den Spruch des Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben - und damit (unter anderem) auch den Ausspruch, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden worden ist (Z 1) - zu enthalten. Der oben zitierte Vermerk im Hauptverhandlungsprotokoll vom 27. August 2009 genügt diesen Anforderungen nicht.

2. Der dem Verurteilten erteilten Weisung, „sich einer Therapie zu unterziehen sowie alles mögliche zu tun, um das Kind zu sehen, und dem Gericht alle drei Monate darüber zu berichten“ (ON 8) fehlt mangels inhaltlicher Ausgestaltung die erforderliche Klarheit und Bestimmtheit. Eine Weisung nach § 51 StGB muss das auferlegte Gebot oder Verbot hinreichend deutlich bezeichnen und das erwartete Verhalten konkretisieren, um die notwendige verhaltensbestimmende Wirkung überhaupt entfalten zu können; nur dann kann ihre Nichtbefolgung den Widerruf der bedingten Nachsicht oder Entlassung begründen (Schroll in WK² § 51 Rz 7). Mit der hier geforderten „Therapie“ könnte jede therapeutische (medizinische, psychologische und psychotherapeutische) Heilbehandlung gemeint sein, die - unter familienrechtlichen Gesichtspunkten und dem Aspekt des § 51 Abs 1 zweiter Satz StGB grundsätzlich bedenkliche -Weisung, „alles Mögliche zu tun, um das Kind zu sehen“, sagt über das vom Verurteilten konkret erwartete Verhalten überhaupt nichts aus. Solcherart ist die Weisung angesichts ihrer Abfassung weder nachvollziehbar noch überprüfbar und verstößt gegen § 51 Abs 1 und Abs 3 StGB.

Diese Gesetzesverletzung, welche dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, erfordert die Aufhebung des bezeichneten Beschlusses.

3. Nach § 270 Abs 3 (iVm § 447) StPO, der für die im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Urteilsangleichung gleichermaßen gilt (Danek, WK-StPO § 270 Rz 56 f), ist die beschlossene Verbesserung am Rande des Urteils beizusetzen und allen Ausfertigungen beizufügen (vgl auch 13 Os 190/95; 11 Os 44/91), was vorliegend unterblieb.

4. Überdies erachtet die Generalprokuratur als gesetzwidrig, dass sich das Gericht bei der gekürzten Ausfertigung des Urteils in Betreff der als erwiesen angenommenen Tatsachen auf deren Anführung im Spruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) beschränkte.

Ein Gesetzesverstoß liegt jedoch insoweit nicht vor:

Weil (unter anderem) die Erweiterung des Anwendungsbereichs der gekürzten Urteilsausfertigung durch das BudgetbegleitG 2009, BGBl I 2009/52, auf Urteile, mit denen (außer im geschworenengerichtlichen Verfahren, vgl § 342 erster Satz StPO) eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren ausgesprochen wird (§ 270 Abs 4 erster Satz StPO), den Materialien zufolge einer „Entlastung der Strafgerichtsbarkeit ohne Reduktion des Rechtsschutzes“ dienen sollte ohne sonst Änderungen anzustreben (ErläutRV 113 BlgNR 24. GP 34, 43 f), kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Formulierung des § 270 Abs 4 Z 2 StPO intendiert war, in Betreff der Ausgestaltung der gekürzten Urteilsausfertigung von der früheren Rechtslage abzugehen.

Diese erforderte neben den im § 270 Abs 2 StPO erwähnten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe, dass die gekürzte Ausfertigung im Fall einer Verurteilung sowohl die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände (samt den in § 19 Abs 2 StGB genannten bei Verhängung einer in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe) in Schlagworten enthält als auch bei Verweisung eines Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg (§ 366 Abs 2 StPO) die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 458 Abs 3 StPO aF).

Nichts anderes verlangt (ausgehend von der erklärten Zielsetzung des Gesetzgebers) § 270 Abs 4 Z 1 und 2 StPO. Hat demnach die gekürzte Urteilsausfertigung neben den im § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe im Fall einer Verurteilung außer den für die Strafbemessung maßgebenden Umständen „die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung“ zu enthalten, sind damit angesichts dessen, dass die für die Subsumtion entscheidenden (also für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebenden) Tatsachen (RIS-Justiz RS0101786; worunter schon nach bisheriger Rechtsprechung auch etwa Feststellungen zur Beseitigung eines in tatsächlicher Hinsicht konstatierten Ausnahmesatzes oder durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse indizierte Feststellungen zu einem Ausnahmesatz zu verstehen sind, vgl zB: 13 Os 43/08k; in diesem Sinn auch 15 Os 142/09k [15 Os 182/09t]), bereits im Spruch des Urteils aufscheinen (§§ 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 1 StPO), darüber hinaus nur jene Tatsachen gemeint, die auch bisher (mit Blick auf Art 6 Abs 1 MRK übrigens bloß illustrativ) bei Verweisung eines Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg anzuführen waren (aM Danek, WK-StPO § 270 Rz 60; ebenso 11 Os 7/10d [8/10a]). In einer gekürzten Urteilsausfertigung darüber hinaus die Anführung von - demnach unbedeutenden - Tatsachen zu verlangen, ist dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen, wenngleich eine weniger missverständliche Textierung der Norm wünschenswert gewesen wäre.

Eine Verweisung eines Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg enthält das vorliegende Urteil nicht. Indem es bloß im Spruch die „als erwiesen angenommenen Tatsachen“ (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) anführte (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), entsprach es dem Gesetz.

Soweit der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes eine andere Auffassung zugrunde liegt, war sie daher zu verwerfen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94384

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00049.10P.0610.000

Im RIS seit

04.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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