Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wöss als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bahrija K***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Februar 2010, GZ 022 Hv 4/10g-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bahrija K***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er am 19. Jänner 2007 in Wien mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich in ihrem Recht auf Abfrage von elektronischen Daten über Fahndungsmaßnahmen ausschließlich bei Vorliegen der Voraussetzung einer konkreten Beschuldigung gegen eine Person und Artur K***** in seinem Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs 1 DSG) zu schädigen, versucht, Franz P***** durch die wiederholte Aufforderung, für ihn im Polizeicomputer nachzusehen, ob gegen Artur K***** ein Haftbefehl besteht, wissentlich dazu zu bestimmen, seine Befugnis als Kriminalbeamter der Bundespolizeidirektion Wien, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass er ohne dienstliche Veranlassung in der Applikation „Personenfahndung“ im elektronischen Informationssystem (EKIS) eine Anfrage zum Datensatz „Artur Marian K*****, geboren am 25.11.1978“, durchführt und ihm das Ergebnis mitteilt, wobei Franz P***** zum angeführten Datensatz am 19. Jänner 2007 eine Abfrage im Zentralen Melderegister und am 22. Jänner 2007 eine Abfrage in der Applikation „Erkennungsdienstliche Evidenz“ im EKIS durchführte und ihm jeweils das Ergebnis bekanntgab.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge erkannte das Erstgericht den Angeklagten gerade nicht anklagekonform der (vollendeten) Bestimmung des Franz P*****, eine Anfrage im Zentralen Melderegister oder in der „Erkennungsdienstlichen Evidenz“ durchgeführt zu haben, sondern der versuchten Bestimmung des Genannten zur Abfrage in der Applikation „Personenfahndung“ im EKIS schuldig. Der (verfehlt auch aus Z 9 lit a) behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den entsprechenden Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO]) liegt somit in Bezug auf die Urteilskonstatierungen, es sei nicht festzustellen, dass der Angeklagte Franz P***** um die Einholung einer Zentralmeldeauskunft ersucht habe (US 7), nicht vor.
Das Motiv für die Tathandlungen stellt keine entscheidende Tatsache dar (RIS-Justiz RS0088761), sodass der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) in Bezug auf die (im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene) Feststellung, der Beschwerdeführer sei bestrebt gewesen herauszufinden, ob auch er selbst mit Ermittlungen gegen seine Person zu rechnen habe (US 11), ins Leere geht. Im Übrigen wurde diese aus dem Inhalt der Telefonüberwachungsprotokolle (insbesondere aus der nach der Mitteilung, dass kein Haftbefehl ausgestellt worden sei, getätigten Äußerung „Bravo, danke dir, das ist sehr gut für mich“), dem Umstand, dass trotz längeren Zurückliegens des angeblichen Diebstahls keine Anzeige erstattet wurde, und dem daraus ersichtlichen mangelnden Interesse des Angeklagten an einer Strafverfolgung des Artur K***** logisch und empirisch einwandfrei abgeleitet (US 11 und 12).
Die Wissentlichkeit des Angeklagten in Bezug auf den Befugnismissbrauch durch Franz P***** schlossen die Tatrichter - ohne dabei gegen die Gesetze logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze zu verstoßen - aus der langjährigen Freundschaft des Beschwerdeführers zu dem hochrangigen Polizeibeamten, dem er immer wieder Informationen für seine dienstliche Tätigkeit zukommen ließ, der Verwendung gängiger interner Abkürzungen (wie „HB“ für Haftbefehl) und dem sich daraus ergebenden Einblick des Angeklagten in die Polizeiarbeit sowie aus dem Umstand, dass sich der Angeklagte zur (versuchten) Bestimmung zur Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Erkundigung nach dem Bestehen eines Haftbefehls schuldig bekannt hatte (US 14 und 15), wobei sie dessen Verantwortung, das Ersuchen an Franz P***** sei im Zusammenhang mit einem angeblichen Gelddiebstahl durch Artur K***** gestanden, mit eingehender Begründung als Schutzbehauptung verwarfen (US 10 und 11). Indem die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) diesen Überlegungen lediglich eigene Beweiswerterwägungen entgegensetzt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0099455).
Die unter den Prämissen, der Beschwerdeführer habe Franz P***** einen Sachverhalt mitgeteilt, welcher von diesem gemäß § 2 StPO in einem Ermittlungsverfahren aufzuklären gewesen wäre, und er hätte als Opfer einer Straftat, welchem sogar Akteneinsicht zu gewähren sei, entsprechende Informationen erhalten können, erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) knüpft nicht an den Urteilsfeststellungen an, wonach weder ein konkreter Verdacht noch eine sich darauf beziehende Anzeige vorlag und es dem Angeklagten lediglich darauf ankam, sich darüber Kenntnis zu verschaffen, ob nach Artur K***** gefahndet wird (US 8), und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt bei der Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes. Soweit sie einen Ausschluss des Rechts auf Datenschutz gegenüber Opfern von Straftaten lediglich behauptet, ohne dies methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten, ist sie ebenfalls nicht am Verfahrensrecht orientiert (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Gleiches gilt für die eine Unterstellung des festgestellten Sachverhalts unter das Vergehen der Verletzung eines Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB begehrende Subsumtionsrüge (Z 10), weil sie nicht an den einen Schädigungsvorsatz, welcher bezogen auf das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) bei dienstlich nicht gerechtfertigter Datenabfrage durch einen Beamten zu einer Haftung nach § 302 Abs 1 StGB (hier: wegen versuchter Bestimmung nach §§ 15, 12 zweiter Fall StGB) führt (RIS-Justiz RS0114637 [T3]), ausdrücklich konstatierenden Entscheidungsgründen (US 8) festhält, sondern diese beweiswürdigend in Abrede stellt. Das in diesem Zusammenhang der Sache nach aus Z 5 vierter Fall erstattete Beschwerdevorbringen, es hätten sich aus dem Beweisverfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Schädigungsvorsatzes ergeben, nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), die sich empirisch einwandfrei auf den eingehend dargelegten Gesamtzusammenhang des Geschehens und die Lebenserfahrung des Beschwerdeführers stützen (US 13 bis 15).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E94316European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00064.10H.0615.000Im RIS seit
25.07.2010Zuletzt aktualisiert am
25.07.2010