Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Alexander P***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 8. April 2009, GZ 35 Hv 100/03k-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Alexander P***** im zweiten Rechtsgang (zum ersten 12 Os 15/05f) - richtig - mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er in seiner Funktion als sportlicher Leiter des Fußballvereins F***** von September 1998 bis Ende 1999 zu der vom Obmann des Vereins, Franz H*****, vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten bewirkten Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in der Höhe von 173.508,86 Euro dadurch beigetragen, dass er mit den Spielern des Vereins „höhere als die der offiziellen Lohnverrechnung zugrundegelegte und der Lohnsteuer zugeführte Dienstverträge aushandelte“, die höheren, nicht der Besteuerung zugeführten Gehälter in den meisten Fällen an die Spieler durch Übergabe von Bargeldbeträgen ausbezahlte und diese Beträge in einer gleichsam zweiten inoffiziellen Lohnverrechnung in Evidenz nahm, während er dem Buchhalter des Vereins unvollständige Lohnlisten übermittelte, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Keine Schmälerung von Verteidigungsrechten (Z 4) bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des Dr. Dieter M***** zum Beweis dafür, dass „nach der internen Kompetenzverteilung des F***** im Zeitraum 1998 bis zur Konkurseröffnung alleine der Zeuge S***** für die steuerlichen Gestionen verantwortlich war und diese in der Praxis auch alleine durchgeführt hat“, wobei unter „steuerlicher Gestion“, wie zum Antrag ausgeführt wurde, „die Errechnung der aus den tatsächlich ausbezahlten Beträgen resultierenden Lohnsteuer, die Erstellung der Überweisungsunterlagen, also Erlagscheine und die tatsächliche Abfuhr dieser Lohnsteuer bzw sonstigen Steuern und Lohnabgaben insgesamt an das Finanzamt“ zu verstehen sei (S 75/IV).
Das Antragsvorbringen ließ nämlich - im Sinn der im Urteil nachgetragenen Erwägungen zum negativen Zwischenerkenntnis (US 19 f) - nicht erkennen, inwieweit der begehrte Verfahrensschritt das genannte Beweisthema hätte unter Beweis stellen können, und war solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0107040).
Das diesbezüglich ergänzende Vorbringen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem Neuerungsverbot und war daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
Die Mängelrüge (Z 5) orientiert sich mit dem auf die innere Tatseite bezogenen Einwand, das Urteil enthalte keine Feststellung, wonach dem Angeklagten Informationen darüber vorlagen, welche Beträge an Abgaben im Einzelfall konkret an das Finanzamt hätten bezahlt werden müssen und welche bezahlt wurden, nicht an den Anfechtungskategorien des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes, der auf Begründungsfehler in Ansehung getroffener Feststellungen über entscheidende Tatsachen abstellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393).
Auch die Bestreitung der - urteilsfremden (vgl US 8 f) - Tatsachenannahme, „die Lohnverrechnung“ habe das Arbeitsentgelt der Spieler bereits vor Vertragsabschluss festgelegt, und das wiederum mit Beziehung auf den Tatvorsatz erstattete Vorbringen in Betreff vor September (ersichtlich gemeint nicht „2008“, sondern) 1998 angestellter Spieler sprechen einen Begründungsmangel in der Bedeutung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes gar nicht an.
Im Übrigen muss sich der Verkürzungsvorsatz auf die Höhe des (außerhalb des Tatbestands gelegenen) strafbestimmenden Wertbetrags nicht erstrecken (RIS-Justiz RS0086282, RS0087087).
Weshalb es für den vorliegenden Schuldspruch des Angeklagten als Beitragstäter zum Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit b FinStrG (infolge Übermittlung unvollständiger Lohnlisten an den Buchhalter des Vereins) einer Feststellung bedurft hätte, wonach der Angeklagte selbst zur Führung von Lohnkonten verpflichtet gewesen sei (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), sagt die Beschwerde nicht, die desgleichen darzulegen unterlässt, warum sich die Tatrichter näher mit Ergebnissen des Beweisverfahrens hätten befassen sollen, wonach der Angeklagte im Verein „nicht für die Finanzen zuständig“ gewesen sei (vgl US 7).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Mit den vorgebrachten Hinweisen auf - im Urteil beachtete (US 4 f, 17 ff) - Aussagen früherer Vertragsspieler des Fußballklubs, die in Rede stehende Zahlungen (von Schwarzlöhnen) an sie verneinten, und Anmeldungen offener Lohnforderungen im Konkurs des Vereins werden keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über für die Sanktionsbefugnis entscheidende Tatsachen (US 9, 21 bis 25 iVm den dort bezeichneten Aktenstellen) geweckt (Z 11 erster Fall iVm Z 5a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 669).
Das Vorbringen der Tatsachenrüge zu einer früheren Aufstellung des Finanzamts (ON 55) vernachlässigt die im - dem Urteil zugrunde gelegten (US 26) - Gutachten der Sachverständigen angeführten Beträge (ON 84 Tz 54).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die „vom Gesetz geforderte Wissentlichkeit“ bestreitet, die sich wie erwähnt nicht auf die Höhe des (außerhalb des Tatbestands gelegenen) strafbestimmenden Wertbetrags bezieht, verfehlt sie den im - gegenteilig - festgestellten Sachverhalt (US 10) gelegenen Bezugspunkt des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).
Gleiches gilt für das weitere, auf Personallisten im Akt rekurrierende Vorbringen, mit dem der Angeklagte (zumindest partiell) seine konstatierte Mitwirkung an der Abgabenhinterziehung in Abrede stellen will.
Weshalb es zusätzlicher Feststellungen darüber bedurft hätte, bei welchen Dienstnehmern der Angeklagte am Vertragsabschluss mitgewirkt habe, sagt die Beschwerde nicht.
Sie lässt auch offen, welche Konstatierungen über die ohnedies getroffenen hinaus in Betreff der vom Angeklagten an den Buchhalter des Vereins übermittelten Informationen (US 8 f, 10) noch für den Schuldspruch erforderlich sein sollten.
Ohne Ableitung aus dem Gesetz wird schließlich aus Z 9 lit a ein Feststellungsmangel zur in der Beschwerde aufgeworfenen Frage eingewendet, „ob dem Verein überhaupt finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um die Lohnabgaben ab dem 1. 9. 1998 bis zur Konkurseröffnung bezahlen zu können“ (vgl § 78 Abs 3 EStG).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E94355European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00157.09A.0617.000Im RIS seit
02.08.2010Zuletzt aktualisiert am
02.08.2010