Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernadette S*****, vertreten durch Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei „S*****“ Wohnbaugesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kurz und Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 8.720,13 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2009, GZ 4 R 532/08a-58, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 25. September 2008, GZ 5 C 572/05w-51, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 445,82 EUR (darin 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist bücherliche Eigentümerin der aneinandergrenzenden Liegenschaften EZ ***** mit dem Grundstück Nr 484 und EZ ***** mit dem Grundstück Nr 485/2 je des Grundbuchs *****, die mit der im Grundbuch einverleibten Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens zu Gunsten des nördlich vom Grundstück Nr 485/2 gelegenen Grundstücks Nr 485/1 der EZ ***** belastet sind.
Die beklagte Partei ist mit der Errichtung von Wohnanlagen befasst. Mit Bescheid vom 24. 10. 2002 wurde ihr (als Bauwerberin) die Bewilligung zum Bau einer aus vier Reihenhäusern bestehenden Wohnanlage auf dem Grundstück Nr 485/1 unter mehreren Auflagen erteilt. Auflage 13 lautete:
„Wird durch die Bauführung der Straßenkörper beschmutzt oder beschädigt, so hat der Bauwerber ohne besondere Aufforderung auf eigene Kosten die Straße unverzüglich zu säubern und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.“
Die beklagte Partei beauftragte mit der Durchführung der Bauarbeiten einen Baumeister sowie weitere selbständige Unternehmer, die den Bau im Zeitraum von November 2002 bis November 2003 fertig stellten. Während der Bauphase erfolgten der Zugang und die Zufahrt zu der Baustelle auf dem über die Grundstücke der Klägerin führenden „Servitutsweg“, der an seinem südlichen Ende in eine Landesstraße mündet.
Die Klägerin begehrte mit der am 4. 7. 2005 beim Erstgericht eingebrachten Klage Zahlung von zuletzt 8.720,13 EUR sA. Sie behauptete, dass es während der Bauarbeiten zu diversen Schäden auf ihren Liegenschaften gekommen sei, wobei sie im Einzelnen folgende Schadenspositionen geltend machte: Betonrandsteine 963,84 EUR; Sträucher und Pflanzen 410 EUR; Malerarbeiten 583,44 EUR; Begrenzungspfosten 69 EUR; Fichtenhecke 814,22 EUR; Sauberhalten der Einfahrt 248,84 EUR; Lichterkette 88 EUR; Vermessungskosten 600 EUR; Wegsanierung 5.442,79 EUR. Hierauf habe die beklagte Partei bisher nur 500 EUR bezahlt. Zum Schaden am (teils asphaltierten, teils geschotterten) Servitutsweg brachte sie vor, dessen Oberfläche sei im Zuge der Bauführungen aufgerissen und danach zwar neu geschottert, aber nicht mehr verdichtet worden. Bei Niederschlägen komme es nun immer wieder zu Auswaschungen, was vor den Bauarbeiten nicht der Fall gewesen sei und die Befahrbarkeit des Wegs beeinträchtige. Sie begehre die Kosten der Wiederherstellung des Wegs aus dem Titel des Schadenersatzes. Die beklagte Partei habe als Bauführerin für die exzessive Benützung des Servitutswegs während der Bauarbeiten einzustehen.
Die beklagte Partei bestritt, den Servitutsweg beschädigt zu haben. Sein Zustand entspreche jenem vor den Bauarbeiten. Die von der beklagten Partei beauftragten Unternehmer hätten den Servitutsweg mit ihren Fahrzeugen auf eigene Verantwortung befahren. Sollte es tatsächlich zu Schäden gekommen sein, müsse sich die Klägerin an die Verursacher halten; die beklagte Partei könne hiefür nicht haftbar gemacht werden. Im Übrigen habe sie Ende des Jahres 2003 ohnehin die vollständige Wiederherstellung des Servitutswegs veranlasst, der danach mängelfrei gewesen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 5.337,28 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 3.382,85 EUR sA ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch weitere Feststellungen, von denen die folgenden für das Revisionsverfahren von Bedeutung sind:
Der Geschäftsführer der beklagten Partei befand sich während der Bauarbeiten regelmäßig, etwa zwei- bis dreimal wöchentlich auf der Baustelle, um den Baufortschritt zu sehen und die Baumaßnahmen zu überprüfen. Mitte November 2003 zeigte ihm die Klägerin beschädigte Betonrandsteine im südwestlichen Einfahrtsbereich und eine Verschmutzung an der Fassade ihres Hauses. Der Geschäftsführer der beklagten Partei sagte ihr zu, dass diese Schäden nach Beendigung der Baumaßnahmen behoben werden würden. Zu weiteren Gesprächen zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der beklagten Partei kam es während der Baumaßnahmen nicht.
Der ca 50 m lange und 3 m breite Zufahrtsweg (Servitutsweg) verläuft entlang des östlichen Randes der Grundstücke der Klägerin. Durch ihn werden mehrere nördlich davon liegende Grundstücke erschlossen. Der Weg war nur im südlichen Einmündungsbereich asphaltiert und im Übrigen als Schotterweg angelegt. Vor Beginn der Bauarbeiten war der Schotterweg „ziemlich eingewachsen und befestigt“. Seit der Errichtung der Reihenhausanlage auf dem unmittelbar nördlich benachbarten Grundstück hat sich die verkehrsmäßige Belastung auf dem Zufahrtsweg erheblich erhöht. Die Bauphase bedeutete noch eine zusätzliche, wenn auch zeitlich beschränkte Belastung des Wegs. Diese betraf sowohl die Fahrbahnoberfläche, als auch den Straßenaufbau sowie die Aufnahme der seitlich abgeleiteten Kräfte auf die angrenzenden Objekte. Durch die Reifen der schweren LKWs wurde der Schotter in den schon vorher vorhandenen Fahrrinnen aufgelockert. Bei Niederschlägen wurde das gelockerte Material weggeschwemmt, was zu einer weiteren Vertiefung der Fahrrinnen führte. Dies hatte zur Folge, dass sich der Niveauunterschied zwischen dem asphaltierten und dem nicht asphaltierten Teil der Straße vergrößerte. Um diesen Niveauunterschied mit Kraftfahrzeugen überwinden zu können, ist nun mehr Antriebskraft erforderlich, was oft zum Durchdrehen der Räder führt. Dadurch erhöht sich der Schotterabrieb in den Spurrillen, sodass die Eintiefung weiter schreitet. Die annähernde Wiederherstellung des Wegs, bezogen auf dessen Zustand vor Beginn der Bauarbeiten, erfordert einen Kostenaufwand von 4.290 EUR inklusive 20 % USt.
Nach Abschluss der Bauarbeiten beauftragte die beklagte Partei ein Unternehmen mit der Sanierung des Zufahrtswegs. Der Weg wurde planiert, einmal abgezogen und hergerichtet. Trotz dieser Arbeiten war jedoch die ursprüngliche Befestigung des Zufahrtswegs nicht mehr gegeben, weshalb die Klägerin ab November 2004 mehrfach provisorische Sanierungsarbeiten in Auftrag gab.
Mit Schreiben vom 2. 4. 2004 teilte die Gemeinde der beklagten Partei mit, dass der Zufahrtsweg auf den Grundstücken der Klägerin im Zusammenhang mit der Bauführung in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Gleichzeitig trug sie der beklagten Partei (gemäß § 34 Abs 5 Tiroler Bauordnung [TBO] 2001) auf, notwendige Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen und den früheren Zustand wiederherzustellen. Die beklagte Partei lehnte jedoch in ihrem Antwortschreiben vom 11. 5. 2004 mit Hinweis auf die bereits stattgefundenen Wiederherstellungsarbeiten weitere Sanierungsmaßnahmen ab. Mit Schreiben vom 8. 11. 2004 forderte schließlich der damalige Klagevertreter die beklagte Partei vergeblich zur „Mängelbehebung“ auf.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, der Klägerin stehe aufgrund der Zusage des Geschäftsführers der beklagten Partei, diese Schäden zu beheben, der Ersatz der Kosten für die Erneuerung der beschädigten Randsteine (963,84 EUR) und für die Malerarbeiten (583,44 EUR) abzüglich der hierauf geleisteten Akontozahlung von 500 EUR, somit ein Betrag von 1.047,28 EUR zu. Von den übrigen Schadenspositionen würden ihr nur die Kosten für die Sanierung des Zufahrtswegs (4.290 EUR) gebühren. Die beklagte Partei habe als Bauwerberin bzw Bauherrin schon aufgrund der Auflagen der erteilten Baubewilligung für die Wiederherstellung des ordnungsgemäßen früheren Zustands des Wegs zu sorgen, die durch die nach Baubeendigung veranlassten einmaligen Arbeiten nicht bewirkt worden sei.
Diese Entscheidung blieb hinsichtlich der Abweisung eines Teilbegehrens von 1.240,79 EUR sA unbekämpft und erwuchs in diesem Umfang in Teilrechtskraft.
Das im Übrigen von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil den stattgebenden und mit Ausnahme eines Teilbegehrens von 600 EUR (Vermessungskosten) auch den abweisenden Teil der erstinstanzlichen Entscheidung. Hinsichtlich der Vermessungskosten hob es das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach ferner zunächst aus, dass die Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei.
Zur Rechtsrüge der beklagten Partei führte es aus, das Erstgericht habe den Zuspruch der um die Akontozahlung gekürzten Ersatzbeträge für die Schäden an der Fassade und der Betonrandsteine zutreffend auf die (letztlich nicht eingehaltene) Zusage des Geschäftsführers der beklagten Partei, diese Schäden zu ersetzen, gestützt. Bei den im Zusammenhang mit dem Zufahrtsweg zuerkannten Wiederherstellungskosten handle es sich entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht um ein „Problem der Beitragspflicht zu regelmäßigen Erhaltungsarbeiten an diesem Servitutsweg“, sondern um die durch die Bauarbeiten der beklagten Partei verursachten Kosten der Schadensbehebung. Sowohl aus der Auflage 13 des Baubescheids, als auch aus § 34 Abs 5 TBO 2001 ergebe sich, dass die beklagte Partei zur Wiederherstellung des Vorzustands verpflichtet sei.
Über Antrag der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch nachträglich dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Es habe bei der Behandlung der Rechtsrüge der beklagten Partei nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ausgeführt, dass es sich bei dem geltend gemachten Wiederherstellungsbegehren um Kosten der Behebung der Schäden am Servitutsweg handle, die durch die Bauarbeiten der beklagten Partei verursacht worden und gemäß § 483 ABGB in der Regel vom Servitutsberechtigten zu tragen seien.
Gegen den stattgebenden Teil des zweitinstanzlichen Teilurteils richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen (insoweit) im abweisenden Sinn abzuändern.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Sie ist jedoch (im Ergebnis) nicht berechtigt.
I. Die beklagte Partei erachtet das angefochtene Urteil als nichtig gemäß § 477 Abs 1 Z 6 ZPO, weil das Berufungsgericht den der Klägerin zuerkannten Ersatzanspruch mit öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der beklagten Partei begründet habe. Diese seien nicht vor den Gerichten, sondern vor den Verwaltungsbehörden durchzusetzen. Es liege daher Unzulässigkeit des Rechtswegs vor.
Die beklagte Partei übersieht mit dieser Argumentation, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs grundsätzlich von den Klagebehauptungen auszugehen ist. Maßgebend ist die Natur des erhobenen Anspruchs. Es kommt darauf an, dass der Kläger einen Anspruch behauptet, über den wegen seiner Rechtsnatur die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045718, RS0045584). Dies ist hier unzweifelhaft der Fall. Die Klägerin begehrt den Ersatz der Kosten für die Wiederherstellung des beschädigten Zufahrtswegs und stützt sich dabei auf den Titel des Schadenersatzes wegen eines unberechtigten (weil „exzessiven“) Eingriffs in ihr Eigentumsrecht. Für diesen privatrechtlichen Anspruch steht ihr der ordentliche Rechtsweg offen, wobei es belanglos ist, ob der Klageanspruch auch berechtigt ist. Ebenso wenig schadet es, dass derselbe Sachverhalt Gegenstand sowohl eines gerichtlichen als auch eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sein kann (vgl 1 Ob 83/99h mwN). Ob sich die vom Berufungsgericht herangezogenen öffentlich-rechtlichen Normen zur Begründung des von der Klägerin geltend gemachten privatrechtlichen Anspruchs eignen, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung, auf die im Folgenden noch näher einzugehen ist. Der Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 6 ZPO liegt jedenfalls nicht vor.
II. Auch die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
III. Die beklagte Partei wendet sich in ihrer Rechtsrüge gegen die Maßgeblichkeit der ihr im Bewilligungsbescheid der Baubehörde erteilten Auflagen und des § 34 Abs 5 TBO 2001 für die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin. Keine dieser Normen bilde eine Grundlage für eine vom Verschuldensprinzip losgelöste Erfolgshaftung eines Bauwerbers. Die Benützung des Servitutswegs sei auch während der Bauphase nicht aufgrund dieser öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, sondern aufgrund des bestehenden Dienstbarkeitsvertrags durch die von der beklagten Partei beauftragten Professionisten erfolgt. Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Handeln der beklagten Partei gingen aus den erstinstanzlichen Feststellungen nicht hervor.
Hiezu wurde erwogen:
1. Zur Anspruchsgrundlage:
1.1 Die Klägerin behauptet - wie in Punkt I. bereits dargelegt - einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht durch „exzessive“ Benützung des Servitutswegs und stützt ihren daraus abgeleiteten Anspruch auf den Titel des Schadenersatzes. Der Sache nach handelt es sich um einen Fall der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung einer Servitut wie auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe dient (8 Ob 51/03p mwN; RIS-Justiz RS0012040; vgl auch RS0016371). Das Klagebegehren kann auf die bestimmte Feststellung des Nichtbestehens der Servitut, die Wiederherstellung des früheren Zustands, die Unterlassung künftiger Störungen, aber - wie hier - auch auf Schadenersatz gerichtet sein (8 Ob 51/03p; RIS-Justiz RS0112687; vgl auch RS0106908; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 523 Rz 3). Die Klage kann sich gegen jeden Störer richten (RIS-Justiz RS0106908; vgl auch RS0012137), selbst wenn dieser sich auf ein ihm angeblich von einem Dritten eingeräumtes Recht beruft (RIS-Justiz RS0012144). Auch der mittelbare Störer ist passiv legitimiert (2 Ob 219/09h; RIS-Justiz RS0103058).
1.2 Nach den Behauptungen der Klägerin besteht der Schaden darin, dass der Servitutsweg durch das oftmalige Befahren mit Baufahrzeugen während der Bauarbeiten seine ursprüngliche Festigkeit und Verdichtung verloren hat, was seine nunmehrige Benützung erschwert. Indem sie ohne Bezugnahme auf ein Vertragsverhältnis die Instandsetzungskosten geltend macht, verfolgt die Klägerin einen deliktischen Schadenersatzanspruch, der nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist (vgl 2 Ob 281/00p; 5 Ob 143/04x mwN). Die Berechtigung dieses Anspruchs setzt somit einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin voraus.
1.3 Von schadenersatzrechtlichen Erwägungen unabhängig trifft den Servitutsberechtigten an einem Weg gemäß §§ 483, 494 ABGB die schuldrechtliche Verpflichtung, den Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der Sache zu tragen, wobei allerdings - falls keine andere Regelung getroffen wurde - sämtliche Personen oder Grundbesitzer, denen der Gebrauch zusteht, gegebenenfalls also auch der Eigentümer des dienstbaren Grundes selbst, verhältnismäßig beizutragen haben. Hat ein Teil die Kosten ganz oder in einem höheren Maß, als es seiner Benützung entspricht, getragen, kann er gemäß § 1042 ABGB Ersatz fordern (3 Ob 553/86 = SZ 59/77; 2 Ob 114/03h; RIS-Justiz RS0011750; Koch in KBB2 § 483 Rz 1 und §§ 492 - 495 Rz 1; Pacher, Der Instandsetzungs- und Erhaltungsbeitrag im Dienstbarkeitsrecht, ÖJZ 1993, 300). Ein auf diese Bestimmungen gegründeter Anspruch, den die Klägerin erstmals in ihrer Revisionsbeantwortung releviert, wurde in erster Instanz nicht geltend gemacht. Es könnte ihm auch schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil der begehrte Betrag bisher noch nicht aufgewendet worden ist (zu diesem Erfordernis vgl SZ 27/41; 2 Ob 114/03h; RIS-Justiz RS0019889, RS0115416; Koziol in KBB² § 1042 Rz 6; Rummel in Rummel, ABGB³ § 1042 Rz 9; Apathy in Schwimann, ABGB³ IV § 1042 Rz 7).
2. Zur (fehlenden) Entscheidungsrelevanz der öffentlich-rechtlichen Normen:
2.1 § 34 TBO 2001 regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Grundeigentümer die vorübergehende Benützung seines Grundstücks zum Zweck der Durchführung von Bauarbeiten auf dem benachbarten Grundstück zu dulden hat. Abs 5 dieser Bestimmung verpflichtet (unter anderem) den Bauherrn, innerhalb angemessener Frist nach der Beendigung der Bauarbeiten, zu deren Durchführung die Benützung von Nachbargrundstücken erforderlich war, den früheren Zustand wiederherzustellen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat ihm die Behörde auf Antrag des Eigentümers des betroffenen Grundstücks oder des sonst hierüber Verfügungsberechtigten mit schriftlichem Bescheid die zur Wiederherstellung des früheren Zustands notwendigen Maßnahmen aufzutragen. Abs 6 gewährt dem Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks oder dem sonst hierüber Verfügungsberechtigten, dem aufgrund der Durchführung der Bauarbeiten ein Vermögensnachteil entstanden ist, gegenüber dem Bauherrn einen Anspruch auf Vergütung, die, falls sich die Parteien nicht einigen, nach Maßgabe des § 65 des Tiroler Straßengesetzes behördlich festzusetzen ist. Gegen diese Entscheidung ist Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig (vgl Schwaighofer, Tiroler Baurecht [2003] § 34 Rz 12 ff).
Diese Bestimmungen sind wegen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters auf den privatrechtlichen Anspruch der Klägerin nicht unmittelbar anwendbar; die Entscheidung über die darin festgelegten Rechte und Pflichten erfolgt ausschließlich im verwaltungsbehördlichen Verfahren (so bereits Schwaighofer/Sallinger, Handbuch des Tiroler Baurechts [1994], § 42 TBO [aF] Anm 1). Dies gilt ebenso für die Durchsetzung der behördlichen Auflagen als pflichtenbegründende Nebenbestimmungen des Baubewilligungsbescheids (vgl RIS-Justiz RS0049691; VwGH 97/06/0057, 2002/06/0169, 2004/10/0188 uva).
2.2 Ungeachtet dieser Erwägungen könnten die öffentlich-rechtlichen Normen für die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin von Bedeutung sein, wenn ihnen die Eigenschaft eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB zukäme. Schutzgesetze sind nicht nur Gesetze im formellen Sinn, sondern jede Rechtsvorschrift, die inhaltlich einen Schutzzweck verfolgt (RIS-Justiz RS0027415; Karner in KBB2 § 1311 Rz 4). In diesem Sinne werden in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht nur zahlreiche Bestimmungen der Bauordnungen der Länder (vgl 7 Ob 9/95; 1 Ob 253/02s; 5 Ob 8/04v; RIS-Justiz RS0087587, RS0117106; weitere Nachweise bei Reischauer in Rummel, ABGB3 II/2a § 1311 Rz 4, 11c und 13a), sondern auch im Rahmen einer Baubewilligung erteilte Auflagen (3 Ob 70/03w = SZ 2003/154; vgl auch 2 Ob 257/09s mwN) als Schutzgesetze angesehen.
Schutzgesetze sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS-Justiz RS0027710). Sie bezwecken durch die Umschreibung konkreter Verhaltenspflichten, einem Schadenseintritt vorzubeugen (vgl RIS-Justiz RS0027367, RS0022571 [T2]; Karner aaO Rz 3; Reischauer aaO Rz 4a). Danach kommt aber den hier in Betracht gezogenen § 34 Abs 5 und 6 TBO 2001 sowie der Auflage 13 des Baubewilligungsbescheids nicht die Eigenschaft eines Schutzgesetzes zu. Die zitierten Normen verfolgen nicht den Zweck, einem Schadenseintritt vorzubeugen, sondern setzen einen solchen geradezu voraus. Ihr Sinn liegt darin, mit den Mitteln des verwaltungsbehördlichen Verfahrens die Folgen eines durch die Rechtsordnung gebilligten, bereits stattgefundenen Eingriffs in ein fremdes Rechtsgut zu beseitigen oder zu mindern und die verursachten Nachteile auszugleichen. Privatrechtliche Ansprüche und Einwendungen bleiben davon jedoch unberührt.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können somit die von ihm herangezogenen öffentlich-rechtlichen Normen, auf die sich die Klägerin nicht einmal berufen hat, keine tragfähige Grundlage für die Begründung des Anspruchs der Klägerin sein.
3. Zum behaupteten Eingriff in das Eigentumsrecht:
3.1 Geh- und Fahrrechte sind Feldservituten (§ 477 Z 1 ABGB) und damit Grunddienstbarkeiten iSd § 473 ABGB. Bei diesen steht das Recht dem jeweiligen Eigentümer einer bestimmten Liegenschaft (des herrschenden Guts) zu (4 Ob 600/79 = EvBl 1980/173; RIS-Justiz RS0011556). Sie dienen der vorteilhafteren oder bequemeren Benützung des herrschenden Guts (RIS-Justiz RS0011597).
Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Guts zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben. Servituten dürfen aber nicht erweitert werden; sie müssen vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, eingeschränkt werden. Diese Bestimmung stellt die Ausübung der Dienstbarkeit in das Belieben des Berechtigten, ordnet aber auch eine Beschränkung auf das nach Natur und Zweck der Bestellung nötige Maß an. Dieser scheinbare Widerspruch ist durch einen billigen Interessenausgleich zu lösen (4 Ob 527/93 mwN; 3 Ob 260/99b; 2 Ob 93/02v; 1 Ob 139/09m; vgl RIS-Justiz RS0011733). Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der den Berechtigten zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeit zu beachten sind (RIS-Justiz RS0011720). Ist Art und Ausmaß der Dienstbarkeit durch den Titel konkret bestimmt, spricht man von einer „gemessenen“ Servitut, deren Erweiterung unzulässig ist (RIS-Justiz RS0011752, RS0105550). Ansonsten handelt es sich um eine „ungemessene“ Servitut, deren Inhalt sich zwar am jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Guts orientiert, wobei jedoch ein solches Recht seine Grenzen in dessen ursprünglichen Bestand und der ursprünglichen oder doch zumindest vorhersehbaren Bewirtschaftungsart findet. Es soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Grundstück erheblich schwerer belastet wird (vgl 2 Ob 77/98g; 5 Ob 23/08f; 7 Ob 241/08p; 5 Ob 136/09z; RIS-Justiz RS0016368 ua). Die Einräumung eines nicht näher definierten „Geh- und Fahrrechts“ stellt eine ungemessene Dienstbarkeit dar (9 Ob 36/03i; 5 Ob 23/08f; RIS-Justiz RS0011741).
3.2 Die Parteien haben nicht behauptet, dass das Fahrrecht im Servitutsbestellungsvertrag näher definiert worden wäre. Es ist daher von einer ungemessenen Servitut auszugehen. Das Recht des Fahrwegs (§ 492 ABGB) berechtigt zur Ausübung des Fahrrechts für alle wirtschaftlichen Zwecke des herrschenden Grundstücks, wobei die Beschaffenheit des Fahrzeugs im Allgemeinen gleichgültig ist (RIS-Justiz RS0016365). Nach den Feststellungen diente der über die Liegenschaften der Klägerin führende Servitutsweg (auch) der Erschließung der nördlich davon gelegenen Grundstücke. Es wurde von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt, dass die Errichtung von Wohngebäuden auf dem herrschenden Grundstück schon bei der Begründung der Servitut zumindest voraussehbar war. Dies lässt darauf schließen, dass das eingeräumte Fahrrecht grundsätzlich auch die Zu- und Abfahrt mit Baufahrzeugen umfasste, weil ansonsten keine Bautätigkeit möglich gewesen wäre. Von der Zustimmung der Klägerin zur Beschädigung der Substanz ihres Wegs war hingegen im Zweifel nicht auszugehen. Für den (die) Benützungsberechtigten galt vielmehr der Grundsatz der schonenden Ausübung der Servitut (§ 484 ABGB; 2 Ob 93/02v).
3.3 Dafür, dass die beklagte Partei selbst „Dienstbarkeitsberechtigte“ wäre, wie dies die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung unterstellt, ergibt sich aus den Feststellungen kein Anhaltspunkt. Servitutsberechtigt ist, wie erörtert, jedenfalls der jeweilige Eigentümer des herrschenden Guts. Von seinem Recht leiten sich auch die Benützungsrechte weiterer Personen, wie der neu hinzugezogenen Bewohner der Reihenhäuser sowie deren Besucher, Lieferanten etc ab. Bei lebensnaher Betrachtung ist daher davon auszugehen, dass auch der beklagten Partei und den von ihr beauftragten Unternehmern das Befahren des Servitutswegs mit Baufahrzeugen durch den Servitutsberechtigten gestattet worden war. Da deren abgeleitete Benützungsrechte nicht weiter reichen, als jene des Eigentümers des herrschenden Guts, traf auch die beklagte Partei die Verpflichtung zur schonenden Ausübung der Servitut.
3.4 Das Eigentumsrecht ist ein absolutes, von der Rechtsordnung gegen Angriffe Dritter geschütztes Recht. Ein Verhalten, mit dem gegen eine aus der Absolutheit eines Rechtsguts abzuleitende Verhaltenspflicht verstoßen wird, ist deliktisch (2 Ob 273/05v [Senat 6]; 5 Ob 168/08d; RIS-Justiz RS0010350 [T1]). Eine Beeinträchtigung des Eigentums kann auch in seinem (hier: „exzessiven“) Gebrauch durch einen Dritten bestehen (5 Ob 168/08d).
Wie der Oberste Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall bereits ausgesprochen hat, überschreitet das Befahren eines Servitutswegs mit Schwerfahrzeugen den Rahmen des Zulässigen, wenn sich der Weg nicht in einem dafür geeigneten Zustand befand und deshalb teilweise zerstört wurde. Durch eine solche unzulässige, den Umfang der eingeräumten Wegeservitut überschreitende Benützung wird in die Rechte des Servitutsbestellers eingegriffen (3 Ob 260/99b; vgl RIS-Justiz RS0016365), hier also in die Rechte der Klägerin. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs folgt aus der Verletzung der gesetzlichen Verhaltenspflicht zur schonenden Ausübung der Servitut.
3.5 Es liegt auch ein der beklagten Partei zuzurechnendes Verschulden am Eintritt des Schadens vor:
Nach den Feststellungen waren auf dem geschotterten Teil des Wegs schon vor den Bauarbeiten Fahrrinnen vorhanden, die sich durch das Befahren mit Baufahrzeugen, weil der Schotter gelockert und nach Niederschlägen weggeschwemmt wurde, sukzessive weiter vertieften. Dies konnte dem zwei- bis dreimal wöchentlich auf der Baustelle befindlichen - und den Weg daher selbst regelmäßig benützenden - Geschäftsführer der beklagten Partei nicht verborgen geblieben sein. Bei den an den Repräsentanten einer als Bauwerberin auftretenden Bauträgergesellschaft (ON 10) zu richtenden Sorgfaltsanforderungen (§ 1299 ABGB) hätte er spätestens zu diesem Zeitpunkt erkennen müssen, dass der Servitutsweg der Belastung durch die Baufahrzeuge auf Dauer nicht standhalten wird. Im Hinblick auf diese voraussehbare Gefahr für das Eigentum der Klägerin wäre die beklagte Partei als Auftraggeberin der Bauarbeiten (zu deren Passivlegitimation vgl abermals 3 Ob 260/99b) verpflichtet gewesen, zumutbare Vorkehrungen zur Verhinderung des Schadenseintritts zu ergreifen (vgl auch 3 Ob 72/02p mwN).
Solche hätten etwa darin bestehen können, dass sie entweder selbst eine ausreichende Befestigung des Wegs - zB durch dessen durchgängige Asphaltierung - veranlasste (gemäß § 483 ABGB hat der Berechtigte, nicht der Verpflichtete die Aufwendungen zur Herstellung und Erhaltung der Nutzbarkeit der dienstbaren Sache zu tragen), oder durch entsprechende Aufträge an den Baumeister und die weiteren Unternehmer für die Reduzierung der transportierten Lasten Sorge trug. Auch finanzielle Nachteile durften bei der gebotenen Interessenabwägung nicht ausgeklammert werden (1 Ob 25/09x mwN).
Die Unterlassung zumutbarer Maßnahmen gegen den vorhersehbaren Schadenseintritt begründet das Verschulden der beklagten Partei. Deren Verpflichtung zum Ersatz des durch die Baufahrzeuge verursachten Schadens am Servitutsweg wurde von den Vorinstanzen somit im Ergebnis zu Recht bejaht.
4. „Betonrandsteine“ und „Malerarbeiten“:
Zu diesen Schadenspositionen wird im Rechtsmittel nichts ausgeführt. Da der Grundsatz, dass bei Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung die Gesetzmäßigkeit des Urteils nach allen Richtungen zu prüfen ist, unter anderem dann nicht mehr gilt, wenn bei einem mehrere Ansprüche erfassenden Schadenersatzbegehren die Rechtsrüge nicht hinsichtlich jedes dieser Ansprüche ordnungsgemäß ausgeführt ist (RIS-Justiz RS0043338 [T4 und T6]), sieht sich der Oberste Gerichtshof zu einer Überprüfung des Zuspruchs von Kosten für die Erneuerung der Betonrandsteine und für die Durchführung von Malerarbeiten nicht veranlasst.
IV. Aus den dargelegten Gründen ist der Revision gegen das angefochtene Teilurteil der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0035972).
Textnummer
E94412European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00143.09G.0617.000Im RIS seit
13.08.2010Zuletzt aktualisiert am
19.02.2013